Dienstag, 27. Dezember 2016

Gustav Mahler - Symphony No. 5: Adagietto (Solti, CSO)

Ja, Heine hatte viel Glück, und ein politischer Narr blieb er zeitlebens









In tiefe Sklaverei lag ich gebunden,
Und mir gefiel der Starrheit Eigensinn;
Ein jedes Licht der Freiheit war verschwunden,
...
Die Fesseln fallen ab von Händ' und Füßen,
Wie Schuppen fällt's herab vom starren Blick,
Und eine Träne, von den liebesüßen,
Zum ersten Mal sie kehrt ins Aug' zurück;
So rissen wir uns ringsherum
Von fremden Banden los.
Nun sind wir Deutsche wiederum,
Nun sind wir wieder groß.

1814 schrieb Goethe dieses Stück, nach den Freiheitskriegen, die die französischen Eroberer aus den deutschen Ländern jagten. Der Diktator Napoleon hatte ganz Europa bis hin nach Moskau mit Krieg überzogen. Goethe selbst war kein Deutscher gewesen, er war in seinem Selbstverständnis Weltbürger und Europäer, sprach aber Deutsch, anders als Friedrich II. Politik lag ihm fern. Bis die französischen Soldatenstiefel vor seiner Tür standen. Der feige Goethe schickte seine Christiane Vulpius nach vorne, und der gelang es tatsächlich, die Franzosen zu vertreiben. Nach diesem Bravourstück heiratete er seine langjährige Geliebte. Und er begriff, daß es nicht reicht, in der Antike zu schwelgen und Verse zu machen. In einem Brief im Juli 1814 äußert er, es sei sein “stiller Wunsch, diese Arbeit nicht nur für Berlin, sondern für das ganze Vaterland, nicht nur für den Augenblick, sondern auch für die Zukunft unternommen zu haben …” (Berl. Ausg. Bd. 6, S. 705) Für einen unpolitischen Menschen wie Goethe war das schon etwas.

Das zeigt das Beispiel Heinrich Heines:

“Der Patriotismus des Deutschen ... besteht darin, dass sein Herz enger wird, dass es sich zusammenzieht wie Leder in der Kälte, dass er das Fremdländische hasst, dass er nicht mehr Weltbürger, nicht mehr Europäer, sondern nur ein enger Deutscher sein will. Da sahen wir nun das idealische Flegeltum, das Herr Jahn in System gebracht; es begann die schäbige, plumpe, ungewaschene Opposition gegen eine Gesinnung, die eben das Herrlichste und Heiligste ist, was Deutschland hervorgebracht hat, nämlich gegen jene Humanität, gegen jene allgemeine Menschenverbrüderung, gegen jenen Kosmopolitismus, dem unsere großen Geister Lessing, Herder Schiller, Goethe, Jean Paul, dem alle Gebildeten in Deutschland immer gehuldigt haben...

Pflanzt die schwarz-rot-goldne Fahne auf die Höhe des deutschen Gedankens, macht sie zur Standarte des freien Menschtums, und ich will mein bestes Herzblut für sie hingeben.”

Heinrich Heine 1833 in "Deutscher Patriotismus" und 1844 im Vorwort zu "Deutschland. Ein Wintermärchen"

Was Goethe die Anthropologie war, das war Heine die Satire und die Sentimentalität (im “Buch der Lieder” u.a.). Er hatte ein volles Gefühl, eine scharfe Zunge und kein politisches Verständnis. Und er hatte ein großes Kindheitserlebnis: Als die französischen Eroberer in Düsseldorf einrückten, faszinierten den Knaben Heine die Trommelaufmärsche der Franzosen. Nie kam er über dieses Pubertätserlebnis hinaus. So, wie Picasso dem Massenschlächter Stalin die Treue hielt und ihn zeichnete, so blieb Heine dem Eroberer und Diktator Napoleon in Verehrung verbunden. Nie gelang ihm auch Einsicht in die res publica, wie es etwa Platon, Aristoteles, Macchiavelli und - noch viel bedeutender - Francis Bacon gelang. Die Aufgabe der Einigung der vielen deutschen Länder sah er nicht, so wie die meisten von ihm zitierten Namen. Dichten und politisch Denken sind eben zwei Paar Schuhe. Durchaus widerwärtige Figuren wie der “Turnvater Jahn” konnte er nicht einordnen in das verspätete Werden der deutschen Nation. Bei diesem Begriff blieb er begriffsstutzig. Obwohl er in Paris lebte, wo Nation und Nationalismus erfunden worden waren und täglich zur “Grande Nation” herausgeputzt wurden.

Ja, die Dichterlinge liefern schöne Wörter und scharfe Worte! Mit der Trias Sinn, Wissen und Verstand sind sie aber weniger bekannt. Sie beflügeln, erleuchten tun sie selten. Aber auch Unterhaltung muß ja sein. Wenn es jedoch um große Dinge geht, wie den Patriotismus und den Patriotismus heute, da sind Sinn, Wissen und Verstand gefordert und harte Arbeit, Begriffsarbeit, wie die errungene Nation und ihre Kultur bewahrt werden können vor internationalistischer Sentimentalität und nationaler Engstirnigkeit. Und vor dem Ausgreifen der steinzeitlichen Mentalität des Orients mit Analphabetismus, Clan-Gesinnung, Kinderzwangsehen und Frauenversklavung.