Montag, 31. Mai 2021

Der Pastorensohn in Sansibar


 

Heinrich Brode, Tippu Tip, Lebensbild eines zentralafrikanischen Despoten, Nach seinen eigenen Angaben erstellt, Bln. 1905

„Waren die Eingeborenen kriegerisch und auf die eigene Stärke nicht genügend Verlaß … so konnte der Reisende bei diplomatischem Vorgehen in friedlichem Handel den unerfahrenen Wilden das kostbare Elfenbein … um ein Billiges ablocken, konnte auch für wenige Stücke bunten Tuchs eine ganze Herde Sklaven einhandeln: waren die Bewohner hingegen schwach, so schlug man ein kürzeres Verfahren ein. Man überfiel friedliche Dörfer, plünderte sie aus und nahm die Eingeborenen, deren man habhaft werden konnte, als Sklaven mit sich. Auf diese Weise wird mancher Araber, der arm auszog, begütert in die Heimat zurückgekehrt sein und dort durch Erzählungen … die Kunde verbreitet haben, daß man in Ostafrika mit einigem Wagemut in kurzer Zeit ein ein reicher Mann werden kann.“* 

In solchen Umständen wurde Hamed bin Muhamed, mit Beinamen Tippu Tip, auf Sansibar groß und dann reich. Mit 16 trat er seine erste Handelsreise nach Ostafrika an. 

Der Pastorensohn und Diplomat Brode aus Sachsen war nicht nur neugierig auf Afrika, er schrieb in dieser Biographie des Tippu Tip auch auf, was einigen Aufschluß gibt über diese Zeit in Ostafrika. 

Warum er im Großen Brockhaus keine Erwähnung findet, ist rätselhaft.  






Sonntag, 30. Mai 2021

Klimaschau #41: Keine Kinder wegen Klimawandel

Große Namen der Physik - Freeman Dyson, Fred S. Singer, William Happer u.a. - waren bzw. sind der Überzeugung, daß CO2 kein Problem darstellt.

Dieses Gedicht kannten wir noch nicht

 Rudyard Kipling, The White Man's Burden (1899)

Die Bürde des Weißen Mannes

Ergreift die Bürde des Weißen Mannes – 

schickt die Besten aus, die ihr erzieht – 

Bannt eure Söhne ins Exil den Bedürfnissen euerer Gefangenen zu dienen; 

in schwerem Geschirre aufzuwarten verschreckten wilden Leuten – 

euren neugefangenen verdrossenen Völkern, 

halb Teufel und halb Kind. 

Ergreift die Bürde des Weißen Mannes – 

geduldig auszuharren um Schreckensdrohung zu verhüllen und anmaßenden Stolz zu zügeln; 

durch offenes und schlichtes Reden, hundertmal klar dargelegt, 

eines anderen Vorteil zu suchen und eines anderen Gewinn zu bewirken. 

Ergreift die Bürde des Weißen Mannes – die wüsten Kriege des Friedens – füllt den Mund des Hungers und gebietet der Krankheit Einhalt; und wenn euer Ziel ganz nah ist, das Ziel, das ihr für andere erstrebt habt, seht zu, wie Trägheit und heidnischer Wahn all eure Hoffnung zunichte machen. 

Ergreift die Bürde des Weißen Mannes – kein Flitterkönigs-Herrschen, sondern die Plackerei von Knecht und Putzer – die Summe der gewöhnlichen Dinge.


Die Häfen, in die ihr nicht einlaufen dürft, 

die Straßen, die ihr nicht betreten werdet, 

geht, macht sie mit euren Lebenden 

und markiert sie mit euren Toten! 


Ergreift die Bürde des Weißen Mannes – und erntet seinen alten Lohn: den Tadel derer, die ihr bessert, den Haß derer, die ihr hütet – 

den Schrei der vielen, die ihr lockt (ah, so langsam!) hin zum Licht: 

»warum habt ihr uns aus der Knechtschaft befreit, unserer geliebten ägyptischen Finsternis? 


Ergreift die Bürde des Weißen Mannes – 

wagt nicht, euch nach Geringerem zu bücken – 

und beruft euch nicht zu lauf auf Freiheit, um euere Müdigkeit zu bemänteln; an allem, was ihr ruft oder flüstert, an allem, was ihr laßt oder tut werden die schweigsamen verdrossenen Völker euere Götter und euch messen. Ergreift die Bürde des Weißen Mannes – macht Schluß mit den Tagen der Kindheit – dem leicht dargebotenen Lorbeer, dem mühelosen unangefochtenen Lob. 

Nun kommt - eure Mannhaftigkeit zu suchen durch all die Jahre ohne Dank -, 

kalt-geschliffen von teuer erkaufter Weisheit 

das Urteil von Ebenbürtigen!


