Samstag, 30. Oktober 2010

-tum und tümlich; Zukunft braucht keine Herkunft

Da - in der Mitte (Bild durch Daraufklicken vergrößern) - ein weibliches Wintergoldhähnchen (Wintersänger) 

Juden, ja, aber was sind sie? "Türkentum" (Vergehen gegen das Türkentum werden in der Türkei staatsanwaltlich verfolgt), "Deutschtum" (was soll das sein? Nicht erst seit der Völkerwanderung hat sich in Mitteleuropa alles mögliche vermischt.), "Judentum" (Hat sich Marx als Jude gefühlt? In seiner Schrift "Zur Judenfrage" hat er zur ganz großen Anti-Juden-Keule gegriffen. Der deutsche Historiker Hans Rothfels, Einstein etc.?) Wäre ich jüdischer Herkunft, würde ich mich keinesfalls dem "Judentum" zurechnen, so wenig, wie ich mich als Deutscher mit vermutlich ungarischer Herkunft einem "Ungarntum" zurechne, so wenig wie dem "Sachsentum", weil meine Eltern Sachsen waren (mein Vater allerdings war Sohn eines Österreichers und einer Sauerländerin). Natürlich gibt es genetische Dispositionen. Bei der Genetik ist, wie bei allen Begriffen, daran zu denken, daß es sich dabei um eine Denkkonstruktion handelt, um Vererbungsphänomene zu erfassen. Es gibt keine Gene, wie es Tische gibt. Das komplexe Zusammenspiel von genetischen Schaltern ist weitgehend unverstanden, und es könnte sein, daß man zielführendere Begriffe findet für das, was heute unter dem Denkkonzept des GENS verstanden wird. Chaim Noll machte jüngst in der FAZ darauf aufmerksam, welch große Rolle die mütterliche Abstammung bei Juden spielt. Aufgrund dieser mütterlichen Exklusivität konnten (jüdisch-amerikanische) Genetiker die genetische Spur bis zu einer Ur-Gruppe im Nahen Osten zurückverfolgen (Meldung vor etwa 2 Jahren in der FAZ). Zusammen mit dem religiösen Auserwähltheitsaberglauben stellen die Juden also eine besondere Bevölkerungsgruppe dar, von der sich viele "Reformjuden" abwandten. Säkulare Deutschisraelis grenzen sich so scharf von dem Jahwe-Aberglauben ab, wie ich es als Deutschungar gegenüber dem christlichen und jedem anderen religiösen Aberglauben tue. Von reformjüdischer Seite wurde ich vor Jahren darauf aufmerksam gemacht, daß der sog. "Zentralrat der Juden in Deutschland" sich zu unrecht anmaße, "die Juden" zu vertreten. Es handele sich um laute, dreiste Religionsjuden, die durch ihr aufdringliches Oberlehrertum mehr für den Antisemitismus täten als sonst jemand im Lande. Und viele Israelis lehnen es ab, sich von rabbinischen Dunkelmännern in unheiliger Allianz mit dem israelischen Staat eine religiöse Heirat aufzwingen zu lassen; sie nehmen die Kosten in Kauf und lassen sich in Zypern zivil trauen. Im Ausland geschlossene Zivilehen werden in Israel anerkannt. Diese Beimengungen religiösen Wahns in Israel stoßen ab. Das ändert aber nichts daran, daß Israel der einzige zivilisierte, demokratische Rechtsstaat im Nahen Osten ist (die israelischen Beduinen besitzen ein aus der britischen Mandatszeit stammendes, von der Scharia inspiriertes Sonderrecht). Als zivilisierter und säkularer Araber bzw. Palästinenser könnte ich mir nur wünschen, daß Israel das Westjordanland unwiderruflich annektiert und diesem Gebiet einen Autonomiestatus einräumt. Islamistischen Fanatikerbanden wie der Hamas wäre dann der Zugang versperrt und die unzuverlässige, wirtschaftlich unfähige und völlig korrupte Fatah würde Nichtanhänger nicht mehr ungestraft wie bisher schikanieren und liquidieren können. Auch der israelische Wohlstand könnte sich besser in die arabisch besiedelten Gebiete ausbreiten. Bis auf nationalistische und islamistische Araber gäbe es nur Gewinner. Aber es bliebe natürlich zu wünschen, daß Israel ein normaler säkularer Staat würde, in dem Juden und Araber (in der Antike ohnehin ununterscheidbar) siedeln, und daß es sich auf die Dauer nicht als religiös gefärbter Judenstaat definiert. Im übrigen gilt: Das Individuum zählt vor der Herkunftsgruppe. So wie ein Spinoza vor denen zählt, die ihn 1665 aus der jüdischen sephardischen Gemeinde ausgeschlossen haben. Da war er 23 und hatte noch nichts veröffentlicht. In der gegenwärtigen Ausstellung SPINOZA IM KONTEXT in Halle ist die Mitgliederliste mit dem durchgestrichenen Namen Spinozas zu besichtigen. Er war so frei, darauf seinen Vornamen 'Baruch' in 'Benedictus' zu latinisieren. Wie treffend.