Dienstag, 30. Juni 2009

Theoretische Soziologie



Paul Camenisch: «L'après-midi bourgeois» : Leider gibt es das Bild nicht im Netz, es ist ein schönes Hochsommerbild, passend für die 21-26°C draußen; dafür ein Apfelbäumchen mit Hornklee

- Deutschland kann «Lissabon» vorerst nicht ratifizieren. Bundesverfassungsgericht billigt EU-Reform-Vertrag nur mit Auflagen. Deutschland darf dem EU-Reform-Vertrag von Lissabon vorerst nicht zustimmen. Das hat das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe entschieden. Demnach ist das Vertragswerk zwar mit dem Grundgesetz vereinbar, vor der Ratifizierung müssten aber die deutschen Mitwirkungsrechte gestärkt werden. ...weiter lesen «Deutschland kann «Lissabon» vorerst nicht ratifizieren»" NZZ 30. Juni 2009

- Autogenes Training: Der Psychiater Johannes Heinrich Schultz (geb. 20. Juni 1884) hat es mehr oder weniger erfunden. Zu loben, lernenswert.

- In der Tat: "Deutsche Energieagentur
„Wir brauchen keinen Strom aus der Sahara“
Unternehmen um die Münchener Rück wollen Sonnenstrom in Afrika erzeugen und importieren. Die von der Bundesregierung getragene Deutsche Energieagentur stuft das als Geldverschwendung ein: Ein F.A.Z.-Interview mit Dena-Geschäftsführer Stephan Kohler." FAZ 20.6.09

- Theoretische Soziologie: "i have a question about the use of monetary medium to give for
charity or as campaign donation. Which function system its under? Are
campaign donations a political communication or economical
communication? Where is the place for 'intention' on this cases?"
Fragen, Luhmanns Systemtheorie betreffend. Man mag sie ja stellen, und vieles ist bei Luhmann interessant, klärend und anregend. Das gilt für Dahrendorf, der gerade in Köln starb, weit weniger, obwohl er als kommentierender Zeitgenosse ebenfalls hörenswert war. Bei der Gerda-Henkel-Stiftung hielt er im Februar dieses Jahres die Lobrede auf Richard Sennett. Bei Typen wie Sennett gleitet die Theoretische Soziologie ab in beliebige Schwafelei, mit der sich Sennett auch bei Dahrendorf und der Stiftung bedankte (vgl. das Schwafelbuch "Verfall und Ende des öffentlichen Lebens"). Dirk Baecker fällt mir da noch ein. Der Theoretischen Soziologie sollte man nicht zuviel Zeit einräumen.

- Eine der Quellen der europäischen Demokratie:
"So bringt es die Unvollkommenheit der Menschen mit sich, dass es sicherer und erträglicher ist, wenn mehrere das Steuerruder halten, so dass sie sich gegenseitig beistehen, belehren und ermahnen, und wenn sich einer über Gebühr erheben sollte, mehrere Aufseher und Meister da sind, um seine Willkür im Zaume zu halten." (Calvin, Institutio IV, 20,8)

- Dünner Firnis der Zivilisation: "Der grosse Schrecken aller Frauen und Kinder.
Einer jungen Frau und einem Kind auf der Strasse aufgelauert.
Ein gutsituierter Schweizer Geschäftsmann hat in Zürich mitten in der Nacht eine junge Frau in seinen Lieferwagen gezerrt, gefesselt und vergewaltigt. Jahre später wollte er in einem anderen Kanton am hellichten Tag ein siebenjähriges Mädchen in sein Cabriolet locken. Das Bezirksgericht verurteilte ihn am Freitag zu sechseinhalb Jahren Freiheitsstrafe. Aus dem Bezirksgericht Zürich. ..." NZZ 27.6.

- Nistkästen gesäubert für die zweite Runde: Zwei mit Meisennest, ein Kasten diente nur als Schlafplatz (mit reichlich Kot auf dem Boden).

Josef Reichholf am 1.7. bei hr2-kultur | Doppel-Kopf



Reichholf

hr2-kultur | Doppel-Kopf:
Am Tisch mit Josef Reichholf, „Ökologie-Streiter“
Mittwoch, 1. Juli 2009, 12:05 Uhr
Josef Reichholf (Bild: TU München)
Die Welt soll so bleiben, wie sie ist? Das geht nicht, wir können nichts festhalten. „Das einzig beständige ist der Wandel“, sagt Josef Reichholf.

Der vielfach ausgezeichnete Münchner Biologe und Autor streitet dafür, die Natur in ihrer Dynamik und ihrer Geschichtlichkeit zu verstehen – und uns Menschen als einen Teil eben dieser Natur zu begreifen. Das heißt für Reichholf auch, dass der Naturschutz endlich menschenfreundlicher werden muss. Er wünscht sich zum Beispiel, dass jeder junge Mensch die Erfahrung machen darf, einen Rabenvogel großzuziehen. Im Gespräch mit Regina Oehler erzählt Professor Josef Reichholf , wie ihn die Freundschaften mit einer Dohle und mit der Rabenkrähe Tommy geprägt haben – und was wir von diesen intelligenten Vögeln lernen können.

(Wiederholung um 23.05 Uhr)

Bücherliste
Rabenschwarze Intelligenz – Was wir von Krähen lernen können
Herbig Verlag, ISBN 978-3-7766-2600-1, 19,95 Euro

Stabile Ungleichgewichte – Die Ökologie der Zukunft
edition unseld SV, ISBN 978-3-518-26005-0, 10,00 Euro

Warum die Menschen sesshaft wurden – Das größte Rätsel unserer Geschichte
S. Fischer, ISBN 978-3-10-062943-2, 19,95 Euro

Der Tanz um das goldene Kalb – der Ökokolonialismus Europas
Wagenbach, ISBN 3 8031 2532 4, 12,90 Euro

Eine kurze Naturgeschichte des letzten Jahrtausends
Fischer Verlag, ISBN 978-3-596 17439-3, 9,95 Euro

Stadtnatur – Eine neue Heimat für Tiere und Pflanzen
oekom Verlag, ISBN 978-3-86581-042-7, 24,90 Euro

Ende der Artenvielfalt – Gefährdung und Vernichtung von Biodiversität
Aus der Reihe „Forum für Verantwortung“, Fischer-Verlag, ISBN 978-3-596-17665-6, 9,95 Euro

Die Zukunft der Arten – Neue ökologische Überraschungen
Aus der Reihe „dtv-Wissen“ dtv, ISBN 978-3-423-34532-3, 9,95 Euro
www.hr-online.de/website/radio/hr2/index.jsp?rubrik=9108

Montag, 29. Juni 2009

Wetter, Steuerdiskussion, Verbrennungsmotor




Diese 'Lampenputzer' haben sich neu angesiedelt.
Weiter Sommer 22-26°C, gestern abend erster 'Glühwürmchen'ausflug.

- Wetter: " Sehr geehrter Herr Messner,
mit Bezug auf das Interview mit Ihnen in Entwicklung und Zusammenarbeit, muss ich Ihnen leider vorwerfen, dass Sie entweder desinformiert sind oder absichtlich Desinformation betreiben. Beides ist im Hinblick auf Ihre Position als stellvertretender Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) hochgradig bedenklich.
Sie behaupten in Ihrem Interview, dass der Treibhauseffekt noch schneller greife als bisher angenommen und begründen diese Behauptung unter anderem mit dem angeblichen Schmelzen der Eisschilde, was mit einem Vergleich von Satellitenaufnahmen der Eisausdehnung der Arktis vom September 2005 mit derjenigen vom September 2007 prominent illustriert wird. Hier betreiben Sie eindeutig "cherry picking", denn wenn Sie z.B. einen beliebigen Maitag des Jahres 2009 mit demselben Maitag des Jahres 2004 verglichen hätten, wären Sie genau zum ungekehrten Schluss gekommen, dass nämlich die arktische Eisausdehnung zunimmt. Hier finden Sie den Verlauf der arktischen Eisausdehnung in den letzten Jahren: http://www.ijis.iarc.uaf.edu/en/home/seaice_extent.htm. Im Anhang finden Sie darüber hinaus eine Graphik mit den Anomalien der arktischen und globalen Durchschnittstemperaturen der letzten 120 Jahre (Quelle: International Arctic Research Centre der University of Fairbanks, Alaska), sowie eine Graphik mit der Durchschnittstemperatur der letzten 9000 Jahre ermittelt aus Temperaturindikatoren in Stalagmiten aus Tropfsteinhöhlen rund um den Globus, die sich als hervorragendes Klimaarchiv erwiesen haben (Quelle, Prof. Mangini, Universität Heidelberg). Aus diesen Unterlagen ersehen Sie, dass der mäßige Temperaturanstieg im vergangenen Jahrhundert nach dem heuristischen Prinzip am besten und einfachsten als ganz gewöhnliches Naturereignis interpretiert werden darf.

Seit etwa der Jahrhundertwende nimmt die Globaltemperatur (300.000 tägliche Satellitenmessungen der unteren Troposphäre, gleichmäßig über den Globus verteilt. Quelle University of Alabama, Huntsville) sogar wieder ab, während sich der Verlauf der CO2-Konzentration in der Atmosphäre umgekehrt proportional zur Temperatur verhält (siehe Grafik im Anhang). Im Gegensatz zu den Behauptungen einiger IPCC-Funktionäre mit Rückendeckung einer Handvoll, zu Alarmismus neigender Wissenschaftler, die ich Ihnen bei Bedarf gerne namentlich nenne, gibt es (außer einiger theoretischer Überlegungen) keine belastbaren wissenschaftliche Fakten und keine Messungen, die belegen, dass CO2 in erheblichem Umfang zu den historischen und prähistorischen Temperaturschwankungen unserer Erde beigetragen hat. Diese forsche Behauptung tragen herausragende Klimawissenschaftler aus aller Welt mit. Als Beispiel will ich nur auf den NIPCC-Report verweisen ( http://www.sepp.org/publications/NIPCC_final.pdf ), der aufgrund der technischen Berichte des IPCC-Reports zu ganz anderen Ergebnissen kommt als die IPCC-Funktionäre in ihrem Synthesis Report "Summary for Policy Makers", der nachweisbar durch vielfältige Unterlassungen und selektive Informationsverwendung gekennzeichnet ist.
Darüber hinaus verschweigen Sie in Ihrem Interview die Tatsache, dass der Grad der Eisbedeckung der südlichen Hemisphäre im September 2007, als die arktischen Eisausdehnung gering war, ein Maximum erfuhr (seit Beginn der Satellitenbeobachtungen: Siehe Graphik im Anhang und http://www.ecoworld.com:80/blog/2009/04/30/antarctic-ice-increasing/). Der Südwinter 2007 war besonders kalt. In Buenos Aires gab es erstmalig seit 89 Jahren wieder Schneefall.
Nach mehrjähriger intensiver Beschäftigung mit dieser Materie könnte ich meine Argumentationsreihe fast beliebig lange fortsetzen.
Da Sie von falschen Voraussetzungen ausgehen, haben Ihre Behauptungen, Befürchtungen, Warnungen und Prognosen keine Substanz, auch wenn zur Zeit immer noch der überwiegende Teil der Medien und eine desinformierte Politik Ihre Einschätzungen teilen. Bitte unterdrücken Sie nicht die Entwicklung armer Länder durch Ihre ethisch unhaltbare Forderung, sie müssten CO2 einsparen.
Mit freundlichen Grüssen Dr. Albrecht Glatzle www.inttas.org

- Steuerdiskussion: In D werden bereits zu viele Steuern gezahlt, deswegen ist der Binnenmarkt seit vielen Jahren so schwach. Steuererhöhungen belasten jedes Wachstum, daher Ausgabenreduzierung! Und Subventionsabbau per Rasenmäher! Niedrigere Steuern führen zu mehr Beschäftigung. Im übrigen sind 6% weniger Wachstum kein großes Problem, das entspricht dem Jahr 2005, da gings prima, und auch davor ging es gut.
- IFO-Index zum 3. Mal hintereinander gestiegen.

- "Der Verbrennungsmotor hat noch immer eine Zukunft
Elektro- und Hybridantriebe gelten als Hoffnungsträger für eine umweltfreundliche Mobilität. Doch der Verbrennungsmotor wird noch lange das Bild prägen. Sieben von acht weltweit produzierten Fahrzeugen werden auch im Jahr 2015 noch Benzin oder Diesel tanken, so die Prognosen. Entsprechend groß ist der Bedarf an Jungingenieuren, die sich auf Motorenentwicklung spezialisieren wollen. ..." 22.6. FAZ / So auch das Bosch-Kolloquium wegen des Batterieproblems 27.6. FAZ

Sonntag, 28. Juni 2009

Auf der Galerie



Reformatorenmauer Genf

- "Schlagerkönig" Jackson tot: Das Tanztalent hat mit dünner Musik und dünnem Stimmchen Abermillionen verdient, vergleichbar Madonna, da kann man nur gratulieren und konstatieren, daß viele tüchtige Bankmanager kärglich bezahlt sind.

Auf der Galerie

Wenn irgendeine hinfällige, lungensüchtige Kunstreiterin in der Manege auf schwankendem Pferd vor einem unermüdlichen Publikum vom peitschenschwingenden erbarmungslosen Chef monatelang ohne Unterbrechung im Kreise rundum getrieben würde, auf dem Pferde schwirrend, Küsse werfend, in der Taille sich wiegend, und wenn dieses Spiel unter dem nichtaussetzenden Brausen des Orchesters und der Ventilatoren in die immerfort weiter sich öffnende graue Zukunft sich fortsetzte, begleitet vom vergehenden und neu anschwellenden Beifallsklatschen der Hände, die eigentlich Dampfhämmer sind - vielleicht eilte dann ein junger Galeriebesucher die lange Treppe durch alle Ränge hinab, stürzte in die Manege, rief das: Halt! durch die Fanfaren des immer sich anpassenden Orchesters.

Da es aber nicht so ist; eine schöne Dame, weiß und rot, hereinfliegt, zwischen den Vorhängen, welche die stolzen Livrierten vor ihr öffnen; der Direktor, hingebungsvoll ihre Augen suchend, in Tierhaltung ihr entgegenatmet; vorsorglich sie auf den Apfelschimmel hebt, als wäre sie seine über alles geliebte Enkelin, die sich auf gefährliche Fahrt begibt; sich nicht entschließen kann, das Peitschenzeichen zu geben; schließlich in Selbstüberwindung es knallend gibt; neben dem Pferde mit offenem Munde einherläuft; die Sprünge der Reiterin scharfen Blickes verfolgt; ihre Kunstfertigkeit kaum begreifen kann; mit englischen Ausrufen zu warnen versucht; die reifenhaltenden Reitknechte wütend zu peinlichster Achtsamkeit ermahnt; vor dem großen Salto mortale das Orchester mit aufgehobenen Händen beschwört, es möge schweigen; schließlich die Kleine vom zitternden Pferde hebt, auf beide Backen küßt und keine Huldigung des Publikums für genügend erachtet; während sie selbst, von ihm gestützt, hoch auf den Fußspitzen, vom Staub umweht, mit ausgebreiteten Armen, zurückgelehntem Köpfchen ihr Glück mit dem ganzen Zirkus teilen will - da dies so ist, legt der Galeriebesucher das Gesicht auf die Brüstung und, im Schlußmarsch wie in einem schweren Traum versinkend, weint er, ohne es zu wissen.
(Kafka)

- Ein bißchen Klimaerwärmung endlich: 20-22°C schwül
Hz.öl 59,45 (58,90)

Mittwoch, 24. Juni 2009

Schmuddelkind, Calvin



Sommer! 22°C S

- Die Grasmücke oder das "Müllerchen" treibt es nicht nur in der Stadt, sie durchdringt auch mit ihrer Ratterstrophe, auf einer Antenne über den Dächern, den lebhaften Großstadtverkehr.

- Von der SA zum SDS : Ist der Hang zum Totalitären, Fanatischen, Radikalen etwas Teutsches?
"Ein Schmuddelkind
Richard David Precht erzählt jetzt auch im Fernsehen, warum Lenin nur bis Lüdenscheid kam.
Als Richard David Precht noch ein Kind ist, schüren die meisten Eltern die Angst vor dem schwarzen Mann. Bei Prechts in Solingen ist zwar Provinz, aber trotzdem alles anders. Was anderswo richtig ist, ist hier falsch und das Falsche richtig, so sieht es wenigstens das Kind. Man ist progressiv, aber gegen den technischen Fortschritt, weil es eben der falsche Fortschritt ist. Die Konservativen dagegen sind für den technischen Fortschritt, also schon irgendwie progressiv, aber jedenfalls und überhaupt im falschen Sinn.
Die Eltern Precht sind links, stehen erst der DKP, später den Grünen nahe. Ihre fünf Sprösslinge, zu denen zwei Adoptivkinder aus Vietnam gehören, bereiten sie auf eine Gesellschaft vor, die nie kommen wird - und richten dabei im Kopf des kleinen Richard große Verwirrung an. Andere Naturen in derselben Situation hätten die Zeitläufte der vergangenen Jahrzehnte, besonders aber den Untergang der Sowjetunion und die Auflösung der DDR wohl nur nachhaltig deprimiert überstanden. Im Fall des Philosophen und Erfolgsautors Precht ("Wer bin ich? Und wenn ja, wie viele?" und "Liebe. Ein unordentliches Gefühl") jedoch sortieren sich die Merkwürdigkeiten der stramm ideologischen Erziehung spätestens nach dem Fall der Mauer zu der fundamentalironischen Welthaltung, die aus jedem der Befunde seiner Kindheitsautobiographie "Lenin kam nur bis Lüdenscheid" spricht.
"Als ich Kind war, dachte ich, dass alle Amerikaner böse sind, mit Ausnahme der Neger." Sommer 1968 ist das Kind drei Jahre alt. "Wenn ich laufe, soll ich rufen: Ho-Ho-Ho-Tschi-Minh." Dann läuft es sich besser und schneller, sagt die Mutter. So weit, so gut. Widersprüchlichkeiten aber gibt es daheim zuhauf. Im Prinzip darf zwar jedes der Kinder, antiautoritärer Erziehungsmaxime folgend, machen, was es will, tatsächlich allerdings sind viele Dinge untersagt. Hygiene gilt als repressiv, weshalb Zähne nicht geputzt und die nach Fischkot stinkenden Becher zum Reinigen der Aquarien verwendet werden. Coca-Cola und Comics sind verpönt - bis auf Asterix, weil da die Römer (wie die Amerikaner) als Besatzungsmacht auftreten und von den Galliern ständig vorgeführt werden. "Schmuddelkinder" seien sie, schärfen die Eltern den Kindern ein, weshalb der Garderobenbesuch nach dem Konzert des Liedermachers Franz Josef Degenhardt obligatorisch ist.
Auch der launige Dokumentarfilm nach Prechts Buch arbeitet mit dem Prinzip der großen Verwirrung durch gleichzeitige Präsentation höchst unterschiedlichen Bilderbogenmaterials. Allerbanalstes, dem Kind gleichwohl unendlich wichtig Erscheinendes, und gesellschaftspolitisch Brisantes stehen direkt nebeneinander. Seine Unterhaltsamkeit verdankt "Lenin kam nur bis Lüdenscheid" daneben Prechts Kommentar, der den Film als Voice-Over mit einer Erzählerstimme begleitet, die an Armin aus der "Sendung mit der Maus" erinnert. En passant wird das Rätsel beantwortet, warum die Prechts damals nicht rübergegangen sind. Vater Hans-Jürgen, der im Film ausgiebig über seine damalige Weltsicht berichtet, war Formgestalter - und als solcher in der DDR überflüssig. "Wahrscheinlich braucht man da keine Designer - weil alles schon so schön und ordentlich ist", denkt das Kind im naiven Schulterschluss mit den Linken, die zu dieser Zeit den Genossenkreis seiner Eltern bilden.
Schön und ordentlich und ein wenig nostalgisch ist vor allem der idyllische Schluss der für den deutschen Fernsehpreis nominierten Dokumentation, wenn sich die inzwischen in alle Winde verstreuten Familienmitglieder zum trauten Festmahl im dänischen Ferienhaus treffen. Dass sich die Mutter Precht, die zum ersten Mal in historischer Distanz ins Bild kommt, im Film als Einzige nicht aufklärend äußern wollte, ist allerdings wirklich schade - womöglich aber auch höchst bezeichnend. HEIKE HUPERTZ
Lenin kam nur bis Lüdenscheid lief im Ersten. F.A.Z., 23.06.2009 //
Der Hang zum Totalitären, Fanatischen, Radikalen ist etwas Archaisches, das alle Religionen und "Sekularreligionen" pflegen oder gepflegt haben. Es ist eine Weiterung des Kausalitätsprinzips, das das Gehirn pausenlos in allen Phänomenen sucht und, bei seiner sehr beschränkten Aufnahmefähigkeit, oft unzulässig annimmt. Der Hominide vermutet in Blitz und Donner Jupiter oder Rumpelstilzchen so wie manche Physiker komplexe Wettererscheinungen monokausal mit dem guten CO2 in Verbindung bringen (bei den meisten Physikern dieser Art handelt es sich aber wohl nur um einen Geldeinwerbetrick).

- Je unfaßbarer die Phänomene, desto größer die Lust zur Differenz, denn jeder gute Prophet findet natürlich andere, bessere, reinrassigere, kausalere, heiligere, radikalere Ursachen: "Reformation der Reformation.
Ein Tag im Leben Calvins in Genf und einige Jahrhunderte im Zeichen des neuen Glaubens in Berlin
13. Juni 2009, Neue Zürcher Zeitung
Zwei sehr unterschiedliche Ausstellungen, eine in Genf, eine andere in Berlin, rücken Calvin und den Calvinismus, aus Anlass des 500. Geburtstages des Reformators, in den Blick. Uwe Justus Wenzel
Als Mitte des 16. Jahrhunderts in London Anhänger der neuen Konfession sich auf ihn namentlich beriefen, bat Jean Calvin die Glaubensgenossen in einem Brief, «aus mir kein Idol zu machen und aus Genf keine Art Jerusalem». Ein Bild des Reformators haben sich indes schon damals viele gemacht, seine Widersacher nicht weniger als seine Anhänger. Schmähbilder und Respekt bezeugende Porträts sind in grosser Zahl entstanden. Das Bedürfnis der sichtbaren Vergegenwärtigung einer historischen Gestalt will offenbar auch heutigentags, zumal im Jahr des fünfhundertsten Geburtstages Calvins, befriedigt sein. Ein Reformator aus dem Labor
Das noch junge Genfer Reformationsmuseum versucht den Bilderhunger sogar auf der Höhe der Zeit und mit avancierter Technologie zu stillen. Es hat die örtliche Universität, genauer: das auf Computersimulationen und «mixed reality» spezialisierte Laboratorium «Miralab», um Hilfe gebeten. Virtuell und dreidimensional, historisch korrekt gewandet und sprechend zeigt sich nun der bärtige Mann, den manche als «Ajatollah von Genf» verunglimpfen, in mehreren Kopien dem Besucher. Der beinahe Leibhaftige tut dies in «Pavillons» genannten Guckkästen, die ein wenig an Kasperletheater erinnern; nicht in allen allerdings ist die Virtualität elektronischer Natur. Acht Boxen sind es an der Zahl; in ebenso viele Etappen gliedert sich «Une journée dans la vie de Calvin». Zwischen Morgengebet (vier Uhr) und Abendmeditation (einundzwanzig Uhr) gibt es an einem sozusagen idealen Tag im Leben des arbeitsamen, glaubensfesten und sittenstrengen Geistlichen einiges zu tun.
Calvin predigt um sieben in der Kathedrale Saint-Pierre (über das Buch Hiob); um neun spricht er mit dem seiner Hinrichtung auf dem Scheiterhaufen entgegensehenden «Häretiker» Michel Servet und versucht, nicht recht überzeugend, seine Hände in Unschuld zu waschen; um elf waltet er seines Amtes als Präsident des Konsistoriums, das über die Sitten der Gemeindemitglieder wacht und an diesem Tag die renitente Tochter eines Kaufmanns zur Rede stellt, die das allgemeine Tanzverbot missachtet haben soll (worauf drei Tage Gefängnis stünden); um vierzehn Uhr beginnt Calvins Vorlesung am Kolleg, in dem der Priesternachwuchs ausgebildet wird; um sechzehn Uhr erblickt man den «Netzwerker» am Schreibtisch, den Briefeschreiber, der europaweit korrespondiert; um achtzehn Uhr nimmt er im Freundeskreis das – seiner Migräne und seines schwachen Magens wegen nicht allzu üppige – Nachtessen ein. Der Tag endet für Calvin in der Zwiesprache mit seinem Schöpfer – und nicht ohne dass er noch einmal sein in fortdauernder Überarbeitung begriffenes Hauptwerk, die «Institutio christianae religionis», wohlgefällig zur Hand genommen hätte.

Ein Reformator im europäischen Kontext
Die – nicht erst heute – befremdende Seite des Reformators wird offenkundig nicht ausgeblendet; vielleicht schleicht sich sogar etwas Ironie ein in die Genfer Installationen. Aber das Ganze bleibt gleichwohl recht blass; und dies nicht so sehr, weil die – gewiss raffiniert erzeugte – Trickfigur, in der Calvin wiederaufersteht, farblos, grau in grau, gezeichnet ist. Der Gehalt des Dargebotenen ist schlicht zu schlicht für eine Sonderausstellung im Jubiläumsjahr und im Herzen der Reformation. Das vermag der hübsch gestaltete Katalog, mangels weiterführender Erläuterungen, nicht zu kompensieren. So droht aus dem «Calvin für alle», den die Ausstellung zeigen zu wollen scheint, einer für keinen zu werden. Die Räume und die historischen Bestände des Musée international de la Réforme immerhin sorgen dafür, dass der Besucher seine Reise nach Genf nicht bereut.
Auch das Reformationsdenkmal, das wahrlich monumentale Genfer Monument, zu dem der Grundstein 1909, im Jahr des vierhundertsten Geburtstages des französischstämmigen Glaubensflüchtlings Jean Calvin, gelegt worden ist, gewinnt – im Vergleich mit den animierten Pixeln in den Guckkästen – an historischer Substanz. An der Genfer «Mauer der Reformatoren» liest die weit ausgreifende Calvinismus-Ausstellung des Deutschen Historischen Museums in Berlin (in die auch Exponate aus Genfer Beständen Eingang gefunden haben) ihren Auftrag ab. Wie deren Kuratoren, Ansgar Reiss und Sabine Witt, erklären, soll die Schau tun, was das Genfer Denkmal, das Calvin in eine Reihe mit seinen Mitstreitern Guillaume Farel, Theodor Beza und John Knox stellt und ihn nur unmerklich hervorhebt, auf seine Weise auch tut: das Wirken Calvins in die gesamte reformatorische Bewegung einbetten. Die Strahlkraft des französischen Reformators, der auch – vielleicht nicht ganz so stark wie Luther die deutsche – die französische Sprache belebt hat, reichte bis nach Schottland, Polen, Ungarn und Siebenbürgen.
«Die Reformierten in Deutschland und Europa», wie der Untertitel der Berliner Ausstellung lautet, ist auch insofern das ergänzende Gegenstück zu derjenigen in Genf, als sie – klassisch – auf die Macht der Dinge, die Aussagekraft der historischen Zeugnisse also, und auf die Aura der Vitrinen vertraut. Klassisch darf man freilich auch die – unvermeidliche – Mühe nennen, die geschichtlich Unbewanderten es bereiten dürfte, der Fülle des Gezeigten einen Überblick und den Details ihre Bedeutung abzugewinnen. Wer sich vor dem Rundgang durch die acht Abteilungen den bilder- und lehrreichen, mit einführenden Texten wie mit hintergründigen Aufsätzen aus der Feder ausgewiesener Fachleute gut bestückten Katalog zu Gemüte führte, hätte gewiss mehr von der Expedition in Zeiten und Räume, Kulturen und Glaubenswelten, die heute selbst manchen Reformierten fern sein dürften. – Im Raum der Vorgeschichte («Glaubensunruhe») weist eines der ersten Ausstellungsstücke einen Weg, der voller Blutspuren ist: eine Streitaxt der Hussiten aus dem 15. Jahrhundert, in die der Kelch für die Laienkommunion eingraviert ist – das Symbol der Anhänger des böhmischen Kirchenkritikers Jan Hus, der auf dem Konzil von Konstanz 1415 den Flammentod erlitt. Mit derlei Äxten setzten sich die aufständischen Hussiten gegen die Ritterheere des Papstes zur Wehr. Drei Abteilungen und bald zwei Jahrhunderte später sticht ein Richtschwert ins Auge, mit dem der kursächsische Kanzler Nikolaus Krell am 9. Oktober 1601 vom Leben zum Tode befördert wurde. Krell gehörte zu den Calvinisten, mit denen sein ursprünglich lutherischer Landesherr sympathisierte. Nach dessen Tod gewann die lutherische Orthodoxie die Oberhand – was Krell schliesslich das Leben kostete.

Permanente Reformation
Der Spaltpilz hat in der Christentumsgeschichte zu unzähligen – oft gewaltsamen – Zellteilungen geführt. Auch die Calvinisten selbst, zumal in den Niederlanden, wurden untereinander uneins. Die Spaltungen und die politisch-militärischen Allianzen, die Europa im Zeitalter der Konfessionalisierung prägten, bilden einen Schwerpunkt der Ausstellung. Deutlich wird an einigen Stellen, dass sich, jedenfalls in deutschen Landen, die Anhänger Calvins als Reformatoren der – lutherischen – Reformation, als deren Vollender begriffen. Fast alle Territorien, deren Fürsten sich dem Calvinismus öffneten, waren – worauf Eike Wolgast in einem instruktiven Essay im Katalog hinweist – zuvor vom Luthertum geprägt gewesen. Was die reformierte Theologie für Territorialherren anziehend erscheinen liess, so noch einmal Wolgast, sei wohl «die grössere Rationalität sowohl in der Dogmatik als auch im praktischen Vollzug» gewesen. Den Untertanen scheint diese Rationalität nur selten sofort eingeleuchtet zu haben, auch deswegen wohl, weil sie mit einer «Entemotionalisierung» des Gottesdienstes einherging. Es kam immer wieder zu Volksaufständen gegen die Einführung des reformierten Bekenntnisses, aber – natürlich – auch zur Opposition vonseiten lutherischer Geistlicher. Volksbildnerische Arbeit war mithin allenthalben zu leisten, um den neuen Glauben in die Seelen zu pflanzen.
Aber für die, die das Bekenntnis abgelegt hatten und in einer «calvinistischen» Welt lebten, war die Arbeit noch nicht zu Ende. Die Reformation der Reformierten ist eine permanente und günstigenfalls eine Selbstreformation, wie die «Kirchenzucht» erkennen lässt. Bei Ehestreitigkeiten sah sie – in Bern und anderswo – mitunter vor, die verkrachten Eheleute in eine Zelle zu sperren, wo sie aus einer gemeinsamen Schüssel ihr Essen löffeln und so lange bleiben mussten, bis sie sich versöhnt hatten.

Une journée dans la vie de Calvin. Musée international de la Réforme, Genf. Bis 1. November 2009. Calvinismus. Die Reformierten in Deutschland und Europa. Deutsches historisches Museum, Berlin. Bis 19. Juli 2009. Der gleichnamige Katalog (Sandstein-Verlag) kostet in der Ausstellung € 25.– und im Buchhandel € 48.–. // Wanderer, kommst Du nach Berlin oder Genf, bringe mir bitte einen Katalog mit.

- "The improver of natural knowledge absolutely refuses
to acknowledge authority, as such. For him, scepticism
is the highest of duties; blind faith the one unpardonable sin."
Thomas H. Huxley

Dienstag, 23. Juni 2009

Teheraner Klerikalfaschismus

- " Ich bin Neda
Der Mord an einer jungen Frau zeigt der ganzen Welt, was in Teheran geschieht.
"I am Neda" steht auf Plakaten von Demonstranten in Los Angeles. "#Neda" schreiben Tausende Twitterer in ihren Beiträgen. "Neda, bleib bei mir!", schreit ein Mann in Teheran. Zwischen den Ereignissen liegen 12 210 Kilometer und weniger als vierundzwanzig Stunden.
Neda ist tot. Sie starb an einer Schussverletzung am Samstagmorgen. Nur wenige Stunden später stand ein Video auf Youtube, auf dem ihre Ermordung zu sehen ist: Ein Schuss trifft die junge Frau in den Brustkorb, sie stürzt zu Boden. Zwei Helfer versuchen vergebens, die Blutung zu stoppen. Neda stirbt binnen einer Minute.
Wie bei allen Informationen, die aus Teheran über Kanäle wie Twitter, Facebook oder Weblogs kommen, ist es schwierig bei der Geschwindigkeit, mit der sich die Bilder und Texte verbreiten, sie auf ihren Wahrheitsgehalt hin zu püfen. Doch manche Bilder und Videos sprechen für sich, man glaubt den Absendern.

Auf die Videoplattform Youtube wurde die knapp vierzig Sekunden lange Handyaufnahme von der Ermordung der jungen Frau in Teheran noch am Tag ihres Todes gestellt. Das ist im Nachhinein zu erkennen. Per Twitter wurde der Link schnell verbreitet. Das konnte man live verfolgen. Wer im Laufe des Sonntags bei dem Mikrobloggingdienst den Hashtag (Twitter-Schlagwort) "#Neda" eingegeben hat, bekam sekündlich Dutzende neue Tweets. Schnell tauschten Nutzer auf ihrem Account das eigene Bild mit einem stilisierten Foto der toten Neda. Die Bilder von ihrem Tod gingen noch am selben Tag durch die Medien. Fernsehsender wie CNN, Al Dschazira, die BBC und auch die deutschen Sender zeigten die Youtube-Bilder, bisweilen machten sie das Gesicht der jungen Frau unkenntlich. An der Echtheit der Bilder hatte schnell niemand mehr Zweifel.

Die Informationen über Neda fließen etwas langsamer: Neda Mahdavi Agha Soltan heißt die Getötete mit vollem Namen. Sie war 26 Jahre alt und studierte Philosophie. Augenzeugen berichten, sie sei mit ihrem Professor am Samstagmorgen auf einer Demonstration im Teheraner Stadtteil Abbas Abad gewesen. In manchen Tweets ist aber auch zu lesen, der Mann an ihrer Seite sei ihr Vater. Zwei Basidschis - die gefürchteten "Religionswächter" - fuhren mit ihren Motorrädern auf sie zu und erschossen sie mit einem Revolver. Andere Augenzeugen aus Teheran schreiben, "sie wurde von einem Basidschi erschossen, der sich auf dem Dach eines Wohnhauses versteckt hatte".

Zu den Ereignissen vor Nedas Tod gibt es auch ein Video. Es zeigt einen der Männer, der auf dem Video von ihrem Tod zu sehen ist. Neben ihm steht die verschleierte Neda. Als sich die Demonstration langsam auflöst, bekommt die Studentin offensichtlich einen Anruf. Sie bleibt hinter der Menschenmasse zurück.

Neda wurde am Sonntag, an dem Tag, als sie zur Ikone der Widerstandsbewegung in Iran wurde, auf dem Zentralfriedhof Behesht Zahara beerdigt. Eine kurzfristig angesetzte Gedenkveranstaltung, die am Sonntagabend in der Nilufar-Moschee im Stadtteil Abbas Abad stattfinden sollte, wurde wieder abgesagt.

Unter iranischen Oppositionellen und in den Medien der westlichen Welt gibt es an einer Sache keine Zweifel: Neda ist die Ikone des Widerstands. Eine unschuldige, wehrlose Frau wird auf offener Straße kaltblütig erschossen. Diejenigen, die sich den Videofilm angesehen haben, konnten in ihr Gesicht schauen, in das Gesicht einer Frau, deren Leben binnen Sekunden erlischt. An ihren Blick werden sich die Menschen von nun erinnern, wenn sie an Mahmud Ahmadineschad und das iranische Regime denken. Der Tod der Studentin ist ein Fanal, er steht auch für die Opfer, die wir in Bildern nicht sehen, mit keinem Zensurmittel der Welt wird Ahmadineschad diesen Eindruck revidieren. Das Video zeigt die Willkür einer Gewaltherrschaft, deren religiöse Rhetorik nichts als Camouflage ist. Am Montagnachmittag sollte in Teheran eine Gedenkkundgebung für Neda Mahdavi Agha Soltan stattfinden. MARCO DETTWEILER
Text: F.A.Z., 23.06.2009
- - Im Rotfunk kommentiert der Altlinke Nirumand, seinerzeit SDS, dann Schahgegner und Chomeini-Unterstützer. Das erinnert an den Berliner BVG-Streik, in dem KPD und NSDAP gemeinsam gegen die Weimarer Demokratie kämpften.