Erstveröffentlichung: 4.2.1899 London Times, 5.2. N.Y. Tribune & Sun

http://www.loske.org/html/school/history/c19/burden_full.pdf


Rudyard Kipling: *1865 Bombay, 1871 Schulbildung in England, 1882-89 als Journalist in Indien, 1891-6 in den USA, wo er die beiden Dschungelbücher schreibt, ab 1898 wiederholte Reisen in den Süden Afrikas, wo er u.a. mit C. Rhodes zusammentrifft, 1907 als erster engl. Schriftsteller den Nobelpreis, in späteren Jahren zunehmend kritischer gegenüber expansiven, imperialistischen Bestrebungen,U1936


Gov. (N.Y.) T. Roosevelt to Congressman H. Cabot Lodge, Jan. 12, 1899: "I send you an advance copy of a poem by Kipling which is rather poor poetry, but good sense from the expansionist standpoint." H. Cabot Lodge to T. Roosevelt, Jan. 14, 1899 "Thanks for the advance copy of Kipling's poem. I like it. I think it is better poetry than you say, apart from the sense of the verses.”


Spricht hier ein Christ? Oder ein Imperialist? Wohl beides. Der europäische Expansionismus war seit Columbus ein Kolonialismus, der dann Imperialismus wurde im Geist der Verbesserung der Welt. Von Cecil Rhodes bis Albert Schweitzer und den Eltern Hermann Hesses ist zudem ein protestantisches Element im Imperialismus unübersehbar. 

Das war natürlich zu kurz gedacht und idealistisch aufgeblasen. 


Samstag, 29. Mai 2021

A la mode

 




"Teure und öde Sandbüchse", lautete die Kritik an der Deutsch-Südwest-Kolonialpolitik im Deutschen Reich. Sie traf zu, Millionen Reichsmark mußten aus Deutschland nach Süd-West überwiesen werden. Deswegen war Bismarck dagegen, er beugte sich aber der Mode der Zeit. Portugiesen, Spanier, Franzosen, Holländer und Engländer besaßen seit langem Kolonien rund um den Globus, ganz in der antiken griechischen Tradition. Alle Poleis eroberten Kolonien, ganz Kleinasien war griechisch. Und so verfuhren auch Chinesen und Römer. 

In Afrika kolonisierten vor allem Araber, Franzosen und Engländer. Für Deutschland blieben Regionen, die die anderen verschmäht hatten, weil sie sie für nutzlos hielten. Aber wenn der Zeitgeist weht, kann sich so leicht niemand entziehen. Das galt und gilt immer. Und gilt auch heute. 


Abb.: Paul H. Kuntze, Volksbuch unserer Kolonien, 1938   



Mittwoch, 26. Mai 2021

Klimaschau #40: Durchbruch in der Klima-Mittelfrist-Vorhersage

Die verbleibenden Kältewellen wie jüngst in Texas können so katastrophal ausfallen, daß alle Staaten ihre Grundlastkapazitäten dringend erweitern müssen! In Deutschland heißt das: keine Abschaltung von Kohle- und Kernkraftwerken!

Dienstag, 25. Mai 2021

Robert Bartlett, “Die Geburt Europas aus dem Geist der Gewalt”

 Die Friedenbewegung war noch nicht erfunden

Während der Mittelalter-Kollege Michael Mitterauer sozusagen die nahrhafte Perspektive einnimmt und die Agrarrevolution und ihre Auswirkungen in den Mittelpunkt stellt, lenkt Bartlett den Blick auf die Gewalt als zentrale Kategorie: 

“Überall beherrschte eine kleine adlige Elite die Landbevölkerung und lebte von der Arbeit der Bauern. Ein Teil des Adels bestand aus Laien; ihr Metier war das Kriegshandwerk, sie waren stolz auf ihre Familien und auf den Fortbestand ihrer Linien bedacht. Die anderen wurden für eine kirchliche Laufbahn bestimmt, als Mönche oder Weltgeistliche.” (S. 11) 

Diese fränkische Elite mit ihren Berufssoldaten beendete nicht nur die Angriffe aus dem Osten und dem Süden, die das fragile Westeuropa stets bedroht hatten - die arabischen Eroberer kamen bis Poitiers, wo sie erst von Karl Martell besiegt wurden (732) - es gelang ihnen tatsächlich im Laufe der Jahrhunderte die Rückeroberung der arabischen Besetzungen. Mehr noch, sie expandierten über das fränkische Kerngebiet hinaus und initiierten internationale Militärorden wie die Templer, Schwertbrüder, Johanniter etc., die Gewalt für die Mission zwischen Lübeck und Jerusalem einsetzten. Sie waren direkt dem Papst unterstellt, der allein Kreuzzüge legitimieren konnte. Dergestalt konsolidierten sich die europäischen Grenzen als Grenzen des lateinischen Europas, das nachhaltig Bestand hatte. Das griechische Europa in Gestalt des byzantinischen Reiches unterlag 1453 der türkischen Eroberung und heißt heute Istanbul. Insofern beweist sich die von Bartlett gewählte Zentralperspektive der Gewalt bei der Europäisierung Europas als relevant.   


