Montag, 4. Mai 2015

Trau keinem Philosophen nicht








Gobineau (1816-82) dachte sich so allerhand







„Es irrt der Mensch, solang er strebt“, heißt es im Faust. Ergänzen darf man: Er schmiert auch allerhand zusammen, solang er lebt. Wenn er schreiben kann. Schreiben können die Philosophen und Theologen, und daher hinterlassen sie oft einen Haufen Schreibschutt. Marx, zum Beispiel, steht da ganz an der Spitze. Schon als junger Skribent befaßte er sich gern mit Dingen, von denen er nichts verstand. Zum Beispiel in der „Judenfrage“, die er 1843 schrieb:
„Welches ist der weltliche Kultus des Juden? Der Schacher. Welches ist sein weltlicher Gott? Das Geld.“ (Zur Judenfrage, MEW Bd. 1, S. 372)
Marx, selbst jüdischer Herkunft, denkt hier so jüdisch wie Mose, und so christlich wie Jesus, und so katholisch wie Thomas Morus in seiner „Utopia“, und so polemisch wie Luther in „Von den Juden und ihren Lügen“. Man darf sich also nicht wundern, daß mit dem siegreichen Christentum auch der Antijudaismus in ganz Europa, sogar darüber hinaus, verbreitet war und in der orientalischen Welt noch heute intensiv verbreitet wird mit europäischen Schriften („Die Weisen von Zion“).
Am stärksten antisemitisch war seinerzeit vielleicht Frankreich, weswegen dort Gobineau ein antisemitisches Großdokument verfaßte:
«Der Ruf war erschollen: ja wirklich, im Innern eines sozialen Körpers liegt die Ursache seiner Auflösung; aber welches ist diese Ursache? Die Degeneration, wurde geantwortet: die Nationen sterben, wenn sie aus degenerierten Bestandteilen zusammengesetzt sind. Die Antwort war gut, dem Wortlaut nach und in jeder Weise; es galt nur noch festzusetzen, was man unter den Worten degenerierte Nation verstehen sol. Hier aber litt man Schiffbruch; man erklärte ein degeneriertes Volk als ein Volk, das, schlecht regiert, seine Reichtümer missbrauchend, fanatisch oder gottvergessen, die charakteristischen Tugenden seiner Stammväter verloren hat. Trauriger Fall! So geht eine Nation unter den sozialen Plagen unter, weil sie degeneriert ist, und sie ist degeneriert, weil sie untergeht. Dieser Zirkelbeweis zeigt nur die Kindheit des Wissens in Sachen der sozialen Anatomie. Ich will gerne zugeben, dass die Völker untergehen, weil sie degeneriert sind, und aus keinem anderen Grunde; […] Wie und warum geht die Lebenskraft verloren? Darauf kommt es an. Wie tritt Degeneration ein? Das bedarf der Erklärung. Bis jetzt hat man sich mit dem Worte begnügt, nicht die Sache aufgehellt. Diesen Schritt vorwärts zu tun will ich versuchen. Ich meine also, dass das Wort degeneriert, auf ein Volk angewandt, bedeuten muss und bedeutet, dass dieses Volk nicht mehr den inneren Wert hat, den es ehedem besass, weil es nicht mehr das nämliche Blut in seinen Adern hat, dessen Wert fortwährende Vermischung allmählich eingeschränkt haben; anders ausgedrückt, weil es mit dem gleichen Namen nicht auch die gleiche Art, wie seine Begründer bewahrt hat, kurz, weil der Mensch des Verfalles, derjenige, den wir den degenerierten Menschen nennen, ein unter ethnographischen Gesichtspunkte von dem Helden der grossen Epochen verschiednes Subjekt ist. Ich will gerne glauben, dass er etwas von dessen Wesen besitzt; aber je mehr er degeneriert, desto mehr nimmt dieses Etwas ab. Die ungleichartigen Bestandteile, welche fortan in ihm vorherrschen, bilden eine ganz neue und in ihrer Eigenart nicht glückverheissende Nationalität; er gehört denen, die er noch für seine Väter ausgibt, nur sehr in einer Seitenlinie an. Er, und seine Zivilisation mit ihm, wird unmittelbar an dem Tage sterben, wo der ursprüngliche Rassenbestand sich derartig in kleine Teile zerlegt und in den Einlagen fremder Rassen verloren erweist, dass seine Kraft fortan keine genügende Wirkung mehr ausübt. […] Nachdem ich dem Worte Degeneration einen Sinn angewiesen und mit dessen Hilfe das Problem der Lebenskraft der Völker behandelt, habe ich jetzt zu beweisen, was ich um der Klarheit der Erörterung willen a priori habe behaupten müssen: dass es merkliche Unterschiede im relativen Wert der Menschenrassen gibt. […] Die Vorstellung von einer angeborenen, ursprünglichen, stark ausgeprägten und bleibenden Ungleichheit zwischen den Rassen ist eine der ältestverbreitetsten und –angenommenen in der Welt; und angesichts der anfänglichen Abgeschiedenheit der Stämme und Völkerschaften, und jenes Zurückziehens auf sich selber, das bei allen in einer mehr oder minder fernen Epoche üblich gewesen und aus welchem eine grosse Zahl nie herausgekommen ist, haben wir keinen Anlass, darüber erstaunt zu sein. Wenn wir das ausnehmen, was in unseren neuesten Zeiten vorgegangen ist, hat dieser Begriff fast allen Regierungstheorien zur Grundlage gedient. Kein Volk, gross oder klein, das nicht damit angefangen hätte, seine erste Staatsmaxime daraus zu machen. Das System der Kasten, der Adelstände, das der Aristokratien, sofern man sie auf die Vorrechte der Geburt begründet, haben keinen anderen Ursprung; und das Recht der Erstgeburt mit seiner Annahme eines Vorranges des erstgeborenen Sohnes und seiner Nachkommen ist auch nur eine Ableitung hiervon. Mit dieser Lehre stimmen der Widerwille gegen das Fremdländische und die Überlegenheit, welche jede Nation sich hinsichtlich ihrer Nachbarn zuspricht, überein. Erst in dem Masse, wie die Gruppen sich mischen und verschmelzen, sieht man bei ihnen, die von nun an grösser, zivilisierter dastehen und sich in Folge des Nutzens, den sie einander bringen, in einem wohlwollenderen Lichte betrachten, den unbeschränkten Grundsatz der Ungleichheit, ja anfänglichen Feindseligkeit der Rassen durchbrochen und unbestritten. Wenn denn die Mehrzahl der Staatsbürger in ihren Adern gemischtes Blut fliessen fühlt, dann fühlt sie sich damit zugleich berufen, unter Umwandlung des nur für sie Tatsächlichen in eine allgemeine und unbeschränkte Wahrheit zu versichern, dass alle Menschen gleich seien.» Joseph Arthur Comte de Gobineau: Versuch über die Ungleichheit der Menschenrassen, ohne weiteren Nachweis aus: Aegerter, Roland (Hrsg.): Medienpaket Rassismus. Zürich 1998, S. 11.
Der Literat Gobineau denkt sich so allerhand zusammen, und ganz im Stil der Zeit und dem Anti-Dreyfus-Geist, mit Degeneration, Blut und Lebenskraft, ganz nach dem Goethe-Wort:
Denn eben wo Begriffe fehlen,
da stellt ein Wort zur rechten Zeit sich ein.
Mit Worten läßt sich trefflich streiten,
mit Worten ein System bereiten,
an Worte läßt sich trefflich glauben,
von einem Wort läßt sich kein Iota rauben.