- Konsum-Index GfK steigt von 2,6 auf 2,9 , Einzelhandelsumsatz aber unter Jahresvergleichsniveau.
- IFO-Index zum 3. Mal hintereinander gestiegen.

- 4. Zecke, 13-20°C

Montag, 22. Juni 2009

Ben Kiernan: Erde und Blut. Völkermord und Vernichtung von der Antike bis heute.



Die 19jährige Neda stirbt offenbar durch einen Scharfschützen inmitten einer Demonstration in Teheran

13-21°C tr

- Weltgeschichte des Massenmords: Tödliche Konstanten, Das politische Buch, Neue Zürcher Zeitung, 13. Juni 2009
Ben Kiernan über den Völkermord in der Weltgeschichte und seine wiederkehrenden Motive
Thomas Speckmann

Genozid und Massenmord sind Begriffe der Moderne. Aber die Tat als solche ist so alt wie die Menschheit. «Am Anfang der Welt war nur Mord und Totschlag», schrieb schon 1559 der portugiesische Jesuit Manuel da Nóbrega. Seine Behauptung stützen heutige Prähistoriker, die vermuten, dass die Vorfahren des neuzeitlichen Menschen in Europa die Neandertaler ausgerottet haben. Archäologische Befunde deuten auf die Möglichkeit hin, dass auch in der Steinzeit lokale Gemeinschaften von rivalisierenden Gruppen regelrecht vernichtet worden sind.
So deponierten «Jäger und Sammler» vor über fünftausend Jahren in einer Region des heutigen Deutschland die Schädel von vierunddreissig Männern, Frauen und Kindern sorgfältig arrangiert in einer Höhle. Archäologen fanden diese Trophäen in Gruppen angeordnet. Die meisten wiesen Spuren von mehrfachen Hieben mit Steinäxten auf. Auch der Ackerbau ab der Jungsteinzeit zivilisierte den Krieg nicht. Im Gegenteil: Überschüsse an Nahrungsmitteln ermöglichten erst eine systematische Kriegführung. Forschungen der letzten Jahrzehnte nähren den Verdacht, dass die gut versorgten Ackerbaugesellschaften noch stärker als die prähistorischen Jäger zum Mittel des Massenmords gegriffen haben.

Ben Kiernan, aus Australien stammender, renommierter Historiker, hat einen grossen Wurf über Völkermord in der Weltgeschichte vorgelegt, der alles hat, was ein Standardwerk braucht. Der Gründungsdirektor des «Genocide Studies»-Programms der Yale University arbeitet systematisch die wiederkehrenden Muster und Motive heraus, die in allen Fällen zu beobachten sind: Rassismus und religiöse Vorurteile, die Verklärung der Vergangenheit, Expansionsbestrebungen und nicht zuletzt eine Idealisierung der Beziehung zum Boden, der einer bestimmten Gruppe exklusiv gehören soll. So sieht selbst zu Beginn des 21. Jahrhunderts ein «postmoderner», kommerziell-terroristischer Akteur wie al-Kaida seine Mission darin, «antike» Kämpfe in einem zeitgenössischen Kontext weiterzuführen: Ein ethnisch reines, agrarisches Utopia soll auf den Gräbern der Opfer der Kriege von ehedem errichtet werden.

Kiernan schildert, wie die frühneuzeitliche Wiederentdeckung der Vernichtung Karthagos durch Rom wiederholt der Anlass zu Vergleichen mit dem Schicksal der eingeborenen Opfer der kolonialen Eroberungen war. In Irland und Mexiko stellten Beobachter sogar die Hypothese auf, die unglücklichen Eingeborenen seien die Nachfahren der aus ihrer Heimat vertriebenen überlebenden Karthager. Und 1692 verfolgte die englische Krone in den schottischen Highlands gegenüber dem MacDonald-Clan eine Politik mit dem Ziel, ihm das Schicksal Karthagos zu bereiten. Auch Adolf Hitler bezeichnete die römische Geschichte als «die beste Lehrmeisterin» und den Untergang Karthagos als «die schreckliche Darstellung einer (. . .) langsamen selbstverschuldeten Hinrichtung eines Volkes».

In der wesentlich früher auftretenden Metapher eines Gartens Eden, ob als unberührte ethnische Domäne, unbewohntes pastorales Idyll oder überlegene Agrarwirtschaft, macht Kiernan eine weitere Konstante im Muster der Motive für Massenmorde aus. Jene Metapher bot sich einer Reihe von Tätern an, von den spanischen Kolonisatoren der Neuen Welt und ihren englischen Zeitgenossen über die Nationalsozialisten bis zu al-Kaida. Der Mythos eines – vermeintlich – unberührten, unbewohnten Landes spielte jeweils eine Schlüsselrolle bei der Vertreibung und Vernichtung seiner bisherigen Bewohner. Dies galt auch für die Fixierung der neuzeitlichen Siedler auf die Kultivierung des Landes und ihre Neigung, es im Ganzen in Besitz zu nehmen, ohne den einheimischen Menschen ein eigenes Territorium zuzugestehen.

Reinheitswahn
Trotz der globalen Urbanisierung im 20. Jahrhundert hielt der «Musterbauer» Einzug ins ideologische Arsenal der Massenmörder: Die Nationalsozialisten benutzten 1943 den Begriff «vorbildliche Bauern», um die deutschen Siedler in den südrussischen Steppen aufzuwerten, und beförderten sogar Deutsche aus Ostafrika als «überlegene» Bauern in einen «Musterbezirk», den sie von Polen annektiert hatten. 1976 siedelten die Roten Khmer, deren Schreckensherrschaft Kiernan bereits in mehreren Studien beschrieben hat, «Musterbauern» aus der Südwestzone Kambodschas in den weniger loyalen, unterbevölkerten Nordwesten um. Vier Jahre später begann Indonesiens Militärregime, «Musterbauern» von Bali in das besetzte Osttimor zu schicken. Und ab 1983 richtete die mörderische Diktatur in Guatemala «Musterdörfer» für ihr genehme überlebende Ackerbauern ein. Für die eigenen Musterbauern gebrauchte schliesslich Rwandas Habyarimana-Regime den Begriff «fortschrittliche Bauern».

Auch der islamistische Terrorismus der Gegenwart basiert nach Kiernans luzider Genozid-Analyse auf jahrhundertealten Gewaltmotiven. Obsessive Vorstellungen von Reinheit und Verschmutzung verstärken seit je den Rassismus, der einem Völkermord Vorschub leistet. Viele Täter bedienen sich biologischer Metaphern, um Massaker zu rechtfertigen. 1641, während der irischen Rebellion, begründete der englische Kommandeur Sir Charles Coote seinen Befehl, nicht nur irische Frauen und Männer, sondern auch Kinder von über neun Zoll Körpergrösse zu töten, mit der Redensart «Töte die Nissen, und du hast keine Läuse». Im 19. Jahrhundert kam diese Parole im australischen Busch und im nordamerikanischen Westen erneut auf, als gängiger Aufruf zum Töten von Aborigines und Indianern. Auch die Nationalsozialisten verglichen ihre jüdischen Opfer mit «Läusen»; und al-Kaida bezeichnet die Schiiten als einen «Krankheitsherd».

Kiernan ermahnt uns, die Diagnose der wiederkehrenden Ursachen und Symptome von Massenverbrechen als notwendige Voraussetzung für Heilung und Prävention zu begreifen. Das Fundament dazu hat er mit seiner aufsehenerregenden Studie gelegt, die den historischen Vergleich ohne Scheuklappen wagt.

Ben Kiernan: Erde und Blut. Völkermord und Vernichtung von der Antike bis heute. Aus dem Englischen von Udo Rennert. Deutsche Verlagsanstalt, München 2009. 911 S., Fr. 84.90.

- Teheran: Das klerikalfaschistische Regime läßt offenbar von versteckten Scharfschützen auf Demonstranten schießen, das scheinen Amateurvideos zu belegen, eines zeigt z.B., wie eine junge Frau auf dem Pflaster stirbt.

- Rechtsreligion Islam: - Islam live: " Säureattentat. Auge um Auge. Ameneh Bahrami wurde Opfer eines Säureattentats, weil sie einen Heiratsantrag abgelehnt hatte. Ihr Gesicht wurde von der Säure zerfressen. Sie ist seitdem blind. Nun will sie dem Mann, der ihr das antat, das Augenlicht nehmen. ... 'Nach der Scharia sind zwei Augen einer Frau nur eins eines Mannes wert.' ... noch 20.000 € dazubezahlen müsse, wenn sie auch das zweite Auge wolle. ... " FAZ 5.3.09

Sonntag, 21. Juni 2009

Sommeranfang? Technik: McCormick




Cyrus McCormick

Kühl oder warm, der Weißklee hat seinen Charme

Sommeranfang kalendarisch: 13° um 12° Sch; wahrscheinlich muß die Masse der mündigen Bürger anfrieren, ehe sie den Physikerblödsinn einer Klimaerwärmung durch CO2 als solchen erkennt.

- Die Technik vor allem und der Wettbewerb haben den europäischen/neueuropäischen-amerikanischen Wohlstand geschaffen, wobei der asketische Calvinismus noch eine gewisse Rolle spielt, wie man an den recht verschiedenen Entwicklungen Nord- und Südamerikas ablesen kann (das wohlhabende Südamerika ließ nur katholische Einwanderung zu, der bitterarme Norden wurde von Protestanten besiedelt : " Cyrus McCormick erhält das Patent für eine Mähmaschine: 21. Juni 1834
Das Mähen von Gras und Getreide war früher eine der anstrengendsten Arbeiten in der Landwirtschaft. Deshalb waren die amerikanischen Farmer begeistert, als der Erfinder Cyrus McCormick ihnen 1831 seinen „Virginia-Reaper“ vorstellte, eine Mähmaschine, die bereits mit Fingern und einem Sägemesser ausgestattet war.Nach weiteren Verbesserungen ließ sich Cyrus McCormick seinen „Virginia-Reaper“ 1834 patentieren.
Für die Bauern bedeutete die von Pferden gezogene Mähmaschine eine gewaltige Arbeitserleichterung. Und der amerikanische Außenminister William H. Seward sagte damals, dass sich wegen der Erfindung des „Virginia-Reepers“ die Linie der Zivilisation pro Jahr dreißig Meilen westwärts bewegt.
Heute haben Mähmaschinen Arbeitsbreiten von bis zu 14 Metern und Arbeitsgeschwindigkeiten von 15 bis 20 Stundenkilometer." Zz McCormick engagierte sich aktiv in der presbyterianische Kirche und gründete das McCormick Theological Seminary in Chicago.
- - Was dagegen hat die Philosophische Fakultät zu Europa beigetragen? In der Zeit McCormicks zum Beispiel den Historismus, die Einsicht in die zeitlich Bedingtheit der Dinge, der Geschichte, der Völker. Fichte zum Beispiel schwafelte vom deutschen Wesen, anderswo war es die Grande Nation und flugs stand man in den Schützengräben. McCormick hatte nur drei Jahre eine Grundschule besucht, daher brachte er es nie zu den Schwafelleistungen eines Fichte und anderer in Europa (in China und Japan, überall gab es Vergleichbares).

- Süddeutsche und WDR, das paßt wie Habermas zu Adorno: wie SZ-Leyendecker "Wirtschaftsinteressen"sagt, so Habermas "Spätkapitalismus". Sie leben ja auch auf die gleiche Weise: der eine steuerfinanziert, der andere nährt sich von Zwangsgebühren, der dritte wird von den beiden anderen getragen: die Süddeutsche ist das Zentralorgan der Frankfurter Oberschwätzer.