Montag, 24. Mai 2021

Brot-und-Butter-Perspektive fehlte bisher

Michael Mitterauer, Warum Europa?, Mchn. 2003


Die Zahl der Bücher zum Mittelalter ist Legion. Mußte Mitterauer auch noch eines vorlegen? Das kann man nur wärmstens begrüßen. Seine Brot-und-Butter-Perspektive fehlte bisher. Das läßt sich fast wörtlich verstehen. Die mittelalterliche Agrarrevolution macht Mitterauers Argumentationsfundament aus, auf diesem stellen sich die anderen Faktoren dar: bessere Versorgung der Bevölkerung, insbesondere auch der Armeen, deren Panzerreiter nicht nur Pferde und den Hafer für diese brauchten, sondern auch elaboriertes Schmiedehandwerk erforderten; die Vergetreidung setzte auch Impulse für die Mechanik der Mühlentechnik, die Zukunftspotential für die technische Entwicklung auch anderer Bereiche wie der Wasserkraftnutzung überhaupt entfaltete; und schließlich bildete die Erfindung der Vasallität und der feudalen Grundherrschaft einen starken Anstoß für die Arbeitsteiligkeit und die soziale Organisation von Familie und Haushalt - weg von einer stark patrilinearen Familienordnung hin zur europäischen gattenzentrierten Familie mit später Heirat und konsensualem Potential.

Es leuchtet ein, daß gerade der letzte Punkt auch heute noch ein kapitaler Trennungsfaktor zu anderen Kulturen darstellt. 

Diese Wirkfaktoren in ihrer sich gegenseitigen begünstigenden Verkettung dargelegt zu haben ist das große Verdienst dieses Buches.

 









Sonntag, 23. Mai 2021

Klimaschau #39: Römisches Reich profitierte von natürlicher Wärmephase

Warmzeiten geben gute Ernten, das ständig wachsende antike Rom konnte nur durch landwirtschaftliche Überschüsse in der Warmzeit versorgt werden; das gilt ähnlich für den Aufstieg des Rivalen Karthago. 

Dienst

Du mußt jemandem dienen, wenn du zur Familie der Rudeltiere gehörst (Katzen gehören nicht dazu). Meinte Bob Dylan in seinem Lied "You got to serve somebody". Das ist nicht falsch. Die Hierarchie nach Rangplatz ist das vorherrschende Ordnungsprinzip, sowohl bei den Schafen als auch bei den Menschen, im Orient und im Okzident. Im Orient und der katholischen Kirche steht ein absoluter Monarch an der Spitze, im Okzident ein lehensrechtlicher Monarch, zunächst mit absoluten Zügen, die immer mehr durch die Rechte seiner Vasallen eingeschränkt werden. Dieses Prinzip verdeutlicht sich schon früh u.a. in der Magna Charta Libertatum von 1215, zu deren Unterzeichnung der englische König Johann gezwungen wurde.

Samstag, 22. Mai 2021

Lieber Zinsen als Sklaven

Mit der Lehnswirtschaft und dem Burgenbau wurden Renditen sicherer und es “bestand weniger Veranlassung, Sklaven als Arbeitskräfte zu halten. Denn die Sklavenjagden der Deutschen im 10. Jahrhundert, der Polen im 11., der Schotten im 12. oder der Litauer im 13. Jahrhundert fanden im Kontext von Wirtschaftsordnungen statt, in denen Sklavenarbeit, sei es im Haus, als Handwerker oder auf den Feldern, ein bedeutender Faktor war - noch im Jahre 1170 wurden auf dem Sklavenmarkt in Mecklenburg 700 Dänen zum Verkauf angeboten.”*

Dabei verdoppelten sich die “christianisierten” Landflächen im Norden, Osten und Süden. Eine Rendite der anderen Art. 


*Bartlett, “Die Geburt Europas aus dem Geist der Gewalt”, S. 366


Abb.: Ziemlich unübersichtlich: Mecklenburg 1230, Wikip.


Freitag, 21. Mai 2021

Der Bologna-Prozeß

“Um 1300 existierte Europa bereits als identifizierbare kulturelle Einheit. Diese ließe sich auf vielerlei Weise beschreiben, doch gehörten zu den gemeinsamen Zügen im kulturellen Gesicht des mittelalterlichen Europas sicherlich die Heiligen, die Namen, die Münzen, die Urkunden und das Bildungswesen … Im Spätmittelalter waren Europas Namen und Kulte wesentlich einheitlicher als je zuvor; überall prägten die Herrscher Europas Münzen, überall stützten sich sich auf Kanzleien; und Europas Beamte teilten einen gemeinsamen Erfahrungsschatz an höherer Bildung. In all diesen Punkten zeigt sich die Europäisierung Europas.”*

Das ist kaum zu bezweifeln, und diese grundlegende Einheitlichkeit soll im Rahmen der EU bewahrt und vor allem weiterentwickelt werden, wozu der Bologna-Prozeß angeschoben wurde. 

Bologna war die juristische Elite-Universität und Paris die theologische; inzwischen sind viele Fächer und viele Unis dazugekommen. Das Kalkül dabei bleibt, daß die im Bologna-Verbund ausgebildeten Führungskräfte auch die politischen Prozesse in einer gewissen Einheitlichkeit gestalten werden. Das ergibt Reibungspotential mit demokratischen Vorstellungen. “We, the people” als Kern der Demokratie sind nicht deckungsgleich mit Akademiker-Schichten, die von den Brüsselkraten heute als Weltverbesserungsagenten gedacht sind. War das große Werk Europas im Mittelalter und danach die effiziente Abwehr von Plünderern und Eroberern, so ist von der seinerzeitigen militärischen Stärke wenig übriggeblieben. Europas Macht liegt hinter China, Rußland und den USA weit zurück. Mit fixen Ideen wie der CO2-Bepreisung schwächt es sich selbst nachhaltig. Man könnte diese Entwicklung einen Bologna-Zerfallsprozeß nennen. 


