Mittwoch, 28. April 2021

Die Flamen machen das zwischen Schottland und Konstantinopel

Auch in Brandenburg machten sie’s:

Albrecht der Bär hatte bereits vor 1157 Gebiete östlich der Oder bis in den Fläming hinein erwerben können, bis sein Herrschaftsgebiet an die Zauche grenzte, die sein Sohn Otto als Patengeschenk des Hevellerfürsten Pribislaw-Heinrich erhalten hatte.[14] Die Söhne und Enkel Albrechts setzten als Markgrafen die geschickte Siedlungspolitik zur Stabilisierung der jungen Mark und zum Landesausbau fort. Die Besiedlung des Fläming vollzog sich in mehreren Schüben, wobei im westlichen Teil und Jüterboger Raum das Erzbistum Magdeburg die treibende Kraft war und bereits vor 1157 mit der Einwerbung von Siedlern begonnen hatte, während im südöstlichen Teil die Askanier aktiv waren.

Fläming-Festtagstracht in Jüterbog, vor 1900

Der Erzbischof Adalgod von Osterburg hatte um 1107 festgestellt: Die Heiden hier sind übel, ihr Land aber höchst ergiebig an Fleisch, an Honig, an Mehl … an Vögeln. Und wenn es sorgfältig bebaut wird, wird ein solcher Überfluss an allem Wachstum aus der Erde sein, dass kein Land mit ihm verglichen werden kann. Das sagen, die es kennen. Deswegen, ihr Sachsen, Franken, Lothringer, ihr ruhmvollen Flandrer, Bezwinger der Welt, hier könnt ihr Eure Seelen erretten und – wenn ihr wollt – das beste Land zum Siedeln bekommen.[15]

Rund 400.000 Menschen strömten im 12. und 13. Jahrhundert nach Osten. Die Siedler kamen insbesondere aus der Altmark, dem Harz, Flandern und den Rheingebieten in das Land. Der Zuzug führte sehr wahrscheinlich über Magdeburg zuerst in die Loburger und Leitzkauer Region, von dort nach Wittenberg, weiter nach Jüterbog und in der letzten Phase nach Bad Belzig. Eine wichtige Rolle spielten die Flamen, die nach verheerenden Sturmfluten im eigenen Land gerne neue Siedlungsgebiete annahmen und mit ihrer Erfahrung im Deichbau zu den Eindeichungen von Elbe und Havel beitrugen, die in den 1160er Jahren in Angriff genommen wurden. Viele Flamen ließen sich im heutigen Fläming nieder und gaben ihm somit (später und indirekt) den Namen. Bis zur Gegenwart erhielt sich die Fläming-Tracht, die auch heute noch vereinzelt zu Festtagen angelegt wird. Sie ist eine von zwei lebenden Volkstrachten in der Mark Brandenburg. Ihr Verbreitungsgebiet umfasst auch Teile des südlichen Fläming in Sachsen-Anhalt.

Nicht ganz gesichert, aber sehr wahrscheinlich, lehnen sich Ortsnamen wie BrückBrügge oder Euper[16]Ypern an flämische Städte an. Die Verbindung vom Fläming nach Flandern wird auch heute wachgehalten. Im Jahr 2005 beispielsweise fand in Wittenberg eine Ausstellung Von Flandern in die Mark – Die Besiedlung des Flämings im Mittelalter mit einer Festveranstaltung des deutsch-belgischen Vereins Fläming-Flandern zur Eröffnung statt. Ein Jahr zuvor hatte es in Antwerpen unter dem verbindenden Titel Oude en nieuwe bruggen – alte und neue Brücken eine Ausstellung zum gleichen Thema gegeben. (Wiki.)

Flandern war weit entwickelter als andere Teile des Karolingerreiches und zugleich stets von Sturmfluten bedroht, denen ganze Inseln wie Rungholt dauerhaft zum Opfer fielen. Daher ist es nicht verwunderlich, daß in der mittelalterlichen Wanderzeit die Flamen überall anzutreffen waren, auch wenn sie gelegentlich als Normannen und - öfter - als Franken bezeichnet werden. Häufig bildeten sie geschlossene Siedlungsgebiete wie in Südwales und wohl auch im Fläminggebiet.

Der Waliser Kirchenpolitiker Giraldus Cambrensis, alias Gerald von Wales (1146-1223) aus anglonormannischem Adel, schrieb über sie:

“Sie sind ein tapferes, widerstandfähiges Volk, Todfeinde der Waliser, mit denen sie sich endlose Scharmützel liefern; ein Volk, das in der bearbeitung von Wolle versiert, im Handel erfahren und darüberhinaus bereit ist, alle Anstrengungen zu unternehmen und sich jeder Gefahr zu Lande oder zu Wasser auszusetzen, um Gewinn zu machen. Je nach den Erfordernissen der Zeit und des Ortes sind sie schnell am Pflug oder bei den Waffen; ein tapferes, vom Schicksal begünstigtes Volk.”* 


Wie sähe das wohl heute der pausbäckige Kardinal Marx? 


*Bartlett, “Die Geburt Europas aus dem Geist der Gewalt”, S. 144