Samstag, 22. Oktober 2011

Erfreulich, erfreulich






Wär doch ganz nett: “Alle Kurven weisen auf den ewigen Frieden”! So lautet der Titel der Münklerschen Rezension des neuen Pinker-Buches GEWALT (FAZ 19.10.11).

Pinker sieht in den Opferzahlen eine stetig fallende Tendenz, wobei er von der jeweiligen Gesamtbevölkerung der Zeit als Grundgesamtheit ausgeht. In seiner Statistikliste nehmen die mongolischen Eroberungen den zweiten Rang ein an Opfertoten, Platz 3 sieht den Sklavenhandel im Nahen Osten, erst auf Rang 9 erscheint der Zweite Weltkrieg.
Drei Faktoren macht Pinker für diese erfreuliche Entwicklung geltend:
Die Staatenbildung beendete die alltägliche Gewalt zwischen den Menschen durch Verrechtlichung. Gleichzeitig beseitigte die fortschreitende Monogamie den Reproduktionvorteil vitaler Haudegen. Schließlich habe der Prozeß der Zivilisation Gewalt und Krieg delegitimiert.
Es ging also anders zu, als in Grimmelshausens Friedensphantasie im “Simplicissimus”, dort nämlich vernichtet ein himmlischer Held alle Totschläger. Nur die Friedfertigen überleben.


Ich selbst habe dem Thema 2005 zwei Vorträge gewidmet (Krieg in Philosophie und Geschichte sowie GEWALT ANTHROPOLOGISCH, ODENTHALER GESPRÄCHE) und dort Bezug genommen auf Manuel Eisner und seinen Aufsatz “Individuelle Gewalt und Modernisierung in Europa, 1200-2000” (in: “Gewaltkriminalität”, Hg. Günter Albrecht, stw 2001, S. 71ff.)
Eisners Zahlen unterstützen Pinkers Thesen für Europa und für den genannten Zeitraum, allerdings betrachtet Eisner keine Kriege und er stellt seit den 1960er Jahren einen leichten Wiederanstieg der Tötungsrate fest. Susanne Karstedt sieht das im Zusammenhang mit der Einwanderung aus Gesellschaften mit hohem Gewaltniveau, etwa der Türkei. (“Individualismus und Gewalt: Extreme Modernisierung oder Re-Traditionalisierung der Gesellschaft? Ein interkultureller Vergleich. Ebd., S. 236ff.)