*Bartlett, “Die Geburt Europas aus dem Geist der Gewalt”, S. 350


Donnerstag, 20. Mai 2021

Karls Silberpfennig und Schreibkanzlei machen Karriere


Alles fängt ganz langsam an, aber dann geht es ziemlich schnell weiter. Und dann geben auch die Ranen, ein wendischer Stamm, ihre Leinentücher als Währung auf. Die karolingischen Silberpfennige erwiesen sich als praktischer. Und Urkunden ebenfalls, denn was man schwarz auf Pergament besitzt, kann man getrost nach Hause tragen und dort vererben, bei Bauernstellen ist das sehr wichtig. Auch bei päpstlichen Großbetrügereien wie der “Konstantinischen Schenkung”. Und die Kreuzzüge wiederum sorgten für eine Verbreitung in ganz Europa, ‘Europäisierung Europas’ genannt. 


(Vgl. Bartlett, “Die Geburt Europas aus dem Geist der Gewalt”, S. 327ff.) 


Mittwoch, 19. Mai 2021

Der Königsweg der Anpassung? If you can’t beat them, join them?

 

“Im 11. und 12. Jahrhundert begann in dieser kleinräumlich geprägten Welt ein Wandel. Die Namen und die Heiligen gerieten innerhalb eines größeren System in Bewegung. Manchmal war dies das Ergebnis von Eroberungen, wofür England ein schönes Beispiel bietet. Im Jahre 1066 wurde das Land von einer Armee aus Nordfrankreich erobert, deren Krieger Französisch sprachen. Innerhalb weniger Jahre verwandelte sich diese Armee dann zu einem neuen Landadel - eine französischsprachige Aristokratie, die über eine englischsprachige Bauernbevölkerung herrschte. … Und so hat es ganz den Anschein, als hätte sich die englische Bevölkerung Englands schon sehr bald entschieden, die Namen der Eroberer zu übernehmen. … Schließlich griff sogar die Landbevölkerung die neue Namenmode auf. Eine Liste der Landpächter des Bischofs von Lincoln aus dem Jahr 1225 zeigt, wie anderthalb Jahrhunderte nach der normannischen Eroberung auch die bäuerliche Unterschicht die Namen ihrer Herren übernommen hatte.”*

Diese Namensübernahme muß man sich wohl eingebettet in eine weitgehende Sprachübernahme vorstellen, die dem Englischen seinen französisierten Mischcharakter gibt. Es wird sehr viele Reibereien gegeben haben, denn die Gruppen haßten einander: “In der Abtei St. Albans leitete der erste normannische Abt, der seine angelsächsischen Vorgänger nur als ‘rudes et idiotas’ bezeichnen konnte, ‘als grobschlächtige, ungebildete Tölpel’, eine vollständige Zerstörung der vornormannischen Heiligenschreine ein.”*  


Da die weitere Geschichte Englands als überwiegend erfolgreich angesehen werden kann, muß man das unterliegende Muster beachten: eine kulturell überlegene Einwandererschicht, die ihre Dominanz ausspielt, setzt sich durch und befriedet das Land.

Dieses Muster hat sich, wenn ich mich nicht irre, unter erschwerten Bedingungen in den Amerikas wiederholt, im angelsächsisch dominierten Nordamerika sehr viel erfolgreicher als im romanisch dominierten Südamerika. Die Abwendung vom Katholizismus im Reformationszeitalter in England spielt da offenbar eine Rolle.  


Ob sich dieser Befund auf Einwanderergesellschaften allgemein und auf Gesellschaften mit heterogenen Bevölkerungsgruppen übertragen läßt? 

 

*Bartlett, “Die Geburt Europas aus dem Geist der Gewalt”, S. 328f.


Dienstag, 18. Mai 2021

Ja, so war’s, oder so ähnlich


Im 15. Jahrhundert unternahm die Ming-Dynastie ein paar Ausflüge über See bis nach Afrika, stellte diese aber wieder ein. Das eigene Staatsgebiet war genug. Einzelaktionen, wie sie die Normannen unternahmen, waren im zentralistischen China undenkbar. Erfüllt von großer Selbstherrlichkeit, die alles Fremde abwertete, erstarrte China und verfiel in Armut für die Mehrheit seiner Bewohner. 

Wie anders sah das im Nahen Osten und Europa aus! Rom entwickelte Ingenieurskunst und Kriegshandwerk, was das Reich zu weiten Eroberungen im Norden und Süden befähigte. Die römischen Beamten waren Juristen und Feldherren, die chinesischen waren Literaten. Nach dem Niedergang des Reiches übernahmen die kriegerischen Karolinger die Eroberungsrolle - und die Araber taten es. 

Erfolgreicher waren zunächst die Araber, die bis Poitiers vordrangen (732), und die erst im Verlauf von Jahrhunderten von den Karolingern zurückgedrängt wurden. 

