Freitag, 11. Juni 2021

8. Mai 1936 - Untergang Spenglers

 


“Und nun geht aus der Tatsache, daß das Dasein immer wurzelloser, das Wachsein immer angespannter wird, endlich jene Erscheinung hervor, die im stillen längst vorbereitet war und jetzt plötzlich in das helle Licht der Geschichte rückt, um dem ganzen Schauspiel ein Ende zu bereiten: die Unfruchtbarkeit des zivilisierten Menschen. Es handelt sich hier nicht um etwas, das sich mit alltäglicher Kausalität, etwa physiologisch, begreifen ließe, wie es die moderne Wissenschaft selbstverständlich versucht hat. Hier liegt eine durchaus metaphysische Wendung zum Tode vor. Der letzte Mensch der Weltstädte will nicht mehr leben, wohl als einzelner, aber nicht als Typus, nicht als Menge; in diesem Gesamtwesen erlischt die Furcht vor dem Tode.”

Oswald Spengler, Der Untergang des Abendlandes, Die Seele der Stadt, S. 247


Spengler lebte 1880 und starb früh 1936 an Herzversagen. In München. Ob da die Metaphysik der Stadtseele ihre Hand im Spiel hatte? Nein, es war ein schwerer Herzfehler. Ganz prosaisch. Aber er hatte ja sein Hauptwerk bereits geschrieben. Mathematik, Chemie, Botanik, Biologie und Philosophie hatte er studiert und als Gymnasialfächer vertreten, bevor er sich ganz auf die Geschichte stürzte. Was hätte er wohl gesagt, wenn er die Ovulationshemmer und die negative Geburtenbilanz der Deutschen und Chinesen erlebt hätte? Bestimmt wäre ihm als Feuilletonisten noch viel eingefallen. Denn dem Feuilletonisten fällt immer etwas ein; er sieht irgendetwas, bläst es auf Überlebensgröße auf, erfindet einen Zusammenhang und phantasiert gravierende Folgen. In diesem Sinne sind heute die Klima-Experten die führenden Feuilletonisten.