Montag, 31. August 2020

Hypochondrie und Vorsorgeneurose

Eine der ärgerlichsten Situationen ist die, wenn man, aus übertriebener Sorgfalt, einem Unfalle vorzubeugen, gerade unternimmt, was ihn einem auf den Hals zieht, da man ohne alle Vorsicht ganz gewiß sicher gewesen wäre. Denn außer dem Unangenehmen, das die Sache schon für sich allein hatte, wird sie noch dadurch bitterer, daß man sich selbst Vorwürfe und bei andern lächerlich macht. Ich habe jemanden ein kostbares Gefäß dadurch zerbrechen sehen, daß er es von einer Stelle wegtragen wollte, an der es wenigstens ein halbes Jahr ruhig gestanden hatte, bloß weil er fürchtete, es möchte einmal von ungefähr heruntergestoßen werden.” Lichtenberg, Sudelbücher, Heft K, [K 131] (bei Zeno.org) 

Vor der übertriebenen Vorsorge ist heute nichts mehr ausgespart. Je stärker sich die Lebenserwartung ausdehnt - 78,5 Jahre bei Jungen, 83,3 bei Mädchen - desto versessener erfolgt die Jagd auf mögliche Gefahren, die bereits die Grenze zur Hypochondrie weit überschritten hat. Die einschlägigen Medien von BILD bis ZDF füttern diese Hypochondrie täglich auf’s Neue und ubiquitär. 

Herzinfarkte, die aus Corona-Angt zuhause ausgesessen werden, statt unverzüglich ins Krankenhaus verbracht zu werden, und die dann tödlich enden oder Lähmungen hinterlassen, sowie andere Coronapanik-Schäden, werden vom Parteienkartell im Bundestag schlicht ignoriert.

 








Schwierige Mittelzustände

 


"In keiner Streitigkeit, deren ich mich erinnere, sind je, glaube ich, die Begriffe so verstellt worden, als in der gegenwärtigen über Freiheit und Gleichheit. Seht, ruft die eine Partei, hin nach Paris, da seht[424] ihr die Früchtchen der Gleichheit! Und es ist betrübt, zu sehen, daß sogar berühmte Schriftsteller in diesen Ton mit einstimmen. Eben so könnte ich rufen: ihr, die ihr ein so großes Glück im Umgange mit dem andern Geschlecht und in der Liebe findet, seht dort die Hospitäler der Nasenlosen! oder ihr, die ihr von dem Labsal sprecht, das euch beim Genuß der Freundschaft der Wein gewährt, seht dort die Trunkenbolde in den Klauen der Schwindsucht im Kreise verhungernder Kinder langsam dahin sterben! Ihr Toren, möchte ich sagen, so lernt uns doch verstehen! O ich glaube auch, ihr versteht uns nur allzu wohl, ihr deraisonniert nur deswegen so, weil ihr fürchtet, die Welt möchte uns verstehen. Die Gleichheit, die wir verlangen, ist der erträglichste Grad von Ungleichheit. So vielerlei Arten von Gleichheit es gibt, worunter es fürchterliche gibt, eben so gibt es verschiedene Grade der Ungleichheit, und darunter welche die eben so fürchterlich sind. Von beiden Seiten ist Verderben. Ich bin daher überzeugt, daß die Vernünftigen beider Parteien nicht so weit von einander liegen, als man glaubt; und daß die Gleichheit der einen Partei, und die Ungleichheit der andern wohl gar am Ende dieselbigen Dinge mit verschiedenen Namen sein könnten. Allein was hilft da alles Philosophieren? Dieses Mittel muß erkämpft werden, und wird die Übermacht von einer Partei zu groß, zumal wenn der Mutwille der andern unbändig war, so kann es auch sehr viel schlimmer werden. Es ist aber nur zu befürchten, daß jene mittlere Gleichheit oder Ungleichheit (wie man will) von beiden Parteien gleich stark verabscheut wird. Sie muß also wohl mit Gewalt eingeführt werden; und da ist es denn dem Einführenden nicht zu verdenken, wenn er sich einen etwas starken Ausschlag gibt. Hierin liegt überhaupt ein allgemeiner Grund von der Seltenheit guter Mittelzustände."

Lichtenberg, Sudelbücher, Heft K, 144 (bei Zeno.org)

Der Mittelzustand ist der der Gleichheit vor dem Gesetz. Die Forderung nach mehr Gleichheit führt in eine destruktive Spirale.












Midori plays Bach - Chaconne, Partita No. 2