Der dezentrale christliche Expansionismus auf der Grundlage der fränkischen Agrarrevolution und der Vasallität erwies sich gegenüber der patrilinearen Untertanenmentalität der Araber als leistungsstärker in Kriegstechnik, Bürokratie, Handelskompetenz und Verwaltungsgeschick. Dabei spielten auch die Mönchskrieger eine europaweite Rolle, denn sie besaßen überall Klöster und Ländereien. Sie bildeten 1207 in Livland - die Schwertbrüder - den ersten Ordensstaat der Geschichte.   


Montag, 17. Mai 2021

Neue Jungmännergruppen




Die Entwicklung der Klosterwesens erfolgte in vier Etappen. Die Benediktiner pflegten den mönchischen Klausurstil und besaßen riesige Ländereien mit deren Abgaben. 


Die Cluniazenser pflegten ebenfalls die Klausur und waren Großgrundbesitzer, bildeten aber bereits ein Klosternetzwerk. 


Die Zisterzienser wuchsen unter Bernhard von Clairvaux aus dem Cluny-Verbund heraus und expandierten mit einer expliziten Filiationspolitik europaweit. Über 500 Gründungen erfolgten zwischen dem burgundischen Mutterhaus Citeaux und  den Töchtern Tutero in Norwegen und Falkenau/Kärkna in Estland.  


Noch sehr viel mobiler präsentierten sich die neuen Bettelorden, die Franziskaner und Dominikaner, die zunächst ihre Mitglieder zur Besitzlosigkeit verpflichteten; die Franziskaner brachten es auf mehr als 1400 Klöster und verschickten auch ihre Mönche in Neugründungen. 


Damit werden die Grenzen des lateinischen Europas deutlich, die Ostpolen und Ungarn kamen noch dazu. Die Militärmönche der Kreuzritterorden trugen ihr Teil bei zur gens latina, zur “lateinischen Rasse”. 


Vgl.Bartlett, a.a.O., S. 309ff. 

Bartlett, “Die Geburt Europas aus dem Geist der Gewalt”, S. 313

 

Sonntag, 16. Mai 2021

Er will Häuptling sein

<<“Wir befehlen”, schrieb Papst Honorius III. im Jahr 1222, “daß diese Russen dazu gezwungen werden, die Riten der Lateiner zu beachten, wo sie bisher denen der Griechen folgten und sich damit vom Haupt, nämlich der römischen Kirche, getrennt hatten”.>>*


Ein Befehl wie Donnerhall. Auch die griechischen Christen aus Byzanz missionierten, namentlich die ‘Slawenapostel’ Kyrillos und Methodios, und so trafen sich die Lateiner und die orthodoxen Griechen im Osten, und trafen da auch handgreiflich aufeinander, denn beide Seiten waren überzeugt, daß es nur eine Wahrheit gäbe, nämlich ihre. So etwa wie heute Professor Drosten an seine alleinige Wahrheit glaubt, so glaubten die Zisterzienser und Schwertbrüder - direkt dem Papst untertan - an ihre alleinige Wahrheit. Das erinnert - hundert intellektuelle Stufen darunter - an das Schisma der Schiiten und Sunniten. Bei diesem Schisma ging es nicht um theologische Fragen, sondern um die Herrschaftsnachfolge des Religionsstifters, aber vergleichbar ist es doch. 

Jede Lehre differenziert sich auf irgendeine Weise weiter und kann im Laufe der Jahrhunderte die absonderlichsten Formen annehmen; wer hätte sich zur Zeit Bernhards von Clairvaux träumen lassen, daß wir heute einen CO2-Glauben beobachten können? 

Religionen können ja sehr possierlich sein, aber sie haben auch den Aberglauben in die Welt diesseits des Sirius gebracht, es gäbe nur eine, eine einzige, ihre Wahrheit. Das ist ein abstruses, Unfrieden stiftendes Beobachtungsschema.  


Samstag, 15. Mai 2021

Bart ab

>>Im ersten Viertel des 13. Jahrhunderts, als päpstliche Sendschreiben jedes Jahr zu Hunderten die Kanzlei des Papstes verließen, als zum Laterankonzil des Jahres 1215 mehr als 400 Bischöfe nach Rom kamen, als päpstliche Legaten als Regenten in England herrschten und den Versuch unternahmen, in Livland einen Kirchenstaat zu errichten, und als Vertreter des Papstes sogar Söldnerarmeen gegen den Kaiser des Heiligen Römischen Reiches ins Feld führten - da konnte man durchaus glauben, daß das Papsttum dem vollmundigen Anspruch Gregors VII. gerecht geworden war: “Sie sollen zu spüren bekommen, wie groß die Macht dieses Stuhles ist.”<<


In der Tat formte er das Papstamt zu einer totalitären Bürokratie um, soweit das bei den begrenzten technischen Möglichkeiten der Zeit möglich war. Und bis heute herrscht der römische Monarch absolut. Bis heute herrscht der von Gregor VII. durchgeboxte Priesterzölibat in der katholischen Kirche. Wer kennte einen Bischof mit Bart? Das ebenfalls war ihm ein Anliegen, bartlos soll der Priester sein, auch in Sardinien setzte er das durch wie auch die völlige Einheitlichkeit der Liturgie. Ein Kirchenvolk, ein Kirchenreich, ein Papst war Gregors Panier. Ermöglicht wurde diese Politik durch eine Allianz mit den fränkischen Adelsfamilien im Norden, so John Mundy; ein Normanne - der berüchtigte Robert Guiskard, sein Vasall, - befreite ihn 1084 aus der Engelsburg, wohin er sich vor dem Gegenpapst Clemens III. geflüchtet hatte. Bei der Gelegenheit plünderten die Normannen gleich Rom und brannten es nieder. 

