Donnerstag, 29. September 2011
Boswell verhilft zu einem lichten Moment
Montaigne (1533-1592) empfahl: "Im übrigen muß meine Erziehungsweise mit zwar strenger, aber freundlicher Güte betrieben werden".
(Essais, Über die Knabenerziehung, Stilett S. 90)
Alle Erkenntnis ist Konstruktion, nicht Wahrheit. Durch Beobachtung lassen sich aber viele Daten erheben, die nicht falsch zu sein brauchen, die sogar richtig im Sinne einer systemischen Richtigkeit sein können. So hat es der Entwicklungspsychologe Jean Piaget gehalten, indem er seine eigenen Kinder genau beobachtete und ihr Verhalten dokumentierte. Man mag einwenden, daß es diesem Zugriff an Breite fehle und daß Piagets Perspektive zu eingeschränkt kognitiv sei, aber das kann nur als Hinweis verstanden werden, daß Forschung eben vieler Forscher bedarf, um komplexen Sachverhalten durch möglichst viele Perspektiven annäherungsweise gerecht zu werden.
Ein intelligenter Kopf wie Rousseau braucht natürlich keine Beobachtungen, weswegen er seine fünf Kinder direkt ins Findelhaus bringen konnte. In seinem EMIL ODER DIE ERZIEHUNG teilt Rousseau die Entwicklung in vier Abschnitte, der erste endet mit fünf Jahren, ihn sieht er im Zeichen der zwanglosen körperlichen Kräftigung. Echolalie, Mutter-Kind-Interaktion, Krabbeln und Raumerkundung, Begreifen, Spracherwerb, Laufenlernen, Nahraumerkundung, Kind-Kind-Interaktion, instrumentelles Verhalten - all das, was alle Eltern immer beobachten konnten, wonach sich gute Eltern instinktiv richten, all das kommt bei dem Sesselschreiberling nicht vor.
So kenntnislos und undifferenziert kann wohl nur ein Rousseau sein. Seine Stärke war das eloquente Schwafeln, das bis heute die Schwafelwissenschaften beeindruckt.
“Ach, das ist alles bloß Gefasel”, erwiderte Rousseau auf Boswells Frage, wie er zu seinen eigenen Büchern stünde.
(James Boswell, Besuch bei Rousseau und Voltaire, EVA 1981, S. 81)
Labels:
Entwicklungspsychologie,
Montaigne,
Rousseau Natur
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