Freitag, 21. Februar 2014

Blut in Kiew






Quartett der Ungleichen, von links nach rechts: Cesare Borgia - Kardinal Pedro Luis de Borja Llancol de Romani - Niccolò Machiavelli - Michelotto Corella.
Gemälde um 1500 (Wikip.)



Hallo Niccolo! Wenn du so hinter Florenz in Percussina die europäische Politik verfolgst, was geht dir da durch den Kopf, nach diesem Blut-Donnerstag gestern in Kiew? Du liest doch Zeitung?

Ja, natürlich. Die Zeiten haben sich geändert seit den Medici in Florenz, und ich muß sagen, zum Positiven. Die Trennung von Politik und Religion, wie ich sie in den DISCORSI vorgeschlagen habe, ist weitgehend durchgeführt. Die meisten Republiken haben keine Fürsten mehr, und die, die noch einen haben, wie Rußland, sind doch recht moderat geworden und nicht mehr mit Cesare Borgia und anderen Renaissance-Fürsten meiner Zeit vergleichbar. Jedenfalls in Europa, in Nordkorea sieht das anders aus.
In Kiew herrscht ein bürokratischer Zwitterfürst, eine Zwergausgabe des Cesare Borgia, raffgierig, erbarmungslos, skrupellos, verschlagen, raffiniert, betrügerisch, als parlamentarischer Bürokrat geschickt.
Kann man mit einem solchen Mann einen echten Dialog führen? Ich denke, seit er die Wahlen manipuliert, die Gegnerin Timoschenko ins Gefängnis weggeschlossen und die Verfassung frisiert hat, das liegt alles schon Jahre zurück, seitdem muß jedem klar sein, daß Janukowitsch kein Wort zu glauben ist. Westeuropa konnte sich lange auf den Zwerg-Cesare einstellen. Leider wurde die Zeit nicht genutzt, sondern dialogisiert, also Appeasement betrieben. Nicht einmal die Konten der Regimestützen wurden bei der Verhaftung Timoschenkos blockiert, heute sind die Gelder längst weitergeleitet.
Nach dem Blutbad gestern kann nur ein bedingungsloser Rücktritt des Pokerspielers in Frage kommen. Vielleicht sollten große Manöver an der polnisch-ukrainischen Grenze stattfinden? Die Opposition könnte dann schnell bewaffnet werden, denn Janukowitsch glaubt fest an Castros und Maos Wort, daß die Macht aus den Gewehrläufen komme. Eine Unabhängigkeitserklärung der Westukraine, der früheren polnischen und österreichischen Gebiete, muß ins Auge gefaßt werden. Die Opposition wäre gut beraten, Fallschirmjägerkommandos aufzustellen. Wenn der Cesare fällt, fallen die Mitläufer ab. Die Timoschenko-Partei stünde dann vor der schwierigen Aufgabe, die Opposition zu einigen. Aber sie hätte mit Timoschenko und Klitschko, der in kurzer Zeit offenbar viel gelernt hat, zwei Galionsfiguren, die das vielleicht schaffen könnten. Mit dem ehemaligen Außenminister und Parlamentspräsidenten Jazenjuk steht ein weiterer erfahrener Politiker bereit, der Ministerpräsident werden könnte. Der IWF wäre dann dran, insbesondere der Bau neuer Kernkraftwerke; die ohnehin auf der Tagesordnung stehen, müßte für Impulse sorgen, hier könnten sich auch die Franzosen besonders engagieren. Und alles schnell beginnen, denn die Sotschi-Spiele des Fürsten Putin gehen zu Ende. So lange sie dauern, wird Moskau nichts unternehmen. Mit der rückständigen Ostukraine kann er recht zufrieden sein. Sie paßt zu Rußland.

Ei, ei, Niccolo, siehst du das nicht zu sehr aus der Renaissance-Perspektive?