Freitag, 30. April 2021

Freiheit und Sozialstaat

“Es gibt ein einfaches, aber prägnantes Wort, mit dem sich alle hier erörterten Siedlerrechte und -privilegien zusammenfassen lassen: Freiheit. Die Siedler, welche der Johanniterorden auf seinen mährischen Gütern im frühen 13. Jahrhundert ansiedeln durfte, sollten ‘in allem … gesicherte Freiheit und beständiges und festes Recht’ (securam libertatem, ius stabile et firmum) haben. Christliche Einwanderer im wiedereroberten Ebro-Tal sollten als ‘frei und freigeboren’ gelten (franci et ingenui), und ihr Land sollten sie ‘francum et liberum et ingeniuum et securum’ besitzen. Diese Freiheit war nicht an Rasse- oder Standesgrenzen gebunden: ‘Die dort angesiedelten Leute jeden Standes und jeder Sprache sollen nach ein und derselben Freiheit leben und arbeiten’, dekretierte der ungarische König Bela IV. für die neuen Siedler in Beregowo (in der Theißebene).”*

Ohne Sozialstaat war viel Freiheit möglich, denn wer im Mittelalter aufbrach, um in einem neuen Land völlig von vorne anzufangen, wer die großen Anstrengungen der Waldrodung in Siebenbürgen oder der Trockenlegung großer Sumpfgebiete im Oderbruch und die Urbarmachung des Bodens nicht scheute, um auf freiem eigenem Grund und Boden zu stehen, der war kein Abstauber und Trittbrettfahrer, wie dies heute überwiegend bei der Einwanderung in die Sozialstaaten unterstellt werden kann. 


*Bartlett, “Die Geburt Europas aus dem Geist der Gewalt”, S. 163f.


Donnerstag, 29. April 2021

VILLA FRANCA, FREIES DORF

Graf Roger, der Bruder des normannischen Abenteurers und Eroberers Robert Guiskard, machte es anders als sein Bruder. Der setzte stets Gewalt ein und siedelte ganze Dörfer in neu eroberte Gebiete um. Roger hatte Malta erobert, das wiederum 870 von den Arabern erobert wurde. Es gehörte zuvor zum byzantinischen Reich. Den Besiegten bot Roger an, in Sizilien ohne Abgaben in einer Villa Franca zu siedeln, denn er brauchte Siedler. Das war das Problem im ganzen Frankenreich: die Herren besaßen viel Land, aber keine Bauern zur Urbarmachung und Kultivierung. Die Gebietsherren standen im Wettbewerb um Leibeigene, aber deren Mobilität war durch ihren Status blockiert. Die Betonköpfe verschärften nun diesen Status, während die anderen - wie Roger Guiskard - Verlockungen erfanden. Ebenso verfuhren andere Gebietsherren wie etwa der Magdeburger Erzbischof Wichmann, dem die wirtschaftliche Entwicklung seine Diozöse ein großes Anliegen war. Ein “diese Wirtschaft tötet” wäre nicht über seine Lippen gekommen, im Gegenteil, er warb auch flämische Siedler an, nachdem er mit Albrecht dem Bären Brandenburg von den Wenden erobert hatte. 1159 befreite er in Großwusteritz an der Havel die Flamen vom Burgwerk-Dienst. Flamen hatte Wichmann vorher als Bischof in Naumburg kennengelernt, die sein Vorgänger im Dorf Flemmingen angesiedelt hatte.

Da bahnten sich neue Entwicklungen an, die in eine dynamischere und freiere Zukunft führen sollten.  


Vgl. Bartlett, “Die Geburt Europas aus dem Geist der Gewalt”, S. 145ff.

Mittwoch, 28. April 2021

Die Flamen machen das zwischen Schottland und Konstantinopel

Auch in Brandenburg machten sie’s:

Albrecht der Bär hatte bereits vor 1157 Gebiete östlich der Oder bis in den Fläming hinein erwerben können, bis sein Herrschaftsgebiet an die Zauche grenzte, die sein Sohn Otto als Patengeschenk des Hevellerfürsten Pribislaw-Heinrich erhalten hatte.[14] Die Söhne und Enkel Albrechts setzten als Markgrafen die geschickte Siedlungspolitik zur Stabilisierung der jungen Mark und zum Landesausbau fort. Die Besiedlung des Fläming vollzog sich in mehreren Schüben, wobei im westlichen Teil und Jüterboger Raum das Erzbistum Magdeburg die treibende Kraft war und bereits vor 1157 mit der Einwerbung von Siedlern begonnen hatte, während im südöstlichen Teil die Askanier aktiv waren.

Fläming-Festtagstracht in Jüterbog, vor 1900

Der Erzbischof Adalgod von Osterburg hatte um 1107 festgestellt: Die Heiden hier sind übel, ihr Land aber höchst ergiebig an Fleisch, an Honig, an Mehl … an Vögeln. Und wenn es sorgfältig bebaut wird, wird ein solcher Überfluss an allem Wachstum aus der Erde sein, dass kein Land mit ihm verglichen werden kann. Das sagen, die es kennen. Deswegen, ihr Sachsen, Franken, Lothringer, ihr ruhmvollen Flandrer, Bezwinger der Welt, hier könnt ihr Eure Seelen erretten und – wenn ihr wollt – das beste Land zum Siedeln bekommen.[15]

