Mittwoch, 13. Juli 2016

In die Tonne









Frauen haben manchmal schnurrige Ideen. Für jedes neue Buch solle ich ein altes wegwerfen. Eine grausliche Vorstellung. Aber bei den Romanen, die nur noch herumstehen im Regal, auch ein bißchen konstruktiv. Regalraum ist nicht beliebig vermehrbar. Doch Romane sind auch nicht gleich Romane. Wer wollte einen Grimmelshausen, Goethe, einen Fontane, Thomas Mann, einen Martin Walser in die Tonne geben? Ich nicht. Denn bei Grimmelshausen und Walser lassen sich menschliche Verhaltensweisen in ihrer Vielschichtigkeit nachlesen. Jedenfalls, wenn ein verständiger Leser sie zur Hand nimmt, dem es nicht in erster Linie auf den Handlungsstrang ankommt.

Bei der Handlung kann ein Grass immer mithalten, er kann erzählen, und unterhalten ebenfalls. Haben wir doch damals, vor gefühlten hundert Jahren, die “Blechtrommel” wegen der erotischen Stellen erworben. Erst dem Verstand der Jahre zeigte sich die Seite der Erziehungsliteratur des Oberlehrers Grass, den das menschliche Verhalten - auch sein eigenes! - wenig interessierte, den die Psychologie schlechthin kaltließ.
Das aber ist die Domäne der schöngeistigen Literatur. Sie kann bilden, wenn der Leser sie als Schaufel benutzt, um sich umzugraben, um sich im Lichte anderer Menschen zu betrachten und daraus Schlüsse zu ziehen.