Papst Paul V. sprach Gregor VII. 1606 heilig.


*Bartlett, “Die Geburt Europas aus dem Geist der Gewalt”, S. 302


Freitag, 14. Mai 2021

Französisch in Irland, Deutsch in Böhmen

“Die Bevölkerung mittelalterlicher Städte bestand zum größten Teil aus Einwanderern. Das war zwar überall so, erhielt aber in den Grenzregionen dadurch besondere Bedeutung, daß sich die Stadtbewohner, wenigstens ein beträchtlicher Teil von ihnen, ethnisch von der Landbevölkerung unterschieden. Einwanderer, die von weither kamen, hatten oft eine Stadt als Reiseziel; und in Gebieten wie Osteuropa oder den keltischen Ländern wurde der Gegensatz zwischen Stadt und Land auch noch von ethnischen Widerständen begleitet oder aufgeheizt, denn viele städtische Siedlungen wurden dort überwiegend oder ausschließlich von Immigranten bewohnt. … Auch die Städte auf den britischen Inseln hatten einen ähnlichen sprachlichen Sonderstatus. Dort wurde viel mehr Französisch gesprochen als auf dem umliegenden Lande. In der Zeit nach der normannischen Eroberung hatten sich französische Siedler in vielen städtischen Zentren niedergelassen … und die Entwicklungen der nachfolgenden Jahrhunderte bestärkten die gallozentrische Ausrichtung der Kultur noch weiter. … Auch in Wales und Irland waren die Städte oft - wie jene im polnischen Galizien oder in Livland - Sprachinseln.”* 


Offenbar war die kommunikative Vernetzung recht gering und konnte mit einer einfachen Mehrsprachigkeit nach Stil des heutigen Flughafenenglischs koexistieren. So wie noch im 18. Jahrhundert Französisch die höfische und diplomatische Sprache war. Die mittelalterlichen Landgemeinden rekrutierten sich autochthon und führten ein isoliertes Leben. In den Städten aber nahm die Zahl der interethnischen Kontakte zu, Interaktionen und Kommunikationen im Nahbereich dürften aber steigend zu Reibungen geführt haben, wie sie schon in der Dalimil-Reimchronik Ausdruck fanden für die tschechische Brautwahl Herzog Ulrichs im 11. Jahrhundert: 

“Einem jeglichen liegt seine Zunge sehr am Herzen;

Darum wird eine Fremde niemals meine Frau.

Sie hielte meinen Leuten nicht die Treue.

Fremdes Gesinde würde eine Fremde haben,

Und meinen Kindern würde sie Deutsch beibringen

Und deren Gewohnheiten umkehren.

So würde schon bei der Zunge

Große Zwietracht entstehen,

Und für das Land wäre das ein rechtes Verderben.”  


*Bartlett, “Die Geburt Europas aus dem Geist der Gewalt”, S. 280ff.







Donnerstag, 13. Mai 2021

So ist es, meistens

“So ist die menschliche Natur, daß jeder, egal aus welchem Land er kommt, sein eigenes Volk mehr liebt als ein fremdes.” Cosma von Prag, Chronica Boemorum 2.23*

Die ethnischen Probleme gab es auch in der mittelalterlichen Kirche, speziell an den Rändern, und vor allem dort, wo fremde Eroberer ins Land kamen, wie die Engländer (Anglonormannen) in Irland. In deren Schatten agierten auch die Mönchsorden als universalistische Organisationen. In ihnen wirkten die gleichen Kräfte, ob Zisterzienser, Dominikaner, Franziskaner oder Augustiner. Die Zisterzienser waren die internationalsten, von der Abtei Citeaux aus bildeten sie europaweit Töchterabteien. Vierunddreißig allein in Irland, davon nur zehn anglonormannische Gründungen. Waren die irischen Zisterzienser besonders eigenwillig? Supervisionen aus Citeaux brachten sie keinerlei Willkommenskultur entgegen. Da mußte ein Anglonormanne ran, Stephan von Lexington, ausgebildet in Paris. Er griff durch, setzte englische Äbte ein und schloß auch zwei Klostertöchter. An Bernhard von Clairvaux berichtete er:


“Wir haben deshalb den Iren aufgetragen, sie sollten, wenn sie wünschten, daß auch in Zukunft noch irgendeiner aus ihrem Volk in den Orden aufgenommen werde, die Betreffenden nach Paris, Oxford oder andere berühmte Städte schicken, wo sie sich im Schreiben und in der Redekunst üben und auch anständiges Benehmen erlernen könnten. Wir haben ihnen deutlich gemacht, daß der Orden nicht beabsichtige, irgendeine Nation auszuschließen, sondern nur die Ungeeigneten, Unnützen und all jene, die mit dem angemessenen menschlichen Verhalten auf Kriegsfuß stehen.”


