Donnerstag, 30. Juni 2016

Wer sich zu lange umsieht, läuft gegen die Laterne


<<"Leider sind die Menschen so dumm, dass sie von der Geschichte eher nicht lernen"
Der Historiker Christopher Clark kritisiert, britische Spitzenpolitiker hätten "sehr arg geschlafwandelt" vor der Abstimmung über den Brexit. So habe beispielsweise Boris Johnson das Schicksal des Landes für den eigenen Ehrgeiz aufs Spiel gesetzt und wisse jetzt überhaupt nicht, was zu tun sei, sagte Clark im DLF.>>

Kann man aus der Geschichte lernen? Natürlich bejahen die Historiker und die Geschichtslehrer diese Frage, denn sie treten für ihre eigene Wichtigkeit ein. Und Politiker aller Fehlfarben basteln sich nach Belieben Argumente aus der Geschichte für ihre Handlungen. Auch der herausragende Historiker Clark (“Die Schlafwandler”, 2013) glaubt daran, daß “die Menschen” aus der Geschichte lernen könnten, wenn sie dafür intelligent genug wären. Das sind gleich 2 Dogmen: der Glaube, daß der Rückblick beim Verstehen der Gegenwart helfe, und daß Intelligenz eine grundsätzlich positive Rolle bei der Lesbarkeit der Vergangenheit spiele.
Das ist viel Naivität auf einmal. Denn die Geschichte wiederholt sich nicht. Wer zu sehr auf Phänomene der Geschichte sieht, verstellt sich den Blick auf die immer neuen Entwicklungen von Gesellschaften, er hat die Vergangenheitsbrille auf der Nase, er wird pfadabhängig, er sieht immer das alte U, wo längst ein ein neues X erschienen ist.
Und was die Intelligenz betrifft, so dient sie allzu oft nur der Rationalisierung von Interessen.
Clark weiß doch, daß zu historischen Entwicklungen beliebig viele intelligente Historiker gegensätzliche Meinungen vertreten.
Dies ist in allen Bereichen so, in denen keine direkten Experimente gefahren werden können. Daher empfiehlt sich Goethes Maxime:
“Wer nicht von dreitausend Jahren sich weiß Rechenschaft zu geben, bleibt im Dunkeln unerfahren, mag von Tag zu Tage leben. (Divan, Buch des Unmuts)
Aus den 3000 Jahren läßt sich entnehmen, daß der Wandel das einzig Konstante darstellt, daß Zufälle die Geschichte machen, und daß verschiedene Kulturen sehr verschiedene Geschichten besitzen: Japan und Persien, Indien und Europa etc. unterscheiden sich sehr deutlich.


Und vor allem empfiehlt sich das britische Konzept: sich von keiner Verfassung fesseln lassen, Rule of Law, Marktwirtschaft, und auf Sicht fahren im Wagen der Tradition.