- Die Arbeit tun die anderen: "Die Leistungen der Gründergeneration
In dem Leitartikel "Der Hysterikerstreit" von Majid Sattar (F.A.Z. vom 10. Juni) kann man meiner Meinung nach mehreres kritisch in Frage stellen. Ich möchte mich aber darauf beschränken, nachdrücklich zu widersprechen, wenn er schreibt: "Die junge Bundesrepublik hatte gewiss viele Verdienste, die die Studenten seinerzeit nicht sehen wollten. Und die junge Bundesrepublik hatte gewiss viele Versäumnisse, die das damalige Establishment nicht eingestehen wollte."
Damit entsteht der Eindruck, als hätten sich Verdienste und Versäumnisse die Waage gehalten. Das wäre eine grobe Ungerechtigkeit gegenüber den deutschen Patrioten, die von 1949 bis 1968 für den Aufbau und Ausbau unseres freiheitlich-demokratischen Rechtsstaats gearbeitet haben.
Zu ihren Verdiensten gehören so großartige Leistungen wie das deutsche Wirtschaftswunder auf den Trümmern unseres kriegszerstörten Landes, die Integration von acht Millionen Heimatvertriebenen und umfangreiche Maßnahmen zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts; weitere historische Leistungen waren die Wiederherstellung unseres internationalen Ansehens und insbesondere die gleichberechtigte Mitwirkung bei der Gründung der Europäischen Gemeinschaften. Es würde mich interessieren, welche demgegenüber auch nur annähernd ins Gewicht fallenden Versäumnisse Sattar der "jungen Bundesrepublik" vorwirft.
DR. JOACHIM GRAF SCHIRNDING, BONN, LB 18.6.09

Samstag, 20. Juni 2009

Gespenster im deutschen Wald


Liliencron

15°C um 15h

- Noch immer erwartet:
Schöne Junitage

Mitternacht, die Gärten lauschen,
Flüsterwort und Liebeskuß,
Bis der letzte Klang verklungen,
Weil nun alles schlafen muß -
Flußüberwärts singt eine Nachtigall.

Sonnengrüner Rosengarten,
Sonnenweiße Stromesflut,
Sonnenstiller Morgenfriede,
Der auf Baum und Beeten ruht -
Flußüberwärts singt eine Nachtigall.
(...)
Detlev von Liliencron (1844-1909)

- Kleine Eiszeit in Bamberg: Am 27.2.1784 gab die Seesbrücke den Eismassen auf der Regnitz nach. Friedrich Rübner hielt das Eisunglück im Bild fest. (FAZ 18.6.09)

- Aussichten auf den Naturschutz
Gespenster im deutschen Wald
17. Juni 2009 Zum Thema Naturschutz gibt es, was die Details angeht, viele Meinungen, seine Notwendigkeit dürfte aber niemand abstreiten. Dabei liegt in den Begriffen Natur und Schutz ein unüberwindlicher Antagonismus. In der Natur gibt es keine Konstanten, vielmehr ist der Wandel ihre wesentliche Eigenschaft. Das Nachhaltigkeitsprinzip als Schlagwort der Naturschutzdebatten geht am Kern der Problematik vorbei, meint der Pflanzenökologe und Geobotaniker Hansjörg Küster: Es gebe keine "Normalzustände" des Klimas oder des Waldes, folglich werden Versuche, Stabilitäten herzustellen, zu einem Kampf gegen Windmühlen. Naturschutz leidet nach Ansicht Küsters zum einen an seiner Bezeichnung: Der Begriff Naturschutz führe zu grundlegenden Missverständnissen - als müsse da etwas in ewig unveränderter Form erhalten werden. Der andere große Mangel liege in einer fehlenden gemeinsamen Wissensbasis; man wisse im Grunde zu wenig über die Situation, von der alle reden.
Die Bewahrung liegt dem Menschen indes im Blut. Die erste Bevölkerungsexplosion der Menschheit verdankt sich dem Anbau von Kulturpflanzen und den Anfängen der Agrarlandschaft. Was den Menschen auszeichnet, ist die Überwindung der Wachstumsgrenzen, er schlägt Perioden der Stabilität in den unaufhaltsamen Wandel der Natur. Die Zivilisation wird das Erfolgsmodell, und sie ist, wie Hansjörg Küster so bestechend kurz wie konzise ausführt, eine Geschichte der Landschaft (Hansjörg Küster: "Schöne Aussichten". Kleine Geschichte der Landschaft. Verlag C.H. Beck, München 2009. 127 S., br., 7 Abb., 12,- [Euro]). Die Landschaft beschreibt Küster als ein in Jahrtausenden gewachsenes und weiter wachsendes Geschichtsbuch. In ihr verbinden sich historische, kulturelle und naturwissenschaftliche Perspektiven, kommen auch individuelle und kollektive Erinnerungsbilder ins Spiel.
In der Landschaft zu lesen schult eine Erkenntnisfähigkeit, die Zusammenhänge von einem erhöhten Blick aus gewinnt, der Distanz und Empfindung miteinander verbindet. Mit Petrarcas berühmter Besteigung des Mont Ventoux lässt Küster das Nachdenken über die Landschaft beginnen. Alles, was der Mensch in seiner Umgebung wahrnimmt und in einen Zusammenhang stellt, ist Landschaft. Diese Einsicht spiegelt sich im Kleinen auch in der Konzeption von Gärten wider, wo Terrassen, Torbögen und Hügel für veränderte Aussichten sorgen.
Hier werden Elemente der Natur und Elemente der Kultur in einer Zusammenschau sichtbar. Küsters Landschaftsgeschichte enthält so ganz nebenbei auch eine Wissenschaftskritik. Heute läge der Schwerpunkt zu Unrecht auf naturwissenschaftlichen Methoden. Eine adäquate Betrachtung des Phänomens Landschaft verlangt aber auch nach geisteswissenschaftlich geprägter Analyse, denn es ist maßgeblich von kulturellen Faktoren bestimmt.
Küster nimmt dabei vor allem Metaphern in den Blick, wie die der "guten alten Zeit", die es zu bewahren gilt. Das nostalgische Urbild des wilden deutschen Waldes wird zum Paradebeispiel für eine fehlgeleitete Überlieferung. Die vorgebliche Wildnis des Waldes war mitnichten der Urzustand der Landschaft. Seine Ausbreitung wurde vielmehr erst mit der Industrialisierung und den technischen Mitteln zur Aufforstung möglich. Nun will man den wilden Wald vor eben jener Industrie bewahren, die ihm erst das Wachsen ermöglicht hatte. Der Ökologe führt vor, wie leicht aus solch einer Fehlinterpretation der Zusammenhänge eine ideologische Figur werden kann. Die Erhabenheit der Wildnis wurde den Nationalsozialisten zum schützenswerten Gut, genauso wie die "deutsche Landschaft".
Wenn persönliche und subjektive Landschaftserlebnisse als Naturschutz dargestellt werden, ist dies eine nicht zu unterschätzende Gefahr. Genau das macht ihn nach Küster interessant für totalitäres Denken. Der Naturschutz in seiner heutigen Form als Paradigma der Nachhaltigkeit habe seine Prägung nicht zuletzt im Dritten Reich erhalten. Bereits um 1900 wurde er als Ziel formuliert, bei dem es nicht um die Bewahrung dessen ging, was Natur eigentlich auszeichnet, nämlich Dynamik, sondern um die Schönheit von Landschaft, die sich nicht wandeln sollte.
Der Naturschutz war in seinen Ursprüngen ein rein kulturelles Anliegen, ohne jeglichen wissenschaftlichen Anspruch. Heute ist der einzige Konsens unter Naturschützern die Opposition gegen kommerzielle Ausbeutung. Die Zusammenhänge - zum Beispiel von Industrie und Natur - werden immer noch nicht hinreichend berücksichtigt. Küsters "Kleine Geschichte der Landschaft" ist eine lesenswerte Streitschrift für eine dringend notwendige Reformierung des Ökologieverständnisses, nicht nur für Experten, sondern für jeden, der um sich herum in die Landschaft schaut. GESINE HINDEMITH, FAZ 18.6.09

Freitag, 19. Juni 2009

Fragen der Kernenergie, Iran

- "Akademie aktuell
Öffentliche Veranstaltung "Fragen der Kernenergie"
am Freitag, 19. Juni 2009, 15.00 Uhr
Vor nahezu zehn Jahren vereinbarten die Bundesregierung und die Energieversorgungsunternehmen die „geordnete Beendigung der Nutzung der Kernenergie“. Heute müssen wir ernüchtert feststellen, dass die damals von manchen an den „Atomausstieg“ geknüpfte Hoffnung, möglichst viele andere Länder könnten dem Beispiel Deutschlands folgen und durch ähnliche Ausstiegsbeschlüsse das Risiko durch Kernkraftwerke verringern, sich nicht erfüllt hat. Vielmehr forcieren heute zahlreiche Länder Europas und der Welt den Ausbau ihrer nuklearen Kapazitäten, um ihre Versorgung mit elektrischer Energie dauerhaft zu sichern. Andere, die früher Ausstiegsbeschlüsse gefasst hatten, haben diese bereits wieder rückgängig gemacht oder sind dabei, dies zu tun.

Seit der ersten Konferenz „Atoms for Peace“ in Genf 1955 und der kurz danach erfolgten Gründung der internationalen Atomenergiekommission hat sich die deutsche Kerntechnik als außerordentlich sichere und zuverlässige Energiequelle erwiesen und somit zur Entspannung der Energie- und Umweltproblematik beigetragen. Nur durch weitere technische Entwicklung sicherer Kernreaktoren und neuer Entsorgungskonzepte für radioaktive Abfälle kann mittel- und langfristig die Sicherheit dieser Technik und damit ihre Akzeptanz in der Bevölkerung gewährleistet werden.

In dieser Veranstaltung sollen die wirtschaftlichen und technischen Aspekte einer zukunftsorientierten Kerntechnik beleuchtet werden. Die Akademie hofft, damit zur Versachlichung der Diskussion über die Kernenergie beitragen zu können.

Vorträge:

"Ist die Energieversorgung ohne Kernenergie sinnvoll?"
Professor Dr. Carl Christian von Weizsäcker, Bonn

"Neue Entwicklungen auf dem Gebiet der Reaktorsicherheit"
Professor Dr. Kurt Kugeler, Aachen/Jülich
Professor Dr. Hans J. Allelein, Aachen/Jülich

"Moderne Methoden zur Behandlung der radioaktiven Abfälle"
Professor Dr. Reinhard Odoj, Aachen/Jülich

Zusammenfassung
Professor Dr. Karl Friedrich Knoche, Aachen

- " Wer in Iran das Sagen hat
Vom Obersten Geistlichen Führer bis zur Theologenschule in Qom / Von Wolfgang Günter Lerch
15. Juni 2009 -Oberster geistlicher Führer: Die höchste Autorität im System der Islamischen Republik Iran ist der Oberste Geistliche Führer oder Revolutionsführer (rahbar-e enghelab). Gegenwärtig ist dies Ajatollah Ali Chamenei, der demnächst 70 Jahre alt wird. Sein Amt repräsentiert das wichtigste Prinzip des von Ajatollah Chomeini geschaffenen "Gottesstaates": die Herrschaft des obersten Religionsgelehrten (welajat-e faghih). Dies von Chomeini im irakischen Exil ausgearbeitete Prinzip ist, wie das gesamte Staatsmodell einer "islamischen Republik", einmalig in der Geschichte des seit mehr als fünfhundert Jahren schiitischen Iran. Der Oberste Geistliche Führer bestimmt die "Richtlinien der Politik" und ist Oberbefehlshaber sowohl der Armee als auch der Revolutionsgardisten (Pasdaran).

-Staatspräsident: Das Staatsoberhaupt Irans wird vom Volk für eine Periode von vier Jahren gewählt. Seine Macht ist dadurch gestärkt worden, dass man im Jahre 1989, nach dem Tod Ajatollah Chomeinis, das Amt des Ministerpräsidenten (nachost-e wazir - Premierminister) abschaffte und dessen Kompetenzen dem Staatspräsidenten zuschlug. Als Kandidat kann nur antreten, wen der Expertenrat für würdig befindet. Dieses Mal standen vier Kandidaten von ursprünglich mehr als vierhundert Bewerbern zur Wahl. Die vom Präsidenten vorgeschlagenen Minister müssen vom Parlament bestätigt werden.

-Expertenrat: Diese Organisation umfasst 86 Mitglieder aus dem schiitischen "Klerus" und wird alle acht Jahre vom Volk gewählt. Zur Wahl stehen freilich nur Kandidaten, die zuvor der fast noch einflussreichere Wächterrat zur Wahl gewissermaßen "freigegeben" hat. Der Expertenrat wählt den Obersten Geistlichen Führer oder Revolutionsführer, und zwar auf Lebenszeit. Gegenwärtiger Vorsitzender des Expertenrats ist Hodschatoleslam Ali Akbar Haschemi-Rafsandschani, der frühere Staatspräsident Irans, der vielen als pragmatisch eingestellter Politiker gilt. Rafsandschani gehört zudem einer der reichsten Händlerfamilien des Landes an und ist, wie andere Mullahs auch, eng mit diesen einflussreichen Basaris verbunden.