Rund 400.000 Menschen strömten im 12. und 13. Jahrhundert nach Osten. Die Siedler kamen insbesondere aus der Altmark, dem Harz, Flandern und den Rheingebieten in das Land. Der Zuzug führte sehr wahrscheinlich über Magdeburg zuerst in die Loburger und Leitzkauer Region, von dort nach Wittenberg, weiter nach Jüterbog und in der letzten Phase nach Bad Belzig. Eine wichtige Rolle spielten die Flamen, die nach verheerenden Sturmfluten im eigenen Land gerne neue Siedlungsgebiete annahmen und mit ihrer Erfahrung im Deichbau zu den Eindeichungen von Elbe und Havel beitrugen, die in den 1160er Jahren in Angriff genommen wurden. Viele Flamen ließen sich im heutigen Fläming nieder und gaben ihm somit (später und indirekt) den Namen. Bis zur Gegenwart erhielt sich die Fläming-Tracht, die auch heute noch vereinzelt zu Festtagen angelegt wird. Sie ist eine von zwei lebenden Volkstrachten in der Mark Brandenburg. Ihr Verbreitungsgebiet umfasst auch Teile des südlichen Fläming in Sachsen-Anhalt.

Nicht ganz gesichert, aber sehr wahrscheinlich, lehnen sich Ortsnamen wie BrückBrügge oder Euper[16]Ypern an flämische Städte an. Die Verbindung vom Fläming nach Flandern wird auch heute wachgehalten. Im Jahr 2005 beispielsweise fand in Wittenberg eine Ausstellung Von Flandern in die Mark – Die Besiedlung des Flämings im Mittelalter mit einer Festveranstaltung des deutsch-belgischen Vereins Fläming-Flandern zur Eröffnung statt. Ein Jahr zuvor hatte es in Antwerpen unter dem verbindenden Titel Oude en nieuwe bruggen – alte und neue Brücken eine Ausstellung zum gleichen Thema gegeben. (Wiki.)

Flandern war weit entwickelter als andere Teile des Karolingerreiches und zugleich stets von Sturmfluten bedroht, denen ganze Inseln wie Rungholt dauerhaft zum Opfer fielen. Daher ist es nicht verwunderlich, daß in der mittelalterlichen Wanderzeit die Flamen überall anzutreffen waren, auch wenn sie gelegentlich als Normannen und - öfter - als Franken bezeichnet werden. Häufig bildeten sie geschlossene Siedlungsgebiete wie in Südwales und wohl auch im Fläminggebiet.

Der Waliser Kirchenpolitiker Giraldus Cambrensis, alias Gerald von Wales (1146-1223) aus anglonormannischem Adel, schrieb über sie:

“Sie sind ein tapferes, widerstandfähiges Volk, Todfeinde der Waliser, mit denen sie sich endlose Scharmützel liefern; ein Volk, das in der bearbeitung von Wolle versiert, im Handel erfahren und darüberhinaus bereit ist, alle Anstrengungen zu unternehmen und sich jeder Gefahr zu Lande oder zu Wasser auszusetzen, um Gewinn zu machen. Je nach den Erfordernissen der Zeit und des Ortes sind sie schnell am Pflug oder bei den Waffen; ein tapferes, vom Schicksal begünstigtes Volk.”* 


Wie sähe das wohl heute der pausbäckige Kardinal Marx? 


*Bartlett, “Die Geburt Europas aus dem Geist der Gewalt”, S. 144


Dienstag, 27. April 2021

Wärme bringt das Mittelalter auf Trab

Mittelalterliche Warmzeit, Vergetreidung der Landwirtschaft mit Roggen und Hafer, die längere Haltbarkeit des Roggenbrotes, die Dreifelderwirtschaft, der schwere Räderpflug, die steigende Abwehrkraft gegen Wikinger, gegen Reiterhorden aus dem Osten und gegen die arabischen Invasoren - all das führte im Verlauf des Mittelalters zu einem Bevölkerungswachstum. Für England, wo die Zahlen durch das Domesday Book von 1086 und die Kopfsteuerlisten von 1377 annäherungsweise berechenbarer sind, könnte die Bevölkerungszahl vor der Pest bis zu 6,6 Mio. betragen, ausgehend von bis zu 2,1 Mio. im Jahr 1086. Die Pest verursachte den Tod von bis zu 50% der Engländer. 

Die vermehrten Stadtgründungen und Stadtausweitungen überall im Frankenreich reflektieren ebenfalls eine Zunahme der Bevölkerung.

Montag, 26. April 2021

Wer waren eigentlich die FRANKEN?

Der Bezeichnungsumfang war nicht eindeutig, ebensowenig wie der der SACHSEN. Ethnisch homogene Gebiete mit einer klaren Identität gab es höchstens bei den Römern im Imperium Romanum. Tacitus nannte alle Stämme östlich des Rheins GERMANEN. Das waren Chamaven, Chattuarier, Brukterer, Ampsivarier, Usipeter, Tubanten, Chasuarier u.a.m. Mit den Saliern vom Niederrhein bildeten sie einen lockeren Stammesverbund. Die Salier wurden Verbündete Roms und siedelten im heutigen Nordfrankreich. Für sie kam die Bezeichnung FRANKEN (FREIE) auf, der aber zunächst beschränkt war. Die Normannen, die später aus dem Norden die Bretagne und die Normandie eroberten, wurden erst später FRANKEN genannt, speziell aus der Ferne. “Die Muslime verwendeten diesen Begriff so umfassend, daß König Sigurd I. von Norwegen, als er 1110 ins Heilige Land kam, als ‘Frankenkönig’ beschrieben werden konnte. Die Kreuzfahrer wußten, daß sie allgemein Franken genannt wurden: ‘Die Barbaren sind es gewohnt, alle Abendländer so (Franken) zu nennen’, schrieb Ekkehard von Aura … Noch wesentlich später, im 13. Jahrhundert, herrschte genau dieser generalisierende Sprachgebrauch vor: ‘Alle Menschen, die jenseits des Meeres leben, nennen alle Christen ‘Franken’ und benutzen also den Namen im erweiterten Sinn’, schrieb der Dominikanermönch Simon von Saint-Quentin über die Mongolen. Und genau diesen ‘erweiterten Sinn’ übernahmen die westlichen Kreuzfahrer auf dem ersten Kreuzzug bereitwillig als Selbstbezeichnung.”*


*Bartlett, “Die Geburt Europas aus dem Geist der Gewalt”, S. 130f.  


Sonntag, 25. April 2021

Lehenswesen und Sozialgeschichte

 “Die christliche Konzeption einer über die Blutsverwandtschaft hinausgehenden Bruderbeziehung hatte ihre generelle Wurzel in der allgemeinen Gotteskindschaft der Christen, ihre spezielle im Brudermodell der Klostergemeinschaft. Das ursprünglich religiös begründete Bruderschaftswesen hat in der europäischen Sozialgeschichte enorme Bedeutung gewonnen. Zünfte, Vereine, genossenschaftliche Organisationsformen aller Art gehen auf dieses quasiverwandschaftliche Modell der Bruderschaft zurück. Auch durch Sozialformen dieser Art wurden Familien in ihren Funktionen entlastet - im Bereich der sozialen Sicherheit etwa schon im Mittelalter durch die sogenannten ‘Bruderladen’. Daß sich Europa zu einer ‘horizontalen Gesellschaft’ entwickelt hat, ist wesentlich auf den Einfluß solcher genossenschaftlicher Sozialformen zurückzuführen. Als eine für die europäische Gesellschaftsentwicklung besonders wichtige quasiverwandtschaftliche Beziehung auf der Basis der Abhängigkeit sei die Lehensbindung genannt. Ihre hausrechtliche Komponente steht außer Zweifel. Daß Zusammenhänge mit geistlicher Verwandtschaft durch Patenschaft bestehen, wird durch allfällige Strukturanalogien nahegelegt.”*

Mittauer schürzt hier mit einer gewissen Plausibilität die ganz großen Knoten. Die Interdependenz ist dabei zu beachten. Der Lehnsherr bleibt der Herr, aber die Bauern besitzen bei Tüchtigkeit die Aussicht auf eine freie Bauernstelle. Der untüchtige Bauer verbleibt in Abhängigkeit und Fürsorge der Herrenfamilie. 

Ich erinnere mich, wie engagiert die ‘rote Gräfin’ Dönhoff seinerzeit letzteres betonte und den Familiencharakter der ostpreußischen Gutsherrschaften hervorhob. Nach der Bauernbefreiung strebten viele in die Städte, wo sie aber dieser grundherrlichen Fürsorge verlustig gingen und zu eigenverantwortlicher Lebensführung oftmals nicht in der Lage waren. Der Sozialstaat kann nur unzureichend die persönliche Beziehung, Lenkung und Hilfe ersetzen. Gerade bei mental schwachen Menschen. Das spiegelt sich in der modernen Verwahrlosung in labilen Familien, in Scheidungsraten und serieller Polygamie, in Drogenmilieus.  


*Mitterauer, Warum Europa? S. 108      

Samstag, 24. April 2021

Anna sieht das wie Usama

 “Die keltische Rasse ist … unabhängig, sie sucht keinen Rat und zieht nie geordnet oder nach den Regeln der Kriegskunst zu Felde, doch wann immer es zur Schlacht oder zum Krieg kommt, verspüren sie in ihren Herzen einen unbezähmbaren Drang und lassen sich nicht mehr zurückhalten. Nicht nur die einfachen Soldaten, sondern auch ihre Führer werfen sich unwiederstehlich ins Getümmel inmitten der feindlichen Reihen. … Das lateinische Volk ist äußerst habgierig, doch wenn sie sich vorgenommen haben, ein Land anzugreifen, sind sie zügellos und kennen keine Vernunft.”* 

So die byzantinische Kaisertochter und frühe Historikerin Anna Komnene. Und einen syrischen Kommentator zitiert Bartlett ebenfalls, den muslimischen Emir Usama ibn Munqid, der die Franken charakterisiert als “Bestien, die sich auszeichnen durch Mut und Tapferkeit im Kampf, aber durch nichts weiter.” 

Geschichtsschreibung ist auch heute nicht objektiv, wenn sich allerdings zwei sehr unterschiedliche Kommentatoren recht ähnlich äußern, dann dürften sie ein Stück Wirklichkeit beschreiben. Die fränkischen Kreuzfahrer, die Anna Komnene auch fälschlich Kelten nennt, waren sehr kriegerisch. Und dies war tatsächlich auch ihr Selbstbild, die Adelskrieger sahen sich als unwiderstehliche Kämpfer, “denen Gott den Sieg zum Lehen gegeben hat”. 


*Bartlett, “Die Geburt Europas aus dem Geist der Gewalt”, S. 114f.  


Freitag, 23. April 2021

Sklavennahme in Nordengland? Sklavennahme in Pommern?


“Die Männer wurden alle getötet, die Mädchen und Witwen nackt und mit Stricken gefesselt nach Schottland getrieben, wo das Joch der Sklaverei auf sie wartete. … Es waren die ‘Pikten’, also die eingeborenen Schotten, denen die Chronisten in erster Linie die Brutalität ihrer Sklavenjagd vorwarfen. … Pikten und Männern aus Galloway, zu deren Spezialitäten es gehörte, Babys mit dem Kopf gegen Türpfosten zu schleudern …”.*


Die schottischen Invasionen dauerten im 12. Jahrhundert noch an, aber die neue fränkische Militärtechnik bereitete der schottischen Sklavenjagd auf verschiedene Weise ein Ende. Neben den Panzerreitern, gegen die die ungeharnischten Pikten nicht bestehen konnten, war es der örtliche Burgenbau, wie er überall im fränkischen Europa stattfand. Und die neuen Fernwaffen, besonders die durchschlagsstarke und präzise Armbrust, die sowohl im Feld und auch von den Burgmauern herab eingesetzt wurde. Überall, wo Normannen (alias Franken) und Anglonormannen Krieg führten. Und dann auch der missionarische Deutsche Militärorden im Osten antrat, im Baltikum. 


*Bartlett, “Die Geburt Europas aus dem Geist der Gewalt”, S. 102

 

Mittwoch, 21. April 2021

War’s das warme Klima? Der gute Wein?

Woher stammte die Dynamik, die den fränkischen Kriegeradel nach Süden in Bewegung setzte? Letztlich sei die Frage ungelöst, meint Bartlett. Das männliche Erstgeburtsrecht spielt jedenfalls eine Rolle. 

“Im Jahre 1185 kamen der Herzog, die Bischöfe und die Barone der Bretagne überein, ‘daß es in Zukunft bei Baronien und Rittergütern keine Teilung mehr geben soll, sondern daß der Erstgeborene den Besitz als Ganzes erhalten soll.’”*

Damit wäre eine Strukturänderung im Spiel, die die männliche Linie stabilisiert und damit die Zukunft der Familie auf ihrem Lehensgrund. Ein Abstieg durch immer kleinere Grundherrschaften durch Teilungen wird ausgeschlossen. Das ist nicht nur in England auch heute noch so. Der Erstgeborene erbt den Titel, daher kann man zum Beispiel bei Churchill die hochadelige Herkunft nicht mehr erkennen. Ohne das Erstgeburtsrecht verarmten anderwo viele Adelsfamilien. Bekam ein Ritter 12 Söhne wie Tankred de Hauteville - ein ungewöhnlicher Fall - dann warf das ein großes Problem auf. Die Hautevilles zogen nach Apulien und ein Enkel - Roger - wurde König von Sizilien. 

Daß diese Südexpansion bis nach Konstantinopel so stark ausfiel, mag auch mit dem damit verbundenen Klimawandel zu tun haben. In Sizilien ist es 3° bis 4°C wärmer als in der Bretagne, das mühsame Heizen entfiel. Die Sonne schien, und der Wein war sehr viel besser als in Frankreich.  


*Bartlett, “Die Geburt Europas aus dem Geist der Gewalt”, S. 64f.


Dienstag, 20. April 2021

Auf die Pferde! Her mit dem Lehen!


“Ein andere Meister des Raubzugs aus dem 11. Jahrhundert, Robert Guiskard, stellte seine Gefolgsleute in Süditalien auf die gleiche Weise zufrieden. Nach einem nächtlichen Überfall in Kalabrien, ‘bei dem er den Sieg errang und reiche Beute machte, erhob er seine Fußsoldaten zu Rittern (equites).’ Die Belege für diesen dynamischen Kreislauf von Plünderung, Belohnung, Rekrutierung und weiteren Plünderungen sind Legion. Dabei waren die entscheidenden ‘Karrierestationen’ das Erreichen des Ritterstatus und der Erhalt eines Lehens.”*


Guiskard war ein Normanne und Vasall der Päpste. 

Europa wurde Opfer der arabischen Eroberungen, der Wikingerzüge und der ungarischen Reiterhorden. Den Karolingern gelang es, diesen Trend umzukehren. Wäre Karl von Aachen eine Mischung aus Merkel, Papst Franziskus und Bedford-Strohm gewesen, dann sähe Europa heute gänzlich anders aus. 


*Bartlett, “Die Geburt Europas aus dem Geist der Gewalt”, S. 61











Montag, 19. April 2021

Wir kaufen uns mal ein Ländchen mit allem Drum und Dran und Drauf


Wedel hatten sie schon, die Herren von Wedel bei Hamburg, aber an der Ihna in Pommern gab’s noch was zu gewinnen. Die Johanniter allerdings waren schon da - nach Jerusalem, Zypern und Rhodos - doch die Wedeler nahmen darauf keine Rücksicht. Albertus Magnus warf die Wedeler daraufhin etwa 1270 aus der Kirche, was diese aber nicht anfocht. Sie gründeten viele Dörfer und benannten sie Wedel, Altenwedel, Neuwedel; Neuwedel war eine Stadtgründung wie Märkisch-Friedland, Falkenburg und Freienwalde; letztere mußte für ihre Stadtrechte jährlich 100 Pfund Silber bezahlen, wovon die Wedeler dann das Land Schivelbein kauften mit allem Drum und Dran und Drauf, weil sie mit 11000 Mark brandenburgischen Silbers wedeln konnten. 

“Innerhalb weniger Generationen hatten die Nachkommen einer holsteinischen Ritterfamilie somit die Chancen genutzt, die ihnen die östliche Grenzregion bot.”*


*Bartlett, “Die Geburt Europas aus dem Geist der Gewalt”, S. 54


Sonntag, 18. April 2021

Klimaschau #29: Angekündigte aber nicht eingetretene Klimaapokalypsen

An den Prognosen sollt ihr sie erkennen! Die Merkel-Ansprache entlarvt sich heute als Ansammlung leerer Phrasen.