Und Französisch müßten sie natürlich können, wie Stephan von Lexington, Abt in Stanley (Durham).


*Bartlett, “Die Geburt Europas aus dem Geist der Gewalt”, S. 269ff.

Dienstag, 11. Mai 2021

Natus und Nation

Regino von Prüm (840-915, Abt des benediktinischen Königsklosters Prüm/Eifel):


“Die verschiedenen Nationen”, schreibt Regino, “unterscheiden sich nach Abstammung, Gebräuchen, Sprache und Recht.”*

Das ist im Mittelalter noch kein nationaler Begriff, sondern verweist auf die geographische Herkunft. So war Regino kein Deutscher, sondern Franke; erst später, als aus dem ostfränkischen Reich deutsche Herrschaften wurden, hieß dann ein Einwohner “natus Teutonicus”, geboren in deutschen Landen, von lat. ‘natus’ - geboren. Aus den Franken waren im Mittelalter noch keine Franzosen, Deutsche, Italiener oder Spanier geworden. Die regionalen Dialekte wandelten sich erst langsam zu Hochsprachen, die dann auch eine großräumliche nationale Identität entwickeln halfen. Das aber war das Werk von Jahrhunderten. Dort, wo verschiedensprachige Volksgruppen zusammentrafen, wurden zwei oder mehr Sprachen verwendet. Der Gebietsherr war entscheidend, und wenn die Herrschaft verschiedene Sprachgebiete umfaßte, dann führte der auch mehrsprachige Namen wie Ritter Heinrich Zolunta, der böhmische König Premysl Ottokar; gemischte Doppelnamen gab es auch in Spanien (arabisch/romanisch). Der Begriff der Nation umfaßte noch nichts Trennendes, Nationalistisches.  


*Bartlett, “Die Geburt Europas aus dem Geist der Gewalt”, S. 239, 244

Montag, 10. Mai 2021

Was für Zufälle


Reis-Nährwerte pro 100 g:

  • Kohlenhydrate: 77,3 g.

  • Eiweiß: 7,3 g.

  • Fett: 0,9 g.

  • Ballaststoffe: 0 g.

  • Kalorien: 347 kcal.

22.05.2019


Nährwerte von Roggen pro 100 Gramm


Kalorien

326

Eiweiß

9,5 g

Fett

1,7 g

Kohlenhydrate

60,7 g


Der Reis hat mehr Kohlenhydrate/Kalorien als der Roggen - Vorteil; hat weniger vom unentbehrlichen Protoplasmabildner Eiweiß - Nachteil; hat weniger vom Langfristspeicher Fett - Nachteil (gilt vor allem für Mangelwirtschaften); da der Reisanbau in dem potenten China außerdem ein Zentraldiktaturtreiber war mit vielen Folgenachteilen, lagen die Franken mit dem Roggen (und dem Hafer für die Pferde) goldrichtig. 

Da der Muskel die Arbeit leistet und der Muskel eine chemodynamische Maschine darstellt - keine thermodynamische - ist der Brennwert nicht der wichtigste Wert.


Sonntag, 9. Mai 2021

Klimaschau #35: Fluss-Hochwässer haben in den letzten 50 Jahren global a...

An den Pegeln von Wertheim (Taubermündung) und Kaiserswert dominieren die Hochwässer aus vorindustrieller Zeit.

G. Benn: Teils-Teils

 

G. Benn: Teils-Teils


In meinem Elternhaus hingen keine Gainsboroughs

wurde auch kein Chopin gespielt

ganz amusisches Gedankenleben

mein Vater war einmal im Theater gewesen

Anfang des Jahrhunderts

Wildenbruchs »Haubenlerche«

davon zehrten wir

das war alles.


Nun längst zu Ende

graue Herzen, graue Haare

der Garten in polnischem Besitz

die Gräber teils-teils

aber alle slawisch,

Oder-Neiße-Linie

für Sarginhalte ohne Belang

die Kinder denken an sie

die Gatten auch noch eine Weile

teils-teils

bis sie weitermüssen

Sela, Psalmenende.


Heute noch in einer Großstadtnacht

Caféterasse

Sommersterne,

vom Nebentisch

Hotelqualitäten in Frankfurt

Vergleiche,

die Damen unbefriedigt

wenn ihre Sehnsucht Gewicht hätte

wöge jede drei Zentner.

Aber ein Fluidum! Heiße Nacht

à la Reiseprospekt und

die Ladies treten aus ihren Bildern:

unwahrscheinliche Beauties

langbeinig, hoher Wasserfall

über ihre Hingabe kann man sich gar nicht

erlauben

nachzudenken.


Ehepaare fallen demgegenüber ab,

kommen nicht an, Bälle gehn ins Netz,

er raucht, sie dreht ihre Ringe,

überhaupt nachdenkenswert

Verhältnis von Ehe und Mannesschaffen

Lähmung oder Hochtrieb.


Fragen, Fragen! Erinnerungen in einer

Sommernacht

hingeblinzelt, hingestrichen,

in meinem Elternhaus hingen keine

Gainsboroughs

nun alles abgesunken

teils-teils das Ganze

Sela, Psalmenende.


Keine Gainsboroughs? Kein Chopin? 