-Wächterrat: Der Wächterrat besteht aus sechs weltlichen Juristen und aus sechs Sakraljuristen (fuqaha), Kennern des islamischen Rechts, besonders der Dschaafari-Rechtsschule, die für die Zwölferschiiten verbindlich ist. Sie gilt als fünfte orthodoxe Rechtsschule des Islams. Seine Mitglieder werden vom Obersten Geistlichen Führer ernannt. Der Wächterrat überprüft die vom Parlament beschlossenen Gesetze oder eingebrachten Gesetzesvorlagen auf ihre Vereinbarkeit mit der Verfassung, also mit dem islamischen Recht. Da der Wächterrat auch die zur Parlamentswahl zugelassenen Kandidaten "siebt", ist er eine der mächtigsten Institutionen der Islamischen Republik.

-Parlament: Das Parlament (Madschles) umfasst insgesamt 290 Abgeordnete und wird vom Volk gewählt. Der Wächterrat trifft jedoch eine ihm genehme Vorauswahl unter den bisweilen mehr als 3000 Kandidaten. Die Legislaturperiode dauert vier Jahre. Die dort vertretenen "Parteien" sind eigentlich mehr "Richtungen" oder "Strömungen" politisch-religiöser Observanz innerhalb des Establishments. Ein Schlichtungsrat kann tätig werden, wenn es zu Diskussionen zwischen dem Parlament und dem Wächterrat kommt. Die ethnischen Minderheiten und die Frauen werden im Parlament durch einen Proporz berücksichtigt. Sprecher des Parlaments ist Ali Laridschani, der früher als Nationaler Sicherheitsberater mit dem Westen im Atomstreit verhandelte, bevor Präsident Ahmadineschad seinen Gefolgsmann Dschalili damit betraute.

-Pasdaran: Die Revolutionsgarden (sepah-e pasdaran) sind - im Unterschied zur regulären Armee - ein originäres Geschöpf der Islamischen Republik. Sie können als besonders regimetreu angesehen werden. Ihre Feuertaufe erhielten sie zwischen 1980 und 1988, also während des acht Jahre währenden, verlustreichen Krieges mit dem Irak, in dem sie die Elitetruppe stellten und teilweise einen hohen Blutzoll entrichteten. Viele Jahre lang war Mohsen Rezai Befehlshaber der Pasdaran; jetzt gehörte er zu den vier Präsidentenkandidaten, die sich zur Wahl stellten. Gegenwärtig wird diese "Prätorianergarde", auf deren Loyalität sich die Führung auch im Falle innerer Unruhen voll verlassen kann, von Mohammd Ali Dschafari geführt.

-Basidsch: Die Basidschi sind ein Produkt des Krieges mit dem Irak. Sie bildeten damals eine Art leichtbewaffneten Volkssturms, der als "Armee der Freiwilligen" an den Kämpfen teilnahm. Er umfasste fast alle Schichten der männlichen Bevölkerung, von Kindern und Jugendlichen bis zu Greisen, die während iranischer Offensiven - zum Beispiel im Südirak im Gebiet von al Fao - in die Minenfelder geschickt wurden, bevor reguläre Einheiten nachstießen. Insbesondere die fromme Provinzbevölkerung stellte einen hohen Anteil an dieser Truppe. Auch heute kann das Regime auf diese "Freiwilligen" zurückgreifen, wenn es nötig ist.

-Die Armee: Die Armee Irans hat mit der vorrevolutionären Armee des Schahs, die von Amerika ausgerüstet und durch amerikanische Berater geführt worden war, nach mehr als dreißig Jahren nichts mehr zu tun. Doch obwohl sie sich im Kampf mit dem Irak gut geschlagen hat, genießt sie innerhalb der Führung noch immer weniger Vertrauen als die Pasdaran. Im Falle innerer und äußerer Bedrohung kann ein Nationaler Sicherheitsrat zusammengerufen werden, der aus den Spitzen der Armee, der Pasdaran, der Justiz, des Parlaments und Vertretern des Obersten geistlichen Führers besteht.

-Theologenschule von Qom: Die wichtigsten theologischen Bildungsstätten der Schiiten liegen eigentlich im Irak, in Nadschaf und Kerbela. Doch mit Chomeinis Revolution hat die südlich von Teheran gelegene Stadt Qom (auch Ghom geschrieben) enorm an Bedeutung gewonnen. Neben dem ostiranischen Maschhad, wo der achte schiitische Imam Reza (Ali al Rida) begraben liegt, ist Qom die wichtigste Pilgerstätte auf iranischem Boden. Im Schatten der Grabmoschee von Fateme-je masumeh ("Fatima der Sündenreinen"), der Schwester des Imam Reza, hat sich die Theologenschule von Qom in den zurückliegenden Jahrzehnten zu einer der wichtigsten Ausbildungsstätten für schiitische Religionsgelehrte entwickelt - geradezu in Konkurrenz mit Nadschaf. An beiden Stätten hat Chomeini studiert und gelehrt." FAZ 16.6.09

Donnerstag, 18. Juni 2009

Unguter Name: Habermas



14-20°C, es darf noch etwas wärmer werden

- "Zur Abwehr der Systemkrise lenken spätkapitalistische Gesellschaften alle sozialintegrativen Kräfte auf den Ort des strukturell wahrscheinlichsten Konfliktes, um ihn desto wirksamer latent zu halten; zugleich befriedigen sie damit politische Forderungen der reformistischen Arbeiterparteien." J. Habermas, Legitimationsprobleme im Spätkapitalismus, 1973, S. 57

- Der Name klingt ungut in meinen Ohren, er wird dem Hörer und Leser heute pausenlos aufgedrängt, da will ich ihn doch erwähnen, der Klarheit halber: Habermas hat mir ein Leid's getan, er gehörte zu den Verführern meiner Jugend, ich habe sein Geifern gegen die Notstandsgesetze, seine alberne Agitation gegen das, was er in seiner ideologischen Verblendung für "Spätkapitalismus" hielt, dieses ganze Gesumse bis hin zum "Verfassungspatriotismus" habe ich als dummer junger Arbeiter, dann als Student mit kleinen Studentenkenntnissen, das habe ich ernst genommen und dann auch noch sein queres Kauderwelsch bewundert. Ich habe es überwunden, man muß nicht so kleingeistig bleiben, wie es der junge Kopf kaum anders sein kann. Oh Luhmann, warum habe ich dich nicht früher ernsthaft studiert.

Mittwoch, 17. Juni 2009

17. Juni, Weniger Straftaten in Deutschland, Amflora




Deutsches Tropenfossil Ida

Sowjetische Panzer 1953 in Berlin

- "Weniger Straftaten in Deutschland
Rückgang der Gewaltdelikte / Mehr Fälle von Kreditkartenbetrug / Neue Polizeistatistik
bin. BERLIN, 15. Juni. Die Zahl der erfassten Straftaten in Deutschland ist weiter rückläufig. Das geht aus der Polizeilichen Kriminalstatistik ..." FAZ // Allerdings nimmt der ältere Teil der Bevölkerung zu, der weniger Straftaten begeht, während der kriminell aktivste Teil der Bevölkerung, die jungen Männer, abnimmt.

- EU-Trauerspiel: "Amflora und kein Anfang. Von Michael Psotta. Die Genkartoffel Amflora verschwindet wieder einmal im Brüsseler EU-Dickicht. Gut zwölf Jahre nach dem Antrag auf Zulassung sind zahlreiche ..." FAZ 16.6.

- Studenten-Trauerspiel: Ein Teil der Studenten aus der Schwafelfakultät blockiert Seminare und Vorlesungen und macht Klamauk . Wir brauchen nicht mehr Bildung, sondern mehr Ingenieure, Informatiker, Mediziner, Medizintechniker, Physiker, Chemiker ... An Schwafelbrüdern ist Teutschland überreich.

- Erfreulich: "Fuchs Petrolub kommt wieder auf Touren
10 000 verschiedene Öle und Fette hat Fuchs Petrolub im Programm. Die Nischenpolitik zahlt sich aus. Der Mannheimer Schmierstoffspezialist wird ..." FAZ

- "Der Volksaufstand am 17. Juni 1953
Im Juni 1953 herrschte in Berlin im sowjetisch besetzten Sektor und der Zone, wie das besetzte Gebiet der Russen kurz genannt wurde, ein gespanntes Klima. Die SED – Regierung hatte wieder einmal die Normen für die zu erbringenden Arbeitsleistungen der “Werktätigen” erhöht und damit den Bogen überspannt.
Nach ersten Arbeitsniederlegungen am 15. Juni brach am 17. Juni 1953 der Volksaufstand in der SBZ (”DDR”) aus. Parteihäuser gingen in Flammen auf, Haftanstalten wurden gestürmt und die Gefangenen befreit. Einige “Volkspolizisten” warfen demonstrativ ihre Uniformjacken weg und mischten sich unter Beifall unter die Demonstranten.
Unter Beschuß, aber unter tosenden Beifall, wurde die verhaßte rote Fahne vom Brandenburger Tor geholt.
Am 17. Juni, 13.00 Uhr wurde durch die sowjetische Militärkommandantur über Ost – Berlin und 167 der 217 Stadt- und Landkreise der SBZ der Ausnahmezustand verhängt und das Standrecht erklärt.
Der Volksaufstand wurde innerhalb weniger Stunden durch die sowjetische Besatzungsarmee niedergeschlagen und in Blut und Tränen erstickt.
Mindestens 125 Menschen wurden erschossen oder hingerichtet, darunter 41 Sowjetsoldaten, die sich weigerten, auf Deutsche zu schießen.
Rund 25.000 Deutsche aus Ost und West wurden nach dem 17. Juni verhaftet und teils zu hohen Haftstrafen verurteilt."
http://www.17juni1953.de/
// Volksaufstand? Aufstand? Viele Bürger unterschiedlicher Zurechnung, Arbeiter, Oppositionelle aller Art, wehrten sich gegen Sowjetische Besetzung und SED-Diktatur. Das ist wohl der Erinnerung wert (die FAZ brachte nichts). SED und Sowjets machten allen deutlich, daß sie keine Demokratie, keine individuelle Freiheit, keinen Widerspruch duldeten.

- Grube Messel (ehem. Vulkan), Fossil Ida: schon früher gefunden, jetzt als Lemurenaffe neu interpretiert; vor 47 Mio. herrschten in D trop. Temperaturen.

Dienstag, 16. Juni 2009

Der Juni, CROPS UNDER STRESS AS TEMPERATURES FALL




Teheran

Kästner im Garten, als es im Juni noch warm war



Erich Kästner

Der Juni

Die Zeit geht mit der Zeit: Sie fliegt.
Kaum schrieb man sechs Gedichte,
ist schon ein halbes Jahr herum
und fühlt sich als Geschichte.

Die Kirschen werden reif und rot,
die süßen wie die sauern.
Auf zartes Laub fällt Staub, fällt Staub,
so sehr wir es bedauern.

Aus Gras wird Heu. Aus Obst Kompott.
Aus Herrlichkeit wird Nahrung.
Aus manchem, was das Herz erfuhr,
wird, bestenfalls, Erfahrung.

Es wird und war. Es war und wird.
Aus Kälbern werden Rinder
Und weil's zur Jahreszeit gehört,
aus Küssen kleine Kinder.

Die Vögel füttern ihre Brut
und singen nur noch selten.
So ist's bestellt in unsrer Welt,
der besten aller Welten.

Spät tritt der Abend in den Park,
mit Sternen auf der Weste.
Glühwürmchen ziehn mit Lampions
zu einem Gartenfeste.

Dort wird getrunken und gelacht.
In vorgerückter Stunde
tanzt dann der Abend mit der Nacht
die kurze Ehrenrunde.

Am letzten Tische streiten sich
ein Heide und ein Frommer,
ob's Wunder oder keine gibt.
Und nächstens wird es Sommer.

