Dienstag, 2. Februar 2010

Aristoteles und der Nutzen, steuerehrlicher Bundeskanzler, strahlende Natur



Strahlende Medizin, strahlende Natur (Bild Wiki.)

- Märchenhaft: Es gab eine Zeit, da ging es aufwärts in der allgemeinen Meinung. Die Leute ließen die Tassen im Schrank und gingen arbeiten, die Schüler zur Schule. Nur wenige Wissenschaftler fälschten Daten, um ihre Institute zu vergrößern. Es gab einen Wirtschaftsminister, der Optimismus verbreitete und das alte Kartellwesen durch Wettbewerb ersetzte. Es gab einen Finanzminister, der sich sträubte, Steuergelder aus dem Fenster zu werfen, um bestimmte Wähler zu bestechen. Es gab sogar einen steuerehrlichen Bundeskanzler, der nicht dauernd an einer Steuer- und Abgabenschraube herumfummelte. Ja, die Zeiten waren gut, der Steuersatz lag bei 12%. Märchenhaft. Nicht in Utopia. Es war die Erhard-Adenauer-Ära.

- Aristoteles und der Nutzen (384-322 v. Seneca): "Viel lügen die Sänger zusammen" - gut, da hat er recht. "Wenn man sich also mit Philosophie beschäftigte, um dem Zustande des Nichtverstehens abzuhelfen, so hat man offenbar nach dem Wissen gestrebt, um ein Verständnis der Welt zu erlangen, und nicht um eines äußeren Nutzens willen. ... Offenbar betreibt man sie um keines äußeren Nutzens willen." (A., Metaphysik, Buch I, cap. 2)
Das muß man doch ein bißchen differenzierter sehen, um zB solchen Blödsinn zu vermeiden: ' Deswegen sagen die Dichter: " Es ist wohlbegründet, daß Helenen über Barbaren herrschen", da Barbar und Sklave von Natur dasselbe ist. ' (Aristoteles, 1. Buch der POLITIK) Man muß die Welt verstehen und nach dem Nutzen der Erkenntnis fragen, und nach dem Schaden von Denkweisen.
Daß etwas "von Natur" so oder so sei, ist eine Fiktion, darauf hätte er auch selbst kommen können. Die "Natur" gibt es nicht, sondern nur Verstehenskonstruktionen gegenüber unendlich vielen Phänomenen und Prozessen.
Die "Natur" ist ein sehr allgemeiner Begriff, dem keine allgemeine Realität entspricht.

- Um 1900, nach einer ungewöhnlich langen Friedenszeit, erwarteten alle europäischen Regierungen einen neuen Krieg, und Krieg wurde als "natürlich" angesehen. Nach dem Nutzen einer solchen Denkweise wurde nur ausnahmsweise gefragt. Man betrieb daher eine merkwürdige Bündnispolitik, die nicht den Nachbarn gewinnen wollte, das wollten nur die Händler und Fabrikanten, die Politik sah im Nachbarn den Feind in spe, den es durch 'Kriegsfreunde' zu kontrollieren galt. Paris fand Rußland nur als Feind Deutschlands und Österreichs sympathisch, sonst gar nicht. Was im Hinblick auf eine Kriegsvermeidung keinen großen Nutzen hatte : Die Mechanik der Bündnispolitik: "Abschiedstoast in St. Petersburg .Frankreich ordnete sich in der Julikrise 1914 Russland bedingungslos unter. Als die Fischer-Kontroverse in den sechziger Jahren über die deutschen Kriegsziele tobte, war im Westen alles ruhig; als die bohrenden Fragen ..." FAZ 1.2.10; (Rez.: Stefan Schmidt, Frankreichs Außenpolitik in der Julikrise 1914, 2009)
Man kann natürlich ganz allgemein an Wissenserwerb interessiert sein, davon geht Aristoteles aus: "Allgemein in der menschlichen Natur liegt der Trieb nach Erkenntnis." ( A., Metaphysik, Buch I, cap. 1) So allgemein und "natürlich" ist das aber nicht, wie jeder (Lehrer) weiß. Auch dafür interessieren sich nicht alle:

- Natürliche Radioaktivität
"Den Hauptanteil in unserer Umwelt liefern jedoch die so genannten primordialen, das heißt von der Erde stammenden (terrestrischen) Radionuklide wie beispielsweise Kalium-40 und vor allem die bei den Nukliden Uran-235, Uran-238 und Thorium-232 beginnenden natürlichen radioaktiven Zerfallsreihen. Aus diesen entstehen solche Radionuklide wie Radium-226, Radon-222, Blei-210 oder Polonium-210. Allein das radioaktive Edelgas Radon liefert etwas mehr als 50 Prozent der natürlichen Strahlenexposition und verdient deshalb aus radiologischer Sicht besondere Beachtung." Sogar der menschliche Körper selbst ist radioaktiv. Jeder von uns produziert eine durchschnittliche körpereigene Radioaktivität von etwa 8000 Becquerel. Das bedeutet, jede Sekunde zerfallen in einem durchschnittlichen menschlichen Körper etwa 8000 Atome. " (S. u.a. lung.mv-regierung.de/.../nat_radioaktivitaet )

- ' Radioaktive Stoffe sind ein Teil der Natur
30.1.10 FAZ LB
Zu "Staatsversagen" in der F.A.Z. vom 19. Januar: In der Asse lagern als wesentliche Abfallmengen je zirka 100 Tonnen Uran und Thorium sowie etwa 10 Kilogramm Plutonium, verteilt über 125 000 Fässer. In den Fässern sind die Abfälle wiederum eingegossen in Bitumen oder Beton. Nun sind radioaktive Stoffe ein Teil der Natur, es gibt sie überall. So sind in dem Deckgebirge über dem Endlager von einem halben Kubikkilometer Volumen 4 000 Tonnen Uran, 12 000 Tonnen Thorium und 3 500 Tonnen Kalium-40 enthalten, wie sich aus der mittleren Konzentration dieser Elemente in der Erdkruste errechnen lässt. Es werden also die Abfälle in der Tiefe durch die hundertfache Menge an radioaktiven Stoffen im Deckgebirge zugedeckt. Ähnliches gilt für die Menge an Radioaktivität, gemessen in Becquerel. Warum sollten die Abfälle unten im Endlager gefährlicher sein als die darüber in der Erdkruste enthaltene hundertfach größere Menge an radioaktiven Stoffen und an Radioaktivität? Aus der Asse wurde durch den Kaliabbau etwa so viel Radioaktivität herausgeholt (einige zehn hoch zwölf Becquerel), wie durch die Endlagerung der Abfälle wieder hineingebracht wurde (wenn man nur die langlebigen Nuklide betrachtet). '
Dr. Lutz Niemann, Physiker Strahlenschutz, Holzkirchen

Aristoteles folgt mit seiner Betonung der Nutzenuninteressiertheit der Erkenntnis dem theoretischen Ideal des freien Griechen, der als Herrenmensch für seinen Nutzen die Sklaven und Unfreien (zB Frauen) besitzt, damit er in Ruhe und Muße theorein / Theorie treiben kann. Wer nicht mehr in der griechischen Sklavenhaltergesellschaft lebt, kann sich nicht mehr nur um die obersten Gründe und Prinzipien kümmern, er muß auch ein bißchen auf Nutzen und Praxis sehen und was es kostet. Nach Nutzen und Funktion zu fragen, kann sogar zum Erkenntnisprinzip werden (vgl. E. Cassirer, Substanz- und Funktionsbegriff) , anwendbar auch bei der Betrachtung des Lohnzettels: 45% direkte Abzüge, Einkommenssteuer und Abgaben (dazu kommen später dann noch Mehrwertsteuer, Solar- und Windsubventionen, Mineralölsteuer etcetera pp.).