Das Geheimnis der Wikinger


Sie tauchten überall auf, auch in der Normandie, und da waren sie auf einmal Normannen und hießen Joinville, Grandmesnil und Sourdeval. Robert de Sourdeval eroberte dann mit Wilhelm 1077 England, das war ja nicht so weit, in Yorkshire riß er viel Land an sich. Aber das war nicht alles. “Die Normannen wurden Herren in England, Wales, Schottland und Irland, in Süditalien und Sizilien, in Spanien und Syrien.” Das war eingebettet in eine große europäische Adelswanderung. Lothringische Ritter kamen nach Palästina, burgundische nach Kastilien, sächsische nach Polen, Preußen und Livland. Flamen und Picarden, Männer aus dem Poitou, der Provence und der Lombardei machten sich zu Lande oder zur See auf den Weg in ferne Länder und konnten sich, wenn sie am Leben blieben, neuer Macht in fremder, exotischer Umgebung erfreuen. Ein normannischer Abenteurer wurde Herr von Tarragona, eine Adelsfamilie aus dem Poitou errang die zyprische Krone. … So sind die Joinvilles also gerade ein Musterbeispiel für die abenteuerlustige, nach Besitz strebende und fromme Adelsschicht, die im Zentrum der Expansionsbewegungen des Hochmittelalters stand.”*

Für den Zeitgenossen mutet der Gebrauch von “fromm” in diesem Zusammenhang merkwürdig an, aber Religionen stehen immer in einem historischen Kontext und werden daher stets in jeder Epoche anders buchstabiert. Der jüngste Sohn der Joinvilles, Guillaume, ein Mann der Kirche, konnte es, wie sein Bischofsonkel, mit seinem Glauben gut vereinbaren, Pfründen in Burgund und Irland zu sammeln. Überall sorgte er für das gleiche römische Gotteslob, um das es auch dem großen Karl ging bei den Sachsenkriegen. So jedenfalls der Benediktinermönch Notker Balbulus (840-912) in seiner Biographie Karls. 


* Bartlett, “Die Geburt Europas aus dem Geist der Gewalt”, S. 37ff.

Siehe auch Monty Pythons historisch nicht verbürgten Beitrag "Die Ritter der Kokosnuß": https://www.youtube.com/watch?v=02-Y4oXlwr8


Samstag, 17. April 2021

Das kam nicht nur ihm komisch vor

Der engagierte Beobachter und Zisterzienserabt Bernhard von Clairvaux aus der Ritterfamilie Tescelin befand zu den Iren, daß sie ziemlich anders seien. Als “er im frühen 12. Jahrhundert die Iren beschrieb, hob er ihre ‘Barbarei’ und “ihre tierische Art’ hervor; er kritisierte ihre Ehebräuche und ihr Abweichen von korrekten Kirchenpraktiken, etwa bei der Entrichtung des Zehnten, und verdammte sie abschließend als ‘Christen nur dem Namen nach, tatsächlich aber Heiden’.”* 

So oder ähnlich sahen es auch der einheimische lateinische Klerus und der fränkische Adel: 

“daß es dort keine territorial organisierte Kirche gab, die den Zehnten erheben konnte, und kein zentralistisches Königtum, dafür aber ein stark ausgeprägtes Clansystem und eine weder lehensmäßig noch kommerziell geprägte Wirtschaftsform”. 

Dergestalt wurde das Christentum als eine feudal-soziale Kultreligion betrachtet, theologische Maßstäbe und Herleitungen fehlen vollständig.   

*Bartlett, “Die Geburt Europas aus dem Geist der Gewalt”, S. 34


Freitag, 16. April 2021

Goethe, Bartlett und das Christentum

 Leider gilt bei aller Geschichtsbetrachtung immer Goethes Vorbehalt:

"Mein Freund, die Zeiten der Vergangenheit 

Sind uns ein Buch mit sieben Siegeln;

Was ihr den Geist der Zeiten heißt,

Das ist im Grund der Herren eigner Geist,

In dem die Zeiten sich bespiegeln." –

Goethe, Faust I, Vers 575 ff.


Aber das soll den Historiker nicht entmutigen, sondern zur Zurückhaltung in der Wertung anhalten und zu methodischer Strenge. 

Dem scheint sich der englische Historiker Robert Bartlett verpflichtet zu fühlen. Schon in der Einleitung seines Buches “Die Geburt Europas aus dem Geist der Gewalt” stellt er klar, was bei Mitterauer nur durchscheint, polemisch formuliert: versteckt wird; nämlich: 

“Überall beherrschte eine kleine adlige Elite die Landbevölkerung und lebte von der Arbeit der Bauern. Ein Teil des Adels bestand aus Laien; ihr Metier war das Kriegshandwerk, sie waren stolz auf ihre Familien und auf den Fortbestand ihrer Linien bedacht. Die anderen wurden für eine kirchliche Laufbahn bestimmt, als Mönche oder Weltgeistliche.”* Sie wurden gerne Bischöfe, und lassen sich auf diese Weise erfassen und zählen.

“Um das Jahr 1200 existierten ungefähr 800 Diozösen, in denen die päpstliche Autorität anerkannt und der lateinische Ritus gepflegt wurden.”** Das war das anfaßbare Christentum, die Bischöfe repräsentierten es, sie weihten die Priester und versahen alle Dienste und Aufgaben, die Herr Woelki auch heute noch versieht. Aber sie waren Adlige aus den herrschenden Familien in einer bäuerlichen, armen Gesellschaft in einer ganz anderen Zeit. 