- - Hoffentlich ! ! Heute 13-17° Sch
- - CCNet 93/2009 - 15 June 2009 -- Audiatur et altera pars
CROPS UNDER STRESS AS TEMPERATURES FALL
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For the second time in little over a year, it looks as though the world may be heading for a serious food crisis, thanks to our old friend "climate change". In many parts of the world recently the weather has not been too brilliant for farmers. After a fearsomely cold winter, June brought heavy snowfall across large parts of western Canada and the northern states of the American Midwest. In Manitoba last week, it was -4ºC. North Dakota had its first June snow for 60 years. There was midsummer snow not just in Norway and the Cairngorms, but even in Saudi Arabia.
--Christopher Booker, The Sunday Telegraph, 14 June 2009

- Bert Brecht
Maßnahmen gegen die Gewalt
Als Herr Keuner, der Denkende, sich in einem Saale vor vielen gegen die Gewalt aussprach, merkte er, wie die Leute vor ihm zurückwichen und weggingen. Er blickte sich um und sah hinter sich stehen - die Gewalt.
"Was sagtest du?" fragte ihn die Gewalt. "Ich sprach mich für die Gewalt aus", antwortete Herr Keuner.
Als Herr Keuner weggegangen war, fragten ihn seine Schüler nach seinem Rückgrat.
Herr Keuner antwortete: "Ich habe kein Rückgrat zum Zerschlagen. Gerade ich muß länger leben als die Gewalt."
Und Herr Keuner erzählte folgende Geschichte: In die Wohnung des Herrn Egge, der gelernt hatte, nein zu sagen, kam eines Tages in der Zeit der Illegalität ein Agent, der zeigte einen Schein vor, welcher ausgestellt war im Namen derer, die die Stadt beherrschten, und auf dem Stand, daß ihm gehören soll jede Wohnung, in die er seinen Fuß setzte, ebenso sollte ihm auch jedes Essen gehören, das er verlange; ebenso sollte ihm auch jeder Mann dienen, den er sähe.
Der Agent setzte sich in einen Stuhl, verlangte Essen, wusch sich, legte sich nieder und fragte mit dem Gesicht zur Wand vor dem Einschlafen: "Wirst du mir dienen?"
Herr Egge deckte ihn mit einer Decke zu, vertrieb die Fliegen, bewachte seinen Schlaf, und wie an diesem Tage gehorchte er ihm sieben Jahre lang. Aber was immer er für ihn tat, eines zu tun hütete er sich wohl: das war, ein Wort zu sagen.
Als nun die sieben Jahre herum waren und der Agent dick geworden war vom vielen Essen, Schlafen und Befehlen, starb der Agent.
Da wickelte ihn Herr Egge in die verdorbene Decke, schleifte ihn aus dem Haus, wusch das Lager, tünchte die Wände, atmete auf und antwortete: "Nein."
- Nicht alles, was Brecht geschrieben hat, war marxistischer Blödsinn. In dieser schönen Keuner-Geschichte von 1932 treffen sich der Opportunist Brecht, der stets auf seinen persönlichen Vorteil bedacht war, und der reflektierte Brecht auf konstruktive Weise.
- - Marc Bloch : hätte diese Keuner-Geschichte lesen können, und eigentlich, er war ja nicht blöd, hätte er auch selbst darauf kommen können, statt sich dieser dämlichen, von Stalinisten dominierten Resistance anzuschließen und sich in überflüssige Gefahr zu begeben und darin am 16. Juni 1944 umzukommen. Militärische Mätzchen konnten andere besser, als Historiker hätte er den vielen, stets zu hohlem nationalem Pathos neigenden Franzosen mehr genutzt, sich selbst und seiner Familie ebenfalls. Christoph Vormweg beginnt sein Zeitzeichen mit der opernhaften Aussage eines Bloch-Schülers, er habe einen Helden als Lehrer gehabt. Ansonsten sind die Linken ja immer gegen Helden. Zu recht. Die gehören auf die Opernbühne. Blochs kulturelle Ausweitung des Geschichtsverstehens war vielversprechend.
- Marc Bloch: "Aus der Werkstatt des Historikers"
"Ursprünglich hatte Marc Bloch, der sich eher als Historiker denn als Mediävist verstand, wie Urs Hafner berichtet, einen Band mit eigenen Texten unter diesem Titel publizieren wollen. Statt eines abgeschlossenen monografischen Werks sollte die Leserschaft Einblick in das Handwerkszeug des Historikers gewinnen. Nach Hafner enthält der Band Texte aller Genres: von Lexikonartikeln über Rezensionen bis zu Vorträgen und großen berühmten Aufsätzen Blochs. Bloch erwärme sich "weniger für theoretische Höhenflüge", meint der Rezensent, sondern erweise sich vielmehr als jemand, der Interesse hat an problemorientiertem, quellenbezogenem Arbeiten. Beeindruckend findet Hafner, wie weit Bloch bereits damals über den Tellerrand der eigenen Disziplin hinausschaute und Neuerscheinungen der Ethnologie, Psychologie und Soziologie zur Kenntnis nahm. Welch ein scharfzüngiger und rationalistischer Geist, schwärmt Hafner." NZZ 25.7.01

Montag, 15. Juni 2009

Erkenntnisprobleme: Ackermann, Sarrazin, Ehrhardt



14-17°C

- Grossdemonstration der Opposition in Teheran
Mindestens ein Toter – Khamenei ordnet Überprüfung des Wahlresultats an

- Ackermann als IIF-Chef : "Finanzkrise. Ackermann warnt Politik vor Eingriffen
IIF-Chef Ackermann ruft dazu auf, "nach vorne zu schauen"
11. Juni 2009 Die Großbanken gehen wieder in die Offensive. Von Demut aufgrund ihrer Rolle in der Finanzkrise ist auf der Jahrestagung des Branchenverbandes Institute of International Finance (IIF) in Peking nichts zu spüren. „Wir müssen jetzt nach vorne schauen“, sagte Josef Ackermann, Vorsitzender des Direktoriums des IIF. Er warnte vor einer Überregulierung durch die Politik und einem Verfall der Chancengleichheit auf den Finanzmärkten durch staatliche Eingriffe. Eine Beeinflussung des Geschäftes und der Aufstellung der Banken lehnte der Verband am gestrigen Donnerstag kategorisch ab: „Lassen Sie mich unterstreichen, dass wir es als nicht hilfreich empfinden, Reformen etwa auf Themen wie die Größe einzelner Banken oder den Zweck ihres Geschäftes auszurichten“, sagte der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank in seiner Rolle als IIF-Chef.
Der Verband war 1983 als Antwort auf die internationale Schuldenkrise gegründet worden und zählt mehr als 370 Mitgliedsunternehmen. Seinem Anspruch, Krisen künftig verhindern zu können, wurde er indes nicht gerecht: „Niemand hat das vorhergesehen. Wir haben nicht geahnt, dass das Vertrauen in so kurzer Zeit zusammenbricht und Investoren in einen vollkommenen Streik treten würden“, sagte Ackermann mit Blick auf den Tiefpunkt der Finanzkrise nach dem Zusammenbruch der Bank Lehman Brothers Mitte September vergangenen Jahres. ..." FAZ // Auch die nächste Krise wird uns überraschen, denn Leben ist Krise. Aber die Krisen des Finanzkapitalismus sind vor allem Buchgeld-Krisen. Hat sich da ein Subsystem FINANZMÄRKTE ausdifferenziert? So sieht es aus.

- Finanzkrise 08/09 Sarrazin Focus 1.11.08
" Berlins Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) wundert sich über die deutschen Banker und warnt vor einer dauerhaften Staatsbeteiligung.
Focus: Wer ist schuld an der Finanzkrise?
Sarrazin: Letztlich die Bankmanager. Wer sonst?
Focus: Was haben die falsch gemacht?
Sarrazin: Sie haben Risiken falsch eingeschätzt. Die Amerikaner haben ein jährliches Leistungsbilanzdefizit von 500 bis 600 Milliarden Dollar, das sich über die Jahre auf Billionen Dollar summierte. Über dieses Geld, das sie nicht selbst erwirtschaftet haben, konnten sie zusätzlich verfügen. Finanziert hat ihnen das vor allem China, aber auch das Exportland Deutschland.
Dieses Geld drängte in die Vermögensanlage. Das hat die Aktienmärkte, die Immobilienpreise und den Handel mit Kreditforderungen angeheizt.
Focus: ... und jede kaufmännische Vorsicht ausgeschaltet?
Sarrazin: Das ging so lange gut, wie die Risiken eines Ausfalls unverbunden, also vereinzelt blieben. Einem einzelnen 80-Jährigen kann keine Bank einen Kredit mit sieben Jahren Laufzeit geben. Aber 1000 80-Jährigen kann ich einen Kredit über sieben Jahre geben, wenn die 1000 eine durchschnittliche Lebenserwartung von weiteren acht Jahren haben. Wenn aber die Hälfte der 80-Jährigen auf einmal an der lebensgefährlichen Hongkong-Grippe erkrankt, habe ich als Bank plötzlich ein verbundenes Risiko und damit ein Problem.
„Je dümmer einer ist, umso mehr wächst das Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten“
Focus: Dann ist die Finanzkrise eine Art Naturkatastrophe, die man nicht vorhersehen konnte?
Sarrazin: Das Ganze hat schon etwas Einmaliges. Der ehemalige Dresdner-Bank-Vorstand Leonhard Fischer sagte mir kürzlich, noch nie seien auf allen US-Regionalmärkten gleichzeitig die Preise derart eingebrochen. Bislang waren immer nur Teilmärkte betroffen. Das hat keiner erkannt, geschweige denn geglaubt.
Focus: Und plötzlich waren all die schönen AAA-Ratings Makulatur.
Sarrazin: Exakt. Weil es keine Käufer mehr gab, waren auch die tollen Papiere, die sich einzelne Landesbanken auf Pump für ihre Zweckgesellschaften in Irland angeschafft hatten, nichts mehr wert. Gleichzeitig brach auch die kurzfristige Refinanzierung weg. Diese Kombination ungünstiger Umstände hat niemand vorausgesehen.
Focus: Vielleicht wollte es ja keiner sehen, weil alle gut damit verdienten.
Sarrazin: Die Selbstgewissheit der Verantwortlichen war in der Tat sehr groß, wenn wir es nicht Arroganz nennen wollen.
Focus: Besonders risikofreudig waren ausgerechnet die Vorstände öffentlich-rechtlicher Banken.
Sarrazin: Wenn die kleine SachsenLB riskante Papiere für 20 Milliarden Euro in einer Zweckgesellschaft in Dublin parkt und mit diesem gewaltigen Brocken selbst in guten Zeiten jährlich nur 20 Millionen Euro Überschuss macht, ist das eine lächerliche Rendite. Trotzdem hat von diesen Produkten weltweit niemand so viel gekauft wie deutsche Landesbanken.
Focus: Warum?
Sarrazin: Diese Leute haben offenbar nicht verstanden, was sie da machen. Und sie haben nicht verstanden, dass sie es nicht verstanden haben. Der Dummheitskoeffizient scheint leider in deutschen Banken besonders hoch zu sein. Generell gilt ja die Regel: Je dümmer einer ist, umso mehr wächst das Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten. Das Ganze ist systemisch im öffentlich-rechtlichen Bankenbereich, obwohl beispielsweise die Landesbank Baden-Württemberg das offenbar ganz gut überstanden hat.
Focus: Hat da die Kontrolle versagt?
Sarrazin: Ja. Und zwar sämtliche Kontrollinstanzen – die Aufsichtsräte, die Wirtschaftsprüfer, die staatliche Bankenaufsicht, die Rating-Agenturen. Auf Betreiben der Amerikaner galt ja noch kein Basel II, das schärfere Bilanz- und Eigenkapitalrichtlinien vorsieht.
Focus: Was lernen wir daraus?
Sarrazin: Alle Banken brauchen mehr Eigenkapital. Eine Quote von mindestens zehn Prozent. Und alle Bankgeschäfte gehören in die Bilanz. Wenn eine Bank Risiken weitergibt, muss sie außerdem einen spürbaren Teil des Risikos in den eigenen Büchern behalten. Diese Regeln müssten allerdings weltweit gelten, sonst wandert das Geschäft dahin, wo es am wenigsten reguliert wird.
Focus: Wenn Sie eine Eigenkapitalquote von zehn Prozent verlangen, müssten die deutschen Banken beim Staat Schlange stehen. Denn viele weisen deutlich weniger auf.
Sarrazin: Die Briten und Amerikaner geben diesen sinnvollen Standard vor. Deshalb können sich deutsche Banken solchen Anforderungen nicht entziehen. Die zehn Prozent sind ein Muss. Das bedeutet: Deutlich mehr Banken als bisher bekannt werden beim Staat Kapital aufnehmen müssen.
Focus: Ist es ein Fehler, den Banken die Entscheidung freizustellen?
Sarrazin: Ja. Weil es damit für die Bank zu einer Prestigefrage wird, das Geld zu nehmen. Es ist aber auch eine Überlebensfrage. Wer das Geld nimmt, wird am Markt sofort mit Misstrauen abgestraft. In Amerika und England hat man das besser gelöst. Dort mussten die Banken das Geld nehmen.
Focus: Den deutschen Bankern würde die Entscheidung vielleicht leichter fallen, wenn sie nicht mit Gehaltskürzungen und Einmischung des Staates in ihre Geschäftspolitik rechnen müssten.
Sarrazin: Die Wut unter der Bevölkerung ist nicht nur in den USA quer durch alle politischen Lager groß. Deshalb muss man das staatliche Rettungspaket ein bisschen populistisch abfedern. Obergrenzen für Vorstandsgehälter bringen in der Sache nichts. Sie erhöhen aber die Akzeptanz für die Hilfsaktion in der Bevölkerung.
Focus: Wann werden wir wissen, wie viel die Rettungsaktion die Steuerzahler kostet?
Sarrazin: In den nächsten ein bis zwei Jahren wird der Anteil des Staates an den Banken hierzulande auf 30 bis 35 Prozent steigen. Verkaufen kann der Staat diese Beteiligungen erst, wenn sich die Banken spürbar von der Krise erholt haben und wieder Gewinne machen. Die Platzierung dieser Anteile, die der Staat jetzt übernimmt, wird kaum vor 2013 möglich sein und muss marktverträglich erfolgen. Erst muss die gegenwärtige Rezession vorbeigehen, und die Bankgewinne müssen wieder aufblühen. Der Staat wird also eine Weile Aktionär bleiben müssen, weil niemand so schnell wieder in Bankaktien investieren will. Außer vielleicht Staatsfonds, an die man wiederum nicht verkaufen will.
Focus: Wie lange kann sich der Westen seine Vorbehalte gegenüber den Staatsfonds aus Nah- oder Fernost noch leisten?
Sarrazin: Ich weise auf das Risiko hin. Die meisten Staatsfonds sind nicht in der Hand demokratisch legitimierter Regierungen. Sie werden auch für politische Zwecke eingesetzt.
Focus: Könnte sich der Westen verheben, wenn er die eigene Rettung allein versucht und die Staatsverschuldung irrwitzig steigt?
Sarrazin: Wenn der Staat mit den vorhandenen Instrumenten die Finanzmarktkrise abwendet, wird ihn die ganze Operation unter dem Strich wenig bis gar nichts kosten. Wenn man aber wie in Frankreich sein Heil in der dauerhaften Reverstaatlichung sucht, dann wird das ein Rückmarsch in die 50er-Jahre. Nur weil Teile der privaten Wirtschaft versagt haben, sind die Repräsentanten des Staates ja nicht über Nacht kompetenter geworden. Der Staat ist nur das letzte Mittel. Hinter ihm beginnt das Chaos.
Focus: Was bedeutet die drohende Rezession für die öffentlichen Haushalte?
Sarrazin: Für die der Länder kurzfristig noch gar nichts. Konjunkturprogramme sind wenn dann Sache des Bundes. Er muss sie deshalb auch allein bezahlen. " (Focus 1.11.08)
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Thilo Sarrazin, 63, saniert Berlins Schuldenhaushalt. Der promovierte Volkswirt verantwortete 1990 im Bundesfinanzministerium die Durchführung der deutsch-deutschen Währungsunion. Als Finanzsenator im Berliner rot-roten Senat setzt er seit 2002 in der mit 60 Milliarden Euro verschuldeten Bundeshauptstadt einen rigiden Sparkurs durch. Er wechselt demnächst zur Bundesbank.
- - So kann man es sehen. Wenn die Aufsichtsräte, die Wirtschaftsprüfer, die staatliche Bankenaufsicht, die Rating-Agenturen die Probleme nicht gesehen haben, nicht in der angemessenen Dimension, dann stellt sich eben die Frage, ob man es überhaupt voraussehen konnte. Ich denke, man konnte es in der Masse nicht. Individuell konnte man alarmiert sein, wenn man die Praxis der freien Kreditvermittler in Kalifornien, in Florida kannte, wenn man wußte, wie die Fannies damit umgingen, aber daß sich ein vergleichsweise kleines Problem so auswirken würde, das war offenbar nicht vorhersehbar. Diese Massenreaktion mußte ja auch nicht erfolgen, sie ist nichts anderes als die altbekannte Reaktion der Herde, in diesem Fall einer riesigen, weltweiten Buchgeld-Herde. Die Verunsicherung dauert an, auch, weil man die Maßnahmen der Fed und der Regierung Obama für falsch halten kann (Zerstörung der Geld- und Fiskalpolitik vgl. "Nur Ölaktien und die Börsen der Schwellenländer drängen sich auf
Jens Ehrhardt hält Staatsanleihen für zu teuer. hbe. FRANKFURT, 5. Juni 09. Viele Gewissheiten scheinen sich in den Turbulenzen einer in dieser Form nie dagewesenen Krise aufzulösen und lassen ... Was wir derzeit sehen, ist einmalig, das hat keiner von uns so schon jemals erlebt ... ")
- - Übrigens hat der Dax seit Jahresbeginn 35% zugelegt.

