Mittwoch, 11. Februar 2009
Robert Shiller
Shiller
Robert Shiller
„Die Märkte in den Dienst der Menschen stellen“
"Wir müssen die Finanzmärkte ausweiten, nicht stutzen", meint der amerikanische Ökonom Robert Shiller
FAZ 11. Februar 2009 Die Wirtschaftswissenschaften beruhen auf einer irrigen Annahme, meint der amerikanische Ökonom Robert Shiller. Sie unterstellen, dass die Menschen rational und konsistent handeln. Dies sei falsch, glaubt Shiller. Ein wichtiger Auslöser der Finanzkrise ist seiner Meinung nach die irrige Annahme, die Hauspreise könnten immer nur steigen und nie fallen. Jetzt jedoch wäre es falsch, die Finanzmärkte zu stutzen. Im Gegenteil, sie müssten ausgeweitet werden.
Professor Shiller, die Welt steckt in einer schweren Finanz- und Wirtschaftskrise. Was ist schiefgelaufen?
Der Ursprung der Krise ist der Häusermarkt, da gibt es kein Vertun. Dort hatte sich eine Reihe von wirren Vorstellungen breitgemacht. Eine von ihnen war die Annahme, dass Hauspreise immer nur steigen und niemals fallen können und dass die Investition in ein Haus zu jedem Zeitpunkt eine phänomenale Anlage darstellt. Das war, wie sich inzwischen herausgestellt hat, eine grobe Fehleinschätzung.
Wie kommt es dazu, dass Menschen sich zu so irrigen Annahmen verleiten lassen?
Das ist eine schwierige Frage, deren Beantwortung viel mit Psychologie zu tun hat. Ich bin mir nicht ganz sicher, aber es scheint so, als ob die Menschen während des Booms sich nicht daran erinnert hätten, wie sie vor zwanzig Jahren über Hauspreise gedacht haben. Was wiederum daran liegen mag, dass sie damals ohnehin keinen Gedanken daran verschwendet haben. Außerdem steckten natürlich auch handfeste wirtschaftliche Interessen von Maklern und anderen dahinter, die die Menschen in ihrer falschen Einschätzung bestärkt haben. In gewisser Weise hat sich die Entwicklung eine Weile selbst forciert: Die Beobachtung steigender Preise bestätigte die Menschen in der Auffassung, dass es stets bergauf gehen würde, und sie trieben durch ihre Käufe die Preise weiter. Spekulative Blasen entstehen durch solche sich gegenseitig verstärkende Effekte, die zur Verbreitung von Vorstellungen und Ideen führen.
Nun machen viele Hausbesitzer die schmerzhafte Erfahrung, dass sie sich geirrt haben.
Die traditionelle ökonomische Theorie unterstellt, dass Menschen sich meist rational und logisch verhalten. Folglich seien Konjunkturschwankungen vor allem die Folge technologischen Wandels oder erratischer Eingriffe des Staates. Ich halte das für falsch: Menschen handeln inkonsistent und vielfach eben nicht rational. Diese Inkonsistenz im Handeln ist die wesentliche Triebkraft der Wirtschaft.
Weshalb ändern Menschen denn ihr Verhalten?
In der Welt, in der wir leben, besteht eine grundlegende Unsicherheit. Ereignissen, die in der Zukunft liegen, lässt sich nicht leichter Hand eine gewisse Eintrittswahrscheinlichkeit beimessen. Menschen bilden und organisieren ihre Erinnerungen, ihr Bewusstsein um „Geschichten“ herum. Diese „Geschichten“ beeinflussen das Verhalten der Menschen und damit den Wirtschaftskreislauf.
Können Sie ein Beispiel nennen?
In den neunziger Jahren, nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion, stand alles unter dem Eindruck eines aufstrebenden Kapitalismus. Jedermann glaubte plötzlich sein Talent als Investor zu erkennen. Eine Folge dieser Entwicklung war, dass normale Arbeiter mehr und mehr als Verlierer angesehen wurden. Der Eindruck davon, wie die Welt wohl funktioniert, wurde sehr egozentrisch. So wurde die Grundlage für die Blase auf den Aktienmärkten geschaffen. Es war also eine durch und durch fundamentale Entwicklung.
Dann aber ist die Aktienblase zerplatzt ...
... und es setzte eine Suche nach dem Sinn bei den Menschen ein. Sie mussten sich eine andere „Geschichte“ suchen, um ihr Selbstwertgefühl zu retten. Das war der Zeitpunkt, zu dem die Hauspreise schneller zu steigen begannen, aber auch die Preise für Öl und andere Rohstoffe. Sie sehen: Es hat sehr viel mit Psychologie zu tun, was in der Wirtschaft geschieht.
Die Federal Reserve und ihr damaliger Vorsitzender Alan Greenspan werden häufig beschuldigt, die Immobilienblase überhaupt möglich gemacht zu haben.
Richtig ist daran: Die amerikanische Geldpolitik war eine zu lange Zeit zu locker. Richtig ist aber auch: Es ist nicht allein Alan Greenspan, der dies zu verantworten hat. Im Kreis der Währungshüter herrschte über die Zinspolitik damals Einvernehmen. Niemand dort hat sich damals ernste Sorgen über die Blase auf dem Häusermarkt gemacht. Schuld daran war die These von den effizienten Märkten, die besagt, dass alle verfügbaren Informationen in den Preisen und Kursen enthalten sind und niemand dauerhaft überdurchschnittliche Gewinne erzielen kann. Das hat sich inzwischen als falsch herausgestellt.
