Samstag, 18. Juni 2011

Da hat der Lessing aber Glück gehabt!







- " Ein Gefangener wurde eingebracht und sagte beim Verhör aus, der deutsche Kaiser habe nach allen Seiten hin an sämtliche Könige ... aber nur der König von Polen, dieser verfluchte Verräter namens Sobieski, sei in eigener Person und den Truppen und den Hetmanen von Groß-Litauen und Klein-Litauen sowie mit 35.000 Polengiauren zu Fuß und zu Pferd seinem Hilferufe gefolgt; der deutsche Kaiser sei mit seiner eigenen Streitmacht und mit dem Sukkurs, den er von den übrigen Staaten der Christen erhalten habe, nämlich mit 85.000 auserlesenen Deutschen zu Fuß und zu Pferd, im ganzen also mit 120.000 Giaurensoldaten ... in die Nähe herangerückt, und sie planten jetzt, die Truppen des Islams zu überfallen, während diese noch in den Gräben vor Wien stünden. ... Und somit war die ganze Belagerung von 60 Tagen umsonst gewesen. ... Allah verderbe und vernichte sie! ... Alles, was sich sonst im großherrlichen Heerlager befunden hatte, blieb zurück und fiel den verdammten Giauren anheim. "
Giauren: Gottesleugner, Ungläubige (von arab. "Kafir")
Kara Mustafa vor Wien, Das türkische Tagebuch der Belagerung Wiens 1683, verfasst vom Zeremonienmeister der Hohen Pforte, zum 4.9.1683 ff. , S. 109ff. (ed. R.F. Kreutel)
Sobieski (1629-17. Juni 1696) hatte die Türken bereits 1673 bei Chokzim und 1675 bei Lemberg besiegt, er tat's noch einmal 1691.

Wer hätte sich nicht schon einmal gewundert, daß die heutigen Griechen zwar immer noch Perikles und Platon heißen, aber so gar nicht mehr dem Archimedes und Solon gleichen?
Nachdem der Makedone Alexander erfolgreich das klassische Griechenland durch seine größenwahnsinnigen Eroberungszüge zerstört hatte, ging es bergab, Makedonien wurde die erste römische Provinz. 1356 besetzten die Türken Thrakien, dann ganz Griechenland, 1382 Sofia, dann den ganzen Balkan, 1526 fielen Buda und Pest. Und fast wären Wien und Wolfenbüttel noch dazu gekommen. Da hätte Lessing vielleicht das Haremssilber geputzt.
Die jahrhundertelange türkische Herrschaft auf dem Balkan und in Griechenland mit allen ihren Kulturprägungen endete erst ab dem Frieden zu Karlowitz 1699, zog sich aber hin bis in das 19. Jahrhundert.
1821 beginnt der griechische Befreiungskrieg, 1822 werden auf Chios 20.000 Griechen durch Türken massakriert, Mehmed Ali von Ägypten unterstützt die Türken gegen die Griechenerhebung, Lord Byron ("Manfred") propagiert europäisches Eingreifen, in der Seeschlacht von Navarino 1827 vernichtet die vereinigte englische, französische und russische Flotte die türkische. 1830 bestätigt die Londoner Konferenz die Unabhängigkeit Griechenlands.

Die lange türkische Besetzung hat die materielle und kulturelle Entwicklung südöstlich von Wien blockiert und behindert. Das ist spürbar überall auf dem Balkan, auch noch im heutigen Athen.
Lessings Vorschlag in der Ringparabel, den Glauben an seiner Fruchtbarkeit zu messen, an seinen Wirkungen auf Zivilisation, Wohlstand und Wissenschaft, besitzt pragmatischen Charme. Alle Religionen sind menschliche Phantasieprodukte, darin gleichen sie sich.
Aber das, was sie indirekt, auf religionspsychologischen Wegen in der Lebenswelt der Menschen bewirken, unterscheidet sich sehr stark.