- - "Die vertrackte Psychologie des Subprime-Debakels. Um die Beantwortung der Frage, was die wichtigsten Ursachen der Finanzkrise sind, herrscht schon seit einiger Zeit ein intellektueller Wettlauf. Jüngst haben mit George Akerlof und Robert Shiller zwei Schwergewichte der Wirtschaftswissenschaften argumentiert, dass die Psychologie der Menschen eine bisher weit unterschätzte Rolle gespielt habe. So seien gerade im US-Subprime-Markt viele Entscheidungen nicht so vernünftig gefallen, wie es Ökonomen meist annehmen. Im Gegenteil: Millionen von Subprime-Schuldnern hätten sich Hypotheken aufschwatzen lassen, die sie sich längerfristig niemals leisten konnten. Berüchtigt waren vor allem die «adjustable-rate mortgages», die häufig am Anfang tiefe Lockvogel-Zinsen boten, über die Zeit aber für viele zu teuer wurden. Doch die Psychologie des Subprime-Debakels ist etwas komplizierter, wie Nachforschungen von Stephan Meier (Columbia University) und Lorenz Götte (Universität Genf) ergeben haben. In einer Umfrage ermittelten sie, wie gut sich US-Hausbesitzer in Finanzdingen auskannten. Es zeigte sich, dass Personen mit niedrigem Finanzwissen nicht häufiger «adjustable-rate mortgages» erhielten als die in finanziellen Dingen besser Beschlagenen. Es scheint also nicht so zu sein, dass vor allem den «Dummen» Hypotheken angedreht wurden. Doch gleichzeitig zeigte sich auch, dass die Finanz-Unkundigen meist gar nicht wussten, dass sie wohl auf einer Problem-Hypothek sassen. Die möglichen psychologischen Ursachen der Subprime-Krise scheinen demnach einiges komplexer zu sein, als sich manche das vorstellen." NZZ 6.6.09

- Bestimmte Tonfolgen scheinen einen direkten Aschluß an das Belohnungs- / Limbische System zu besitzen

Sonntag, 14. Juni 2009

Finanzkrise, Aristoteles, Platon, Hayek



So schön war es heute nur zwischendurch, aber schwüle 15-20°C

- Finanzkrise ideologisch: "Im Brennpunkt sozialer Verantwortung
Die Finanzkrise im Spiegel der Soziallehre Johannes Pauls II." . Jetzt ist die Finanzkrise im Katholischen unterwegs, die Tagung Thomas-Morus-Akademie kommt ohne einen Ökonomen aus, die avisierten Philosophen haben also schon alles verstanden. Da hat wohl der Hl. Geist geholfen. "Wie wird durch sie die soziale Gerechtigkeit konkret?" ist eine der akuten Fragen.
- - ' Deswegen sagen die Dichter: " Es ist wohlbegründet, daß Helenen über Barbaren herrschen", da Barbar und Sklave von Natur dasselbe ist. ' Auch eine Sicht sozialer Gerechtigkeit, die Aristoteles da in seinem 1. Buch der Politik äußert.
- - " Jedesmal, wenn uns ein Kind geboren wird, nehmen es die hierzu bestellten Behörden in Empfang. ... Die Kinder der tüchtigen Eltern werden sie dann nehmen und in die Anstalt bringen ... Die Kinder der untüchtigen Eltern und etwaige verkrüppelte Kinder der tüchtigen werden sie an einen geheimen und unbekannten Ort bringen. So ziemt es sich.' " So ziemt es sich, so ist es also gerecht im Staate Platons (Politeia, 5. Buch IX, S. 164)
- - "Die völlige Inhaltslosigkeit des Begriffs »soziale Gerechtigkeit« zeigt sich an der Tatsache, daß es keine Übereinstimmung darüber gibt, was soziale Gerechtigkeit im Einzelfall erfordert; daß ferner keine Kriterien bekannt sind, nach denen entschieden werden könnte, wer recht hat, wenn die Leute verschiedener Ansicht sind, und daß kein im voraus ausgedachtes Verteilungssystem auf eine Gesellschaft tatsächlich angewendet werden könnte, in der die einzelnen in dem Sinne frei sind, daß sie ihr eigenes Wissen für ihre eigenen Zwecke nutzen dürfen. Die moralische Verantwortung des einzelnen für seine eigenen Handlungen ist in der Tat mit der Realisierung eines solchen angestrebten, allumfassenden Verteilungssystems nicht vereinbar.
Obwohl viele Leute mit dem derzeitigen System der Verteilung unzufrieden sind, hat niemand von ihnen, wie eine kleine Nachprüfung zeigen würde, eine wirklich klare Vorstellung davon, welches System der Verteilung als gerecht anzusehen wäre. Alles, was wir finden können, sind individuelle Urteile über als ungerecht empfundne Einzelfälle. Niemand hat bis jetzt eine einzige allgemeine Regel herausgefunden, aus der wir für alle Einzelfälle, auf die sie anzuwenden wäre, ableiten könnten, was »sozial gerecht« ist – ausgenommen die Regel »gleicher Lohn für gleiche Arbeit«. Freier Wettbewerb, der jegliche Berücksichtigung von »Verdienst« oder »Bedürfnis« und ähnlichem ausschließt, worauf die Forderung nach sozialer Gerechtigkeit beruht, tendiert dazu diese Regel zu erzwingen. ... " Friedrich August v. Hayek, Der Atavismus »sozialer Gerechtigkeit«, in: Hayek, Die Anmaßung von Wissen, Neue Freiburger Studien, hg. von Wolfgang Kerber, S. 182-85, Mohr/Siebeck 1996

Samstag, 13. Juni 2009

"Diebe an der Macht"



Reiche, FAZ 13.6.09 : Metaethik der Staatsverschuldung

- "Sloterdijk rechnet mit dem Steuerstaat ab
Die Revolution der gebenden Hand
Die kapitalismuskritische Linke definiert das Eigentum als Diebstahl. Der größte Nehmer ist aber der moderne Staat. Wir leben in einem steuerstaatlich zugreifenden Semi-Sozialismus - und niemand ruft zum fiskalischen Bürgerkrieg auf. ..." FAZ 13.6.09

- Zurück zur Renaissance
Minus 6% für die merkeldenaturierte, entbürgerlichte, sozialdemokratisierte CDU - allein das ist bereits ein erfreuliches Ergebnis der EU-Wahl; noch mehr natürlich, daß die Zahl der Gegner des Lissabon-Vertrages im neuen EU-Parlament zunehmen wird. Das Minus für die SPD-Genossen kann kaum betrüben, zumal ein gerne geifernder Jakobiner den SPD-Spitzenkandidaten gegeben hat.
Die Lissabon-Vertragsgegner sollte die FAZ aber nicht Euro-Skeptiker nennen, die angestrebte Lissabon-EU und Europa sind zwei Schuhe. Es gibt sogar vorbildliche europäische Staaten, die nicht der EU angehören, die Schweiz vor allem. Ich lehne die angestrebte Lissabon-EU ab, ich lehne eine forcierte Zentralisierung der EU ab und ich befürworte eine Renaissance Europas durch eine Besinnung auf die europäische Renaissance, eine Zeit der Hochblüte der europäischen Kultur, als Polyzentrismus und Wettbewerb der europäische Lebensquell waren.

Insofern ist die gestiegene Zahl der Lissabon-Vertragskritiker erfreulich: rund 66 Sitze.