Samstag, 11. Mai 2019
Silvana Koch-Mehrin, Annette Schavan, Karl-Theo Guttenberg, Franziska Giffey gewidmet
Erasmus. Lob der Torheit. Ein zeitloses Thema. Auch wenn die Schrift schon 1508 entstand auf der Reise nach Italien. Sie wurde Teil des europäischen Kanons, ein unschätzbares Erbe des zum Mