Sonntag, 12. Dezember 2021

Augen auf und rational reicht nicht

 Nach Agrippa und Pyrrhon

Das Erkennen ist nicht einfach. Man sieht nur, was man weiß, formulierte Goethe dazu. Popper teilte die Erkenntnisgegenstände 3 Welten zu, was einen großen Fortschritt darstellt.
In der Welt 1 herrschen relativ einfache Erkenntnisbedingungen, zwar ist “das Ding an sich” nicht erkennbar (Kant), aber man kann experimentieren und auf diese Weise systematisch Eigenschaften, etwa von Wasserstoff, in Erfahrung bringen. Beweisen kann man nichts , aber widerlegen. Solange etwas nicht widerlegt ist, kann man damit arbeiten und es als richtig betrachten (Fallibilismus). In Welt 2 wird der Blick und das Erkennen gelenkt von den vielen Gedächtnisinhalten, die ein Mensch im Laufe vieler Jahre abgespeichert hat. Daher sehen die Menschen sehr unterschiedlich. Experimente zur Klärung von Sachverhalten sind nicht möglich. Welt 3 schließlich beinhaltet Abstraktionen und Theorien. In dieser Welt der Bildung herrscht besondere Unübersichtlichkeit und Verwirrung. Alles ist dort möglich an blühendem Unsinn, ob jetzt die Sklaven-und-Herrenmenschen-Anschauung des Aristoteles, die Offenbarungs-Religion oder der Marxismus. Und wer von solch einer Theorie besessen ist, der sieht alles aus einem bestimmten Blickwinkel, aus dem beobachtet vieles eben nicht sichtbar ist. Die Blickwinkelproblematik hat Niklas Luhmann (auch Maturana) besonders intensiv untersucht mit beachtlichen Ergebnissen.
Erkennen ist problematisch, unsicher und vorläufig. Siehe die Linksintellektuellen auf den Killing Fields. Auf den Begriff der “Wahrheit” sollte man deswegen besser verzichten, oder ihn auf mathematische Beweise beschränken, weil er leicht suggeriert, daß nur eine Meinung, nur ein Standpunkt, nur eine Theorie “wahr” sein könnte. Es herrschen aber immer nur die Perspektive und die Vorläufigkeit.



Abb.: Poppers drei Welten
(aus: Eberhard Döring, Karl Popper, Einführung in Leben und Werk, S. 137)