Das ist bedauerlich, aber ziemlich normal, Gottfried. Das Pfarrhaus vererbt vor allem Intelligenz und Sprachfertigkeit, das ist ganz offenbar auch hier der Fall. 

Theater ist etwas für die Abendunterhaltung, führt aber zu nichts weiter. Davon läßt sich nicht zehren.

Gedankenleben - das ist der Trumpf der protestantischen Eltern, Gedankenübung, Gedankenfutter, Reflexion, Wissenserwerb in alle Richtungen. 

Das kann auch die gedankliche Weltorientierung gewährleisten, aber Gedanken und Theorien - das ist ein zu weites Feld, als daß man sich dort nicht schrecklich verlaufen könnte. Das passiert hekatombenweise. Bedauere es einfach, wenn es nicht geklappt hat. Selavi. 

Und dann geht schnell die Heimat verloren, nicht nur der Garten. Nach dem Ableben juckt das aber niemanden mehr. 

Doch in einer warmen Großstadtnacht schießen Verlangen und Vorstellungen ins Kraut, dem keine Wirklichkeit entsprechen kann. Die Phantasien sind grenzenlos. 

Aber erfüllte Träume sind: teils - teils.

Auch daraus läßt sich ein Gedicht machen. 

Das zählt. 

Begreifen und Erkennen



Bei dieser Darstellung eines schweren Räderpflugs (Brockhaus) sind wir schon lange heraus aus dem Mittelalter und schon in Renaissance und Reformationszeitalter. Drei Pferde mit Kummet ziehen das Gerät durch den schweren Boden, sie sind kräftiger und schneller als zwei Ochsen - und auch der Bauer leistet beim Niederdrücken des Pfluges Schwerstarbeit. 

Wie mag die Entwicklung dieses Geräts vonstatten gegangen sein? Die Schriftkundigen waren zu weit weg vom Pflügen, Mönche kopierten lieber zum tausendsten Mal einen Bibeltext als technische Zeichnungen anzufertigen. Aber der Bauer und der Schmied machten sich Gedanken zur Verbesserung des einfachen Hakenpflugs, sie arbeiteten mit dem Pflug, sie >begriffen< es, sie konnten es >begreifen<, und das Begreifen ist ein Tor zum Erkennen und Verbessern. 

Samstag, 8. Mai 2021

Pflug und Schiff

 Mit dem Wendepflug fing Europas Sonderentwicklung an, oder zumindest war er am Anfang dabei, weil er für die schweren Böden im europäischen Norden mehr Ertrag brachte. Man kann die deutsche Ostexpansion der Hanse in diesem Zusammenhang sehen, die mit der (Neu-)Gründung Lübecks 1159 begann. 

Schon früher, im 10. Jahrhundert, begann die italienische Ostexpansion - ohne das agrarische Fundament des Nordens. Amalfi und Venedig waren die Vorreiter, die Rivalen und Gegner Pisa und Genua folgten. Schiffstechnik und Handelsgeist erbrachten hier die Vorteile. Dieses Muster war bereits im antiken Athen erfolgreich gewesen. Auch in Norditalien waren es Städte, die diese technisch fundierte Entwicklung hervorbrachten. Der Schiffsbau erfordert versierte Handwerker. Das wärmere Klima Norditaliens erbrachte eine frühere Urbanisierung, die die Stadtrepubliken mit ihrem offeneren Bürgergeist sich früher entwickeln ließ als der Norden und auch gegenüber Konstantinopel mit seinem sprichwörtlichem Byzantinismus potenter machte. 

Die mittelalterliche Warmzeit half mit zeitlicher Verzögerung auch den Nordfranken auf’s Fahrrad.


Donnerstag, 6. Mai 2021

Schottland wählt

“Die Einwanderung anglofranzösischer und anglonormannischer Ritter auf Einladung des schottischen Königshauses ist in diesem Zusammenhang besonders eingehend studiert worden. Die Formen, die das Lehenswesen dabei erhielt, legen den Schluß nahe, daß es sich hier um eine bewußte und vollständige Übernahme handelte: 

‘Es sieht ganz so aus, als sei der schottische Feudalismus schon in seiner Frühzeit …  bemerkenswert fertig gewesen, fast eine genaue Kopie des nordwesteuropäischen Lehnssystems.’ 

In Clydesdale wurden solche ‘fix und fertigen’ Lehensgüter an eine Gruppe flämischer Immigranten vergeben.

Auch den Zeitgenossen entging die radikale Umformung der schottischen Gesellschaft durch Import ausländischer Ritter nicht.”*


Das waren sehr fühlbare Entwicklungen, zumal auch Vertreibungen der eingesessenen Schotten für die benötigten Lehen stattfanden. Die schottischen Monarchen waren auf die Mehrung ihrer Macht bedacht, nicht auf die die Entwicklung der barbarischen Pikten.

Die dynastische Union mit England war für beide Länder befriedend. Die Beiträge von Schotten zur englischen Kultur von John Knox bis Adam Smith waren (und sind) bedeutend. Calvin wirkte über Schottland in England. Und natürlich waren Thomas Reid und David Hume Schotten. 

Schottland wählt hoffentlich richtig.     


*Bartlett, “Die Geburt Europas aus dem Geist der Gewalt”, S. 71