Montag, 25. Oktober 2010

Ja, er auch






Kraniche über dem Haus - sie sammeln sich zum Abflug







- Ja, er auch. Erst mit den Jahren kam er zu Verstand. Der FAUST II zeigt ihn auf der Höhe.
Der WERTHER dagegen ist inhaltlich ein dämliches Geschreibsel. In Italien war ihm das schon peinlich.
Dann der WEST-ÖSTLICHE DIVAN; da gefiel ihm der Perser Hafis, und er machte gerade mit der Bankiersgattin Willemer herum. Peinlich.

Wulff entblödete sich in der Türkei nicht, aus dem unter starkem emotionalen Drang geschriebenen und höchst metaphorisch gemeinten DIVAN in Anwesenheit des islamistischen Staatspräsidenten Gül und seiner Kopftuchfrau zu zitieren. Nein, nicht das bemerkenswerte:

" Volk und Knecht und Überwinder,
Sie gestehn zu jeder Zeit:
Höchstes Glück der Erdenkinder
Sei nur die Persönlichkeit.

Jedes Leben sei zu führen,
Wenn man sich nicht selbst vermißt;
Alles könne man verlieren,
Wenn man bliebe, was man ist. "

Goethe, WEST-ÖSTLICHER DIVAN, Suleika, Buch Suleika, Gingo biloba, S. 95

Nein, dieses durch und durch westliche, individualistische kluge Zitat hätte den anwesenden Kopftuchtürken nicht gefallen, Wulff zitierte:
" Gottes ist der Orient, Gottes ist der Okzident."

Das ist recht metaphorisch eingebettet, Goethe geht es in dieser verallgemeinernden Liebe-Triebe-Dichtung in Kooperation mit Marianne Willemer, die fleißig mitgedichtet hat, nicht um einen konkreten Gottesbezug. Nicht umsonst galt Goethe bei den Kirchen als "Heide"; man könnte ihn einen Pantheisten nennen, mit Religionsgöttern hatte er jedenfall nichts zu tun.

Wulff zitierte nicht nur opportunistisch zu Güls Gefallen, er tat es auch in der Istanbuler Irenenkirche, die die älteste Kirche der Stadt aus byzantinischer Zeit ist, also vor der Eroberung durch den Islam gebaut wurde. Denn das islamische Istanbul war einmal das christliche Byzanz bzw. oströmische Konstantinopel.
Diese Irenenkirche darf seit Jahrzehnten nur noch als Konzertsaal benutzt werden, da es keine freie Religionsausübung für Christen in der Türkei gibt. All das ließ der Schleimbeutel Wulff unerwähnt. Er sollte in der Türkei bleiben.
(Vgl. Krüger, FAZ 23.10.10)

In den "Noten und Abhandlungen zum west-östlichen Divan" stellt Goethe klar: Mohammed habe seinem Stamm eine "düstere Religionshülle" übergeworfen, durch die eine freie Entwicklung der Künste verhindert worden sei.
1802 hat er Voltaires "Mahomet" übersetzt, ein Stück, in dem Voltaire den Mohammed als Betrüger und Tyrannen entlarvt.


- Atatürk verbot das Kopftuch, die "düstere Hülle", die jetzt die Islamisten Erdogan und Gül mit ihrer AKP wieder überall einführen wollen. Zur Lockerung des Verbots haben sie eine Parlamentskommission eingesetzt, zu der die oppositionelle CHP keine Vertreter entsenden will. ("Streit um Lockerung des Kopftuchverbots", NZZ 23.10.10)