Donnerstag, 3. Dezember 2009
Mensch und kulturelle Gruppe, Ayn Rand
Ayn Rand 1962 in NYC
- Ayn Rand: " ... Doch es sollte weit schlimmer kommen. Als 1917 der russische Zar gestürzt war, griff Lenin gewaltsam nach der Macht und initiierte unter anderem einen Klassenkampf gegen die Mittelschicht. Die Apotheke von Rands Vater wurde von den Bolschewiken geschlossen, die Familie enteignet. Rand, ihre Eltern und ihre zwei Schwestern flohen vor den Revolutionären auf die Halbinsel Krim. Doch schon bald war auch diese in der Hand der Bolschewiken, und die Rosenbaums kehrten zurück ins entvölkerte Sankt Petersburg. Dort bewohnten sie ein kleines Zimmer ihrer einstigen Wohnung, litten Hunger und waren als Juden und einstige Besitzende doppelt benachteiligt. Dass Rand überhaupt studieren konnte - Geschichte und Philosophie -, verdankte sie einigen Glücksfällen. ..." Das wilde Leben einer Freiheitsfanatikerin (FAS 29.11.09)
- Mensch und kulturelle Gruppe, Karl-Heinz Kohl bespricht Antweiler, Heimat Mensch: " ... Ein starkes Wir-Gefühl
Müsste sich dies aber nicht auch auf die Aneignung von Werten, Normen, Verhaltensweisen und anderer kultureller Besonderheiten im Zuge der individuellen Sozialisation übertragen lassen? Haben die radikalen Kulturrelativisten also doch recht? Stellt jede Kultur das Ergebnis einer Wahl aus dem großen Bogen der Möglichkeiten dar, die - sobald sie historisch einmal getroffen worden ist - den Zugang zu allen übrigen Alternativen versperrt? Spätestens an diesem Beispiel wird die grundsätzliche Problematik des ethnologischen Universalismus deutlich. Sie besteht darin, dass es in den meisten Fällen mehr als schwierig ist, zwischen anthropologischen Konstanten und kulturellen Errungenschaften zu unterscheiden.
Alle sozialen Gruppen neigen dazu, ein starkes Wir-Gefühl herauszubilden. Dies geschieht vor allem dadurch, dass sie sich von anderen Gruppen abgrenzen. Da die Unterschiede zwischen benachbarten Gruppen meist gering sind, können auch sehr kleine Differenzen in den Rang zentraler Unterscheidungsmerkmale erhoben werden. Das ist in der Auseinandersetzung zwischen Relativisten und Universalisten sicher der Fall, ließe sich aber auch auf das Neben- und Gegeneinander von Kulturen überhaupt anwenden. Bezieht man die Theorie der wechselseitigen Abgrenzung auf das Phänomen der multikulturellen Gesellschaft, so gelangt man zu einem paradoxen Befund. Je stärker die Interaktion zwischen den Angehörigen einzelner Kulturen ist, desto mehr werden sie sich dabei auch auf ihre jeweils eigenen Werte, Überlieferungen und Gebräuche beziehen, Unterschiede betonen und Gemeinsamkeiten ausblenden.
Identität in der Fremde
Genau diese Entwicklung lässt sich in kulturellen Diasporagemeinden beobachten. Als Symbole kultureller Identität spielen der karibische Karneval, das indische Hochzeitsfest, die Koranschule und der Schleier in der Fremde oft eine viel größere Bedeutung als in der eigenen Heimat. Werden sie zu ostentativ hervorgekehrt, bleibt die Reaktion von Seiten der Mehrheitsgesellschaft nicht aus, die nun ihrerseits ihre kulturellen Besonderheiten hervorkehrt. Als gleichwertig im Sinne des Kulturrelativismus werden sich die nebeneinander bestehenden kulturellen Systeme aber umso weniger wahrnehmen, je weiter der Prozess der Abgrenzung voranschreitet.
Von hier aus gesehen erhält Christoph Antweilers Lehrstück über den ethnologischen Universalismus durchaus eine politische Dimension. Der Verweis auf das Vorhandensein zahlreicher Gemeinsamkeiten wird die Errichtung neuer kultureller Grenzen zwar nicht verhindern. Doch kann er heute weit besser als der Kulturrelativismus dazu beitragen, deren Bedeutung zu relativieren. "
Christoph Antweiler: „Heimat Mensch“. Was uns alle verbindet. Murmann Verlag, Hamburg 2009. 268 S., geb., 18,- €.
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Brav, Herr Antweiler! Ist ja gar nicht falsch, die vielen Gemeinsamkeiten von Sexualität bis zur Sprachfähigkeit bilden das Fundament. Kommunikationen aber finden in einer bestimmten Sprache statt, der Muttersprache, die stets auch mit ihrem Wörterbuch die Kommunikation in anderen, nach der Muttersprache erlernte Sprachen dominiert. Hinzu tritt der familiäre und gesellschaftliche, kulturelle Kontext der Muttersprachenwörter, wie er in Kindheit und Jugend das Sprachlernen erzeugte und begleitete, und weiterhin, alles noch einmal einfärbend, die individuelle Rezeption des Kindes, Jugendlichen und Erwachsenen. Daher sind Verständnisprobleme innerhalb einer Familie normal, ebenso wie in allen anderen Gruppen. Mit wachsender Unterschiedlichkeit der Sozialisation wachsen auch die Verständnisprobleme, sie erreichen ein Maximum zwischen orientalischen und okzidentalen Gruppen. Zwar leben auch Nord- und Süditaliener in verschiedenen Kulturen und gegeneinander abgegrenzt, auch im Ausland, etwa in den USA, aber sie können sich über die gemeinsame Sprache Italienisch halbwegs verständigen. Zwischen Anatoliern, Kurden, Ägyptern etc. und Europäern aber ist die kulturelle Mauer kaum übersteigbar. Im harmlosen Fall bleibt man einfach einander völlig fremd, im schlimmsten jedoch kommt es zum "Schüleraustausch" wie im Falle des Ägypters Sayyid Qutb, der vom Bildungsministerium zum Studium des amerikanischen Bildungssystems zwei Jahre in die USA geschickt wurde. Er erlebte Amerika mit der Folie seiner ägyptischen Sozialisation und wurde radikal religiös und zum Ideologen der Muslimbruderschaft (von Nasser 1966 exekutiert).- „Heimat Mensch“ ist also ein gänzlich unsinniger Titel des Buches, denn die Heimat, die in der Kindheit erlebt wird, und nur dort!, ist eine sehr spezifische, sinnliche Erfahrung über Jahre hinweg, während die sehr allgemeinen Eigenschaften der Stammesgeschichte HOMO nur untergründig eingeschrieben sind und nur selten bewußt werden.
- - Lost in translation: auch die Geschlechter, die Generationen.
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