*Bartlett, “Die Geburt Europas aus dem Geist der Gewalt”, S. 11; **ebd., S. 16

  


Mittwoch, 14. April 2021

Michael Mitterauer, Warum Europa? Mittelalterliche Grundlagen eines Sonderwegs

 Das ist die Frage aller Fragen für den Universalhistoriker, den Soziologen, den Ökonomen und Politologen:

“Universalgeschichtliche Probleme wird der Sohn der modernen europäischen Kulturwelt unvermeidlicher- und berechtigterweise unter der Fragestellung behandeln: welche Verkettung von Umständen hat dazu geführt, daß gerade auf dem Boden des Okzidents, und nur hier, Kulturerscheinungen auftraten, welche doch – wie wenigstens wir uns gern vorstellen – in einer Entwicklungsrichtung von universeller Bedeutung und Gültigkeit lagen? …” (Max Weber, Vorbemerkung zu den »Gesammelten Aufsätzen zur Religionssoziologie« 1905) 

Mitterauer trägt zur Beantwortung dieser Frage einiges Wichtige bei:

  1. Die Agrarrevolution des Frühmittelalters mit Roggen und Hafer, Einbeziehung der Großviehzucht, Dreifelderwirtschaft und dann dem schwerem Räderpflug sowie Mühlentechnik bilden zweifellos eine wichtige Grundlage für jede weitere Entwicklung, weil die Ernährung der Bevölkerung stabilisiert wird. Anderswo fand eine solche Entwicklung sich gegenseitig verstärkender Faktoren nicht statt. 

  2. Die zweigeteilte Grundherrschaft als erweitertes Familienmodell förderte die Arbeitsteilung und die Gattenzentrierung der Familie und lockerte die patrilinearen Abstammungsverbände (Klan, Stamm).

  3. Die lateinische Papstkirche mit ihren Panzerreitern (Ritterorden) eroberte Europa und wehrte Angreifer ab. 

Das Anknüpfen an das Römische Recht in seiner zivilisationssichernden Wirkung bleibt allerdings bei Mittauer unterbelichtet. Auch das Versagen in der Aufnahme und Bewahrung der römischen Zivilisation insgesamt - weswegen das Mittelalter so dunkel und stinkend ausfiel - wird einfach übergangen. Das hängt zusammen mit Mittauers nur spärlicher Beachtung der schwachen Ergebnisse der fränkischen Naturwaissenschaft und Technik, die erst mit Leonardo da Vinci in der Renaissance ein größeres Gewicht bekommt. Die Renaissance aber ist nicht mehr das religionstriefende Mittelalter, sondern der Aufbruch der frühen Neuzeit mit bis heute beeindruckenden Figuren wie Montaigne, Luther, Calvin, Zwingli, Galilei, Vesalius, William Harvey etc.; und natürlich Johannes Gutenberg, der mit seinen beweglichen Lettern (Typoskript) mit einem Paukenschlag die Massenkommunikation der Moderne eröffnete.  

Zusammenfassend läßt sich sagen, daß Mittauer der Sonderwegsdiskussion Europas eine bisher wenig beachtete Perspektive hinzugefügt hat, die die große Untersuchung von David Landes “Wohlstand und Armut der Nationen” verdienstvoll ergänzt, wenn auch eine gewisse christliche Voreingenommenheit nicht zu übersehen ist.

Großes Augenmerk legt Mitterauer auf die Kirchengeschichte mit allen ihren Schismen, der Leser lernt auch den Hesychasmus der griechisch-orthodoxen Mönche kennen - ihr stilles Einsiedlertum - im Unterschied zur geselligen und aktiven Orientierung des fränkischen Mönchstums, etwa der Zisterzienser. Das macht das Buch Mitterauers auch zu einer spannenden Lektüre der Kirchengeschichte, angebunden an säkulare Strukturphänomene wie die Arbeitsteilung, Agrarverfassung, Verschriftlichung und Technikanwendung. Für letztere gelingt aber kein Nachweis der Förderung durch Glaubensinhalte, und bei der Verschriftlichung handelt es sich um eine alte Entwicklungslinie, die schon bei der mesopotamischen Keilschrift beginnt und im griechischen Lautalphabet ihre zukunftsfähige Form erhält; in der Anwendung knüpfen die Franken an die römische Praxis an. Karl, der rund 2m große Karolinger, er war also wirklich ein großer König und Kaiser, konnte nicht lesen und schreiben - das wäre für einen römischen Senator undenkbar gewesen. Lesen und Schreiben besorgten dem Kriegskaiser Karl die schriftkundigen Mönche, an erster Stelle der Yorker Diakon Alkuin, der spätere Benediktinerabt.  

Montag, 12. April 2021

Persönlichkeit

Erkenne dich selbst, stand über dem Orakel von Delphi.

Erkenne auch die Kandidaten. 


1 Für Kunst interessiert er sich nicht.

2 Er plant und organisiert im Voraus, damit nicht in letzter Minute Zeitdruck aufkommt. 

3 Auch Menschen mit negativem Verhalten ihm gegenüber begegnet er nicht mit starken Emotionen.

4 Im Allgemeinen ist er mit sich ziemlich zufrieden.

5 Auch bei widrigen äußeren Umständen läßt er sich nicht von Reisen u.ä. abbringen.

6 Er würde keine Schmeicheleien zur Erlangung von Vorteilen einsetzen, auch wenn er wüßte, daß sie erfolgreich sein würden. 

