Montag, 11. März 2019

Germanien damals, Indien heute


“Die Ehe war in alter Zeit auf Geschenken aufgebaut”, so der Germanenkundler Grönbech. “Von größter Bedeutung waren die Geschenke des Bräutigams - oder richtiger seiner Sippe - an die Familie der Braut; aber diese Hauptgeschenke wurden durch zahlreiche kleinere Geschenke ergänzt; Schmucksachen wurden wurden vom Bräutigam der Verlobten und später der Frau geschenkt”.

(Grönbech, Kultur und Religion der Germanen, wb 1961, S. 354)


Günter Grass und seine Frau Ute weilten seinerzeit zu einem längeren Studienaufenthalt in Indien. Was Grass beobachtete und erlebte, notierte und zeichnete er. Er sah viel mehr als ein Tourist und sein Buch “Zunge zeigen” ist sehr lesenswert. Auf S. 45 berichtet er von seiner Zeitungslektüre:
“Dann wieder alltäglicher Terror: die Sikhs, die Gurkhas, Enthauptungen in Bihar. Und täglich lesen wir von jungen Frauen, deren Sari beim Kochen Feuer fing. In der Regel sind es Schwiegermütter, denen unzureichende Mitgift (Dauri) Grund genug bietet, ihren Söhnen gefällig zu werden.”
















Ein bemerkenswerter Unterschied im Prozeß der Zivilisation







Sag NEIN zum Brautgeld, Gegenwartsprobleme in Indien. (Wikip.)


Bemerkenswert, was Tacitus in der GERMANIA schreibt:
“Die Morgengabe bringt nicht das Weib dem Manne, sondern dem Weibe der Mann. Bei der Ueberreichung finden sich Eltern und Verwandte ein und mustern die Geschenke. Geschenke – aber nicht weibliche Luxusdinge oder Schmucksachen für die Neuvermählte, sondern Rinder und ein gezäumtes Roß und ein Schild mit Schwert und Speer. Gegen diese Gaben wird die Frau dem Manne zutheil, dem sie selbst ihrerseits einige Waffen zubringt. Diese Dinge gelten als das festeste Band, als das heilige Geheimniß, als die Schirmgötter der Ehe. Das Weib soll nicht wähnen, daß sie außerhalb der männlichen Gedankenwelt, außerhalb der kriegerischen Ereignisse stehe. Darum wird sie schon auf der Schwelle des Ehestands belehrt, daß sie eintritt als Genossin von Mühsal und Gefahr, im Frieden und im Kriege mit dem Manne zu dulden und zu wagen. Also verkünden ihr die gejochten Rinder, das gezäumte Roß, die dargebrachten Wagen; so muß sie leben, so muß sie sterben; was sie heut empfängt, das soll sie unentweiht und in Ehren dereinst ihren Söhnen übergeben, von diesen sollen es ihre Schwiegertöchter entgegennehmen, ihre Enkel es erben.”

Tacitus, C. Cornelius. Die Germania.  Kindle-Version.

Tacitus war jedoch selbst nicht in Germania, sondern schöpft aus Quellen wie Caesar und Titus Livius.
Dennoch kann diese Darstellung mit erklären, warum zwar das orientalische Christentum mit Paulus und Thomas die asiatische Vorstellung von dem Weib als “verfehltem Mann” (Thomas von Aquin) transportiert, aber diese nicht umfänglich dem Norden überstülpen kann. Mit Tacitus lassen sich viele okzidentale Erscheinungen gut vereinbaren, seien es die Kaiserinnen wie Theophanu oder die Witwe Loretta von Salm, die den aggressiven Erzbischof von Trier gefangensetzt. (Fischer-Fabian, Die Deutschen im späten Mittelalter, S. 219ff.) Auch das merkwürdige Phänomen des Minnesangs sei erwähnt.  










Javier Girotto Trio "Close your eyes and listen"