Regierung und Kongress in Washington eilen dem Finanzsystem und der Wirtschaft mit Hunderten von Milliarden zu Hilfe. Was halten Sie von den Plänen?
Es ist verständlich, dass nun alles darangesetzt wird, Arbeitsplätze zu sichern und neue zu schaffen. Wichtiger aber sind grundlegende Veränderungen in unserem Finanzsystem.
Woran denken Sie?
Wir müssen die Finanzmärkte ausweiten, nicht stutzen. Viele Leute geben den Märkten die Schuld an dem Schlamassel. Das ist nicht richtig. Aber wir müssen die Märkte mehr als bisher in den Dienst der Menschen stellen. Es wäre beispielsweise sehr hilfreich, wenn man sich gegen Hauspreisrisiken absichern und auch eine negative Einschätzung dadurch zum Ausdruck bringen kann, dass man auf fallende Hauspreise wettet. Denn wenn es nicht möglich ist, einen Markt zu „shorten“, dann hat dieser Markt keine Disziplin.
Also bedarf es gar nicht einer strengeren Regulierung?
Doch, doch. Die aktuelle Krise wurde auch durch „räuberische“ Praktiken in der Kreditvergabe verursacht und dadurch, dass Verkäufer von Wertpieren, die in Zusammenhang mit dem Immobilienmarkt stehen, den Investoren eine falsche Sicherheit dieser Anlage vorgegaukelt haben. Dem muss ein Riegel vorgeschoben werden. Anleger und potentielle Hauskäufer müssen den Marktakteuren vertrauen können, das ist das A und O.
Wie kann der Spagat gelingen zwischen notwendiger und übermäßiger Regulierung?
Das Problem hier ist die Zeit: Es dauert an den Finanzmärkten oft sehr lange, bis Fehlentwicklungen offenbar werden. Manche Menschen sparen ihr ganzes Leben, und eines Tages stehen sie vor dem Nichts. Dann erst stellt sich heraus, dass man sie übers Ohr gehauen hat. Hier sehe ich den Staat in der Pflicht, als ultimativer Risikomanager aufzutreten. In einer Gesellschaft mit einem marktwirtschaftlichen System sollte die Regierung den Bürgern als Rettungsanker dienen.
Wie kann den vielen Hausbesitzern, denen die Zwangsversteigerung droht, am besten geholfen werden?
Die Hypothekenbanken haben unter den aktuellen wirtschaftlichen Umständen kein besonderes Interesse daran, sich auf eine Umschuldung einzulassen. Hier sollte die Regierung zusätzliche Anreize geben, damit die Finanzierung auf eine tragfähige Grundlage gestellt werden kann. Wir sollten nicht vergessen, dass über Jahre hinweg auch die amerikanische Regierung, auch Präsident Bush, die Menschen dazu verleitet hat, sich für ein Heim hoch zu verschulden. Denen kann man nun nicht einfach zurufen: „Pech gehabt!“
Dann besteht die Gefahr, dass Hauspreise künstlich hochgehalten werden und Häuser teurer bleiben, als sie sein müssten.
Ziel darf es nicht sein, ein bestimmtes Preisniveau anzupeilen. Meinen Berechnungen zufolge haben wir auch erst die Hälfte des Weges zu normalen Hauspreisen hinter uns. Es wird noch eine Weile dauern, bis der Preis wieder dort ist, wo Angebot und Nachfrage sich ausgleichen.
Außerdem ist vorgesehen, den Banken einen Teil ihrer faulen Kredite und giftigen Wertpapiere abzunehmen. Wird das helfen?
Die Idee ist nicht schlecht, und sie zeigt, dass wir aus den japanischen Erfahrungen gelernt haben. Ich befürchte allerdings, dass die Kreditvergabe trotzdem nicht so schnell wieder in Gang kommt. Es gibt hier nämlich ein rationales Argument: Der Wirtschaft geht es tatsächlich miserabel, und die Vergabe von Krediten ist derzeit ein riskantes Geschäft. Das bringt mich zurück zur Rolle der Regierung: Sie kann durch Übernahme bestimmter Risiken dazu beitragen, dass schlechte Prophezeiungen sich nicht erfüllen müssen.
Der amerikanische Ökonom Robert Shiller erhält den vom Frankfurter „Center for Financial Studies“ (CFS) verliehenen „Deutsche Bank Prize in Financial Economics 2009“. Shiller werde für seine grundlegenden Beiträge zur Theorie und Analyse von Preisen von Vermögenswerten wie Anleihen, Aktien und Immobilien ausgezeichnet, heißt es in der Begründung der Jury.
Der 62 Jahre alte Ökonom lehrt und forscht an der Eliteuniversität Yale. Der mit 50.000 Euro dotierte Preis wird alle zwei Jahre verliehen. Die beiden bisherigen Preisträger waren Eugene Fama von der University of Chicago und Michael Woodford von der Columbia University in New York.
Das CFS ist ein unabhängiges internationales Forschungsinstitut, das dem „House of Finance“ an der Goethe-Universität Frankfurt angegliedert ist.
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