Dienstag, 9. September 2014

Schick die Legionen los zum ludus latinus









Latein – ein lustiges Kinderspiel mit diesem schönen Unterrichtswerk



Vor dem Weender Tore begegneten mir zwei eingeborne kleine Schulknaben, wovon der eine zum andern sagte: »Mit dem Theodor will ich gar nicht mehr umgehen, er ist ein Lumpenkerl, denn gestern wußte er nicht mal, wie der Genitiv von Mensa heißt.« So unbedeutend diese Worte klingen, so muß ich sie doch wiedererzählen, ja, ich möchte sie als Stadtmotto gleich auf das Tor schreiben lassen; denn die Jungen piepen, wie die Alten pfeifen, und jene Worte bezeichnen ganz den engen, trocknen Notizenstolz der hochgelahrten Georgia Augusta.’
So Heinrich Heine eingangs seiner „Harzreise“, die er in Göttingen beginnen läßt.
Ja, das ist wirklich allerhand. Den Genitiv von Mensa nicht kennen! Zur Mensa drängt, an der Mensa hängt, doch alles, oder doch einiges. Die beiden braven Schüler kennen ihren Genitiv natürlich. Aber wie ist es damit:
O vitae philosphia dux! Und es geht noch weiter: „O vitae philosophia dux, o virtutis indagatrix expultrixque vitiorum!“ 
Da muß man schon das Latinum besitzen, wie es jetzt immer mehr Studien- und Prüfungsordnungen für Germanistik, Anglistik und Romanistik als Eingangsvoraussetzung ausmustern bzw. schon ausgemustert haben. Das bedrückt die Freunde des Lateins, und die Akademie der Wissenschaften NRW veranstaltete ein Kolloquium, das die Bedeutung der alten Sprache auch für die neuen erweisen sollte.
Eine Bedeutung hat das Latein sicher, wer wollte das bestreiten? Wie groß jedoch diese Bedeutung ist, darüber läßt sich trefflich streiten. Aber wer muß das obige Cicero-Zitat wirklich übersetzen können? Wer muß diesen Aufwand an Grammatiklernen getrieben haben, wenn er nicht Althistoriker oder Latinist werden möchte? Reicht nicht ein Seminar im Studiengang ‚Latein für Germanisten’ o.ä.? Wahrscheinlich doch. Die Mittel sind begrenzt, auch die intellektuellen, und von der Zeit sagen die Lateiner ohnehin, daß sie knapp sei:
Ars longs, vita brevis.
Müssen die Abiturienten ihre Zeit nicht auf das Erlernen der deutschen Sprache konzentrieren, wozu bekanntlich auch die Grammatik gehört? Sprechen die Abiturienten nicht ziemlich schlecht Deutsch? Und wieviel schlechter noch sprechen die Abiturienten Englisch? Man mag es bedauern oder nicht, aber dank Kolonialismus hat Englisch die Weltbedeutung gewonnen, die es für die Europäer unabdingbar macht, Englisch zu beherrschen, um sich untereinander zu verstehen, und nicht nur, wie meist jetzt, Flughafenenglisch.
Das obige Cicero-Zitat können uns getrost die Latinisten übersetzen:

O Philosophie, Lenkerin des Lebens, Entdeckerin der Tugend, Siegerin über die Laster!“ (Cicero, Gespräche in Tusculum, 5/5)

Die an der lateinischen Grammatik eingesparte Zeit soll man auf die Lektüre klassischer Texte verwenden. Ob dies aber bei den heutigen Gymnasiasten überhaupt möglich ist?
Im Zweifelsfall werden Eltern ihre Kinder doch in die Lateinklasse schicken, weil dort eine andere Schülerauswahl vorhanden ist an genetischem Material, Disziplin und Interesse am Lernen.