“In ihrem (der Bauern, WD) eigenen Kreis gelten starre Sitten der Rechtlichkeit, Gewissenhaftigkeit und Gastfreundschaft; es sind formale Konventionen, von der Öffentlichkeit kontrolliert, nicht sittliche Normen, die eine persönliche Entscheidung erfordern würden. Vielmehr dient alle Gemeinschaft der Aufrechterhaltung und Sicherung des eingezäunten Horizonts. Durch das ortsgebundene Verhalten werden persönliche Beziehungen auch innerhalb der Gemeinde stark eingeschränkt; man hält sich die Nachbarn möglichst vom Leib. Die Vielzahl knorriger Charaktere auf dem Land widerspricht der Konformität der Lebensformen keineswegs, denn diese ordnen nur begrenzte Bereiche. Zum Beispiel kümmert sich das Dorf nicht um Familienangelegenheiten”.*
Was Arno Borst für das mittelalterliche Dorf ausführt, hätten wir eher schon für eine städtische Konstellation gehalten, suggerieren doch die Erzählungen vom solidarischen Dorfleben etwas anderes. Aber es ist wohl so, daß die Vorstellung vom “Zusammenhalt der Gesellschaft” stets eine Chimäre war. Tatsächlich könnte es eine totalitäre Vorstellung sein, die zusammenzwingen will, was nicht zusammengehört oder nicht zusammenpaßt; Herrschaften aller Art verfuhren so, zuletzt in großer Dimension Kommunismus und Nationalsozialismus. Was ist von dem regierungspolitischen Forschungsprojekt “Gesellschaftliche Zusammenhalt” zu halten?