Freitag, 25. Dezember 2020
Klimaschau (Ausgabe 3)
Von Goethe zu Wegener
Anaxagoras.
Hast du, o Thales, je, in Einer Nacht,
Solch einen Berg aus Schlamm hervorgebracht?
Thales.
Nie war Natur und ihr lebendiges Fließen
Auf Tag und Nacht und Stunden angewiesen.
Sie bildet regelnd jegliche Gestalt,
Und selbst im Großen ist es nicht Gewalt.
Anaxagoras.
Hier aber war’s! Plutonisch grimmig Feuer,
Aeolischer Dünste Knallkraft, ungeheuer,
Durchbrach des flachen Bodens alte Kruste
Daß neu ein Berg sogleich entstehen mußte.
Thales.
Was wird dadurch nun weiter fortgesetzt?
Er ist auch da, und das ist gut zuletzt.
Mit solchem Streit verliert man Zeit und Weile
Und führt doch nur geduldig Volk am Seile.
Goethe, Faust II, Vv. 7850ff.
So wenig, wie sich Anaxagoras als Vulkanist und Thales als Vertreter der Meeresevolution in der Klassischen Walpurgisnacht einigen konnten, so wenig konnten das die Geologen, als Alfred Wegener 1915 mit seiner grundstürzenden Hypothese aufwartete, daß Afrika und Südamerika in der Vergangenheit einen Kontinent gebildet haben mußten. Die hochintelligenten Dummköpfe fielen über Wegener her und ziehen ihn des Wahns, wie das Herdentiere zu tun pflegen gegenüber abweichenden Standpunkten. Aber Wegener behielt recht mit seiner kühnen These, die heute allgemein unter PLATTENTEKTONIK subsumiert ist. Man besaß vor hundert Jahren keine Vorstellung davon, wie dünn und zerbrechlich die Erdkruste ist, und wie stark die Temperaturunterschiede zwischen Erdkruste und dem radioaktiven Erdkern sind. Die Erde ist schalenartig aufgebaut, unter der Erdkruste befindet sich die oberste Schale des Erdmantels. Sie ist zähflüssig, die kälteren, dichteren und schwereren tektonischen Platten sinken sehr langsam ab, während die wärmeren und leichteren Schalen sich nach oben bewegen.
Grafik: Wikip.