7 Er ist stets daran interessiert, etwas über die Geschichte und Politik anderer Länder zu lernen.

8 Er treibt sich oft selbst sehr stark an, wenn er versucht, ein Ziel zu erreichen.

9 Andere sagen ihm manchmal, daß er zu kritisch gegenüber anderen sei.

10 Bei Gruppentreffen sagt er nur selten seine Meinung.  

11 Er kann manchmal nichts dagegen machen, dass er sich über kleine Dinge Sorgen macht.

12 Wenn er wüsste, dass er nicht erwischt würde, wäre er bereit, die Provision für eine Million Masken einzusacken.

13 Er würde es genießen, ein Kunstwerk zu schaffen, etwa einen Roman, eine Oper oder einen Gemäldezyklus.

14 Wenn er an irgendetwas angestrengt arbeitet, beachtet er Details nicht besonders.

15 Andere sagen ihm manchmal, dass er zu stur sei.

16 Er zieht Berufe, in denen man sich aktiv mit anderen Menschen auseinandersetzen muß solchen vor, in denen man alleine arbeitet.

17 Bei schmerzlichen Erfahrungen braucht er Trost von außen. 

18 Geld spielt für ihn keine große Rolle.

19 Radikalen Ideen zollt er wenig Aufmerksamkeit.

20 Entscheidungen trifft er instinktiv ohne lange nachzudenken.

21 Er wird für jähzornig gehalten. 

22 Er ist meist positiv gestimmt. 

23 Er läßt sich leicht emotional anstecken. 

24 Er meint, er hätte mehr Respekt und Würdigung verdient als andere.

25 Bei Gelegenheit würde er gerne ein klassisches Konzert besuchen. 

26 Bei der Arbeit ist er manchmal unorganisiert.

27 Er vergibt und vergißt leicht und schnell illoyales Verhalten anderer ihm gegeüber.

28 Er fühlt sich nicht genug geliebt.

29 Gesundheitlichen Risiken und Gefahren gegenüber ist er sehr besorgt.

30 Er schleimt gerne, wenn er von anderen Vorteile erwartet.

31 In Enzyklopädien zu schmökern, reizt ihn nicht. 

32 Er arbeitet nicht mehr als nötig.

33 Andere beurteilt er nachsichtig.

34 Er wird gern als erster aktiv. 

35 Er ist überwiegend sorglos.

36 Er würde sich nie bestechen lassen, auch nicht mit großen Summen.

37 Seine Vorstellungskraft wurde oft gelobt.

38 Fehler versucht er auch unter Zeitdruck unbedingt zu vermeiden.

39 Bei Widerspruch paßt er seine Meinung flexibel an.

40 An einem neuen Ort sucht er zuerst neue Freundschaften. 

41 Er kann selbständig mit schwierigen Situationen umgehen. 

42 Er liebt den Luxus.

43 Leute mit unkonventionellen Ideen schätzt er.

44 Er macht viele Fehler, weil er nicht sorgfältig plant. 

45 Er wird nicht so schnell ärgerlich.

46 Er läßt sich schwer aus der Ruhe bringen.

47 Er fühlt sich schnell einsam bei Trennungen. 

48 Sein gesellschaftlicher Status ist ihm wichtig.

49 Er hält sich nicht für künstlerisch begabt. 

50 Er wird für einen Perfektionisten gehalten. 

51 Mit Kritik an anderen hält er sich zurück, auch wenn sie berechtigt wäre.

52 Er fühlt sich machmal wertlos.

53 Auch in Notfällen reagiert er nicht mit Panik.

54 Schleimen ist ihm völlig fremd. 

55 Philosophie findet er überflüssig.

56 Er verfolgt Pläne nicht konsequent, sondern läßt sich gern treiben.

57 Kritik nimmt er schwer an.

58 In einer Gruppe macht er gern den Gruppensprecher.

59 Er ist phlegmatisch.

60 Falschgeld zu verwenden wäre für ihn völlig ausgeschlossen.


Bewertung 1 bis 5:

1 Starke Ablehnung 2 Ablehnung 3 neutral 4 Zustimmung

5 starke Zustimmung

Samstag, 10. April 2021

Konstantins zufälliger Traum an der Milvischen Brücke wird wegweisend

“Das Verhältnis von Herrschaftsordnung und Organisation der Religionsgemeinschaft  gestaltete sich auch in der Geschichte des Christentums sehr wechselvoll. Eine prägende Phase war sicher das 4. Jahrhundert, in dem es zur Reichsreligion wurde. Auf dem von Kaiser Konstantin 325 nach Nicaea einberufenen Reichskonzil wurden die Weichen für eine weitgehende Angleichung der Reichskirche an die Struktur des Imperiums gestellt. Das Römerreich der Spätantike war ein hochgradig hierarchisch-bürokratisch strukturiertes Herrschaftsgebilde. Dementsprechend übernahm durch diesen Anpassungsprozeß die christliche Kirche solche Organisationsformen.” *


Nicaea fand statt im Schatten der römischen Legionen. Es kann daher nicht völlig verwundern, daß in diesem Schatten der römisch-katholische Kriegermönch entstand, der “miles christianus”. Er wurde eingesetzt in Jerusalem, der Levante, in Spanien und - im europäischen Nord-Osten. Bernhard von Clairvaux rief zum Wendenkreuzzug auf, zur Schwertmission. Ein Ritterorden existiert noch, der 1199 in Jerusalem gegründete Orden der Brüder vom Deutschen Hospital Sankt Mariens in Jerusalem, der Deutsche Orden. Nach Stationen auf Zypern und Kreta zog er noch Norden und übernahm das Gebiet des Schwertbrüderordens in Livland. Noch bis ins 15. Jahrhundert fanden die international zusammengesetzten Feldzüge der römisch-katholischen Kriegermönche ins Pruzzenland statt. Michael Mitterauer sieht in diesen aus Rom zentral orchestrierten Kreuzzügen der Papstkirche mit ihren universalen Ordensgemeinschaften den Beginn des europäischen Expansionismus. Als Muster stand die arabische Expansion seit dem 7. Jahrhundert im historischen Raum, gegen die sich die meisten Papstkriege richteten. Nur der Papst konnte zum Kreuzzug aufrufen. 