Und da sind wir auch schon bei Heidegger, einem ähnlich dämlichen Denker wie Marx:

„Wer einmal «Heideggerianer» war, weiss, wie schwierig es ist, sich davon zu lösen. Ein unauflösbarer Widerspruch wird konsequent mit Verstossung bezahlt. Als ich im Herbst 1997 den Satz «Zu fragen wäre, worin die eigentümliche Vorbestimmung der Judenschaft für das planetarische Verbrechertum begründet» sei, in Heideggers Manuskript fand und in die Satzvorlage übertrug, war die Reaktion von Heideggers ehemaligem Privatassistenten unmissverständlich. Das durfte nicht veröffentlicht werden.“
(Martin Heidegger und seine Gesamtausgabe, Die letzte Hand des Zauberers, Peter Trawny 18.4.2015 NZZ)
Noch viele schillernde Autoren wären zu nennen zwischen Wladiwostok und New York. Autoren, die allesamt an einer nichtempirischen, nicht analytisch-statistischen Denkweise kleben. Es lohnt nicht. Sie können nicht differenzieren. Sie verallgemeinern nach Kirmesart und wie gerade der Wind weht. Auch, wenn sie so hochintelligent sind wie  Marx, schreiben sie Schutt zusammen. Wo doch Marx selbst ein gutes Beispiel abgibt für intelligentes Anpassungsverhalten, das individuell neue Wege einschlägt auf den Schultern kluger Heiratspolitik der Rabbiner.


Wunderbar nuanciert, dieser alteTango von Gardel. WD /// Yasuji Ohagi - El Dia Que Me Quieras