* Mitterauer, Warum Europa? S. 177f.    

Donnerstag, 8. April 2021

Klimaschau #26: Bundeswirtschaftsministerium erhält Note "mangelhaft" fü...

Nachhaltig ist die versorgungssichere heimische Braunkohle. Sie reicht noch für mehrere hundert Jahre. Und natürlich ist die Kernkraft nachhaltig und zukunftssicher.

Neue GeWalt in Belfast

 Erstaunliche historische Fernwirkungen im Hintergrund?

Dergestalt bildet sich ein fränkisches bzw. fränkisch beeinflußtes Kerneuropa und ein Randeuropa, das Irland, Wales, Schottland, Osteuropa östlich der Linie Petersburg/Triest, den ganzen Balkan, das ehemalige byzantinische Süditalien sowie das ehemalig maurische Südspanien beinhaltet. “Im Anschluß an abweichende Traditionen der Agrarverfassung hat sich in vielen Regionen ‘Randeuropas’ die politische, wirtschaftliche und soziale Entwicklung anders gestaltet.”

(Mitterauer, Warum Europa? S. 66)


Die vorherrschende Viehwirtschaft in Irland bewirkt eine andere Entwicklung: die zweigeteilte Grundherrschaft durch die Vergetreidung im fränkischen Bereich unterbleibt und damit die Hausgemeinschaft und die Vasallität. Diese Lockerungen der Abstammungsgesellschaft unterbleiben in Irland; Entwicklungsimpulse kommen erst später durch den eindringenden Protestantismus der Engländer.


Mittwoch, 7. April 2021

Lehenswesen und Ständeverfassung

 Die Kombination von adeliger Höhenburg und ummauerter Stadt ist ein europäisches Spezifikum. … In Europa wurde - im interkulturellen Vergleich betrachtet eine Besonderheit - durch ein dichtes Netz befestigter Herrensitze und Bürgerstädte ein hohes Maß an Sicherheit und Stabilität erreicht. Seit dieses System in spät- und nachkarolingischer Zeit entwickelt wurde, blieb Mittel- und Westeuropa von Nomadeninvasionen verschont. 

Die Adelsburg als Mittelpunkt der Bannherrschaft ist sinnfälliger Ausdruck eines Herrschaftssystems, in dem die militärische Komponente einen integrierenden Bestandteil ausmacht. Das gilt insgesamt für das Lehenswesen. Funktionen der Heeresorganisation, der Wehrverfassung, des Gerichtswesens, der Verwaltung, der politischen Mitbestimmung erscheinen in ihm untrennbar miteinander verbunden.”*  

Diese Kleinteiligkeit der Herrschaften besaß ihre Repräsentanz in Parlamenten. Montaigne (1533-92) war ein solcher Standesvertreter im Parlament von Bordeaux. Die Ständeverfassung stand gegen den Ausbau der Zentralisierung der Königsmacht, wie er schon früh in Frankreich von dem Kapetinger Ludwig XI. schlagkräftig betrieben wurde. Die Ständeversammlungen (Generalstände) verloren an Macht und Mitsprache und wurden nur noch nach Bedarf des Monarchen einberufen. Die absolute Monarchie obsiegte überall, aber die Widerstände waren besonders in England beträchtlich. Das Londoner Parlament ließ 1649 den Stuart Karl I. vor seinem Palast hinrichten.   


*Mitterauer, Warum Europa? S. 148

Dienstag, 6. April 2021

Machtfragen - von Cromwell bis Putin



Hobbes’ analysiert in “Behemoth’ den englischen Bürgerkrieg und seine Gewalt. Das taten auch andere. 

“Clarendon, der auf eine gemischte Verfassung setzt, in der die Krone eine ausgleichende und regulierende Funktion hat, der Kopf des Ganzen ist und gerade deswegen den Teilen ihre eigenen Aufgaben und Zuständigkeiten überläßt; Harrington, der eine Korrespondenz zwischen der sozio-ökonomischen Entwicklung und der politischen Einstellung und Mentalität entdeckt zu haben glaubt und im England Oliver Cromwells die Möglichkeit zur Neuerrichtung einer Republik nach antikem Muster sieht; und schließlich Thomas Hobbes, für den der Bürgerkrieg mit brutaler Konsequenz gezeigt hat, daß allein ein mit absoluten Machtbefugnissen ausgestatteter Souverän in der Lage ist, der permanenten Drohung des Rückfalls in den Naturzustand, d.h. dem Bürgerkrieg, erfolgreichen Widerstand zu leisten. 

Es hat den Anschein, als hätten diese drei Antworten auf die erste große Revolution der Neuzeit bis heute ihren paradigmatischen Charakter nicht verloren - in Illusion und Scheitern, Hoffnung wie Resignation.”

(Münkler in “Behemoth”, S. 238)


Wenn wir heute erleben, daß Putin sich seine Macht durch viele Tricks nunmehr bis 2034 gesichert hat, dann liegt auf der Hand, welcher Logik er folgt. Daß Schröder und Merkel ihm dazu die Einnahmen aus dem Gasgeschäft von Nordstream 2 sichern wollen, liegt in der geistigen Verwirrung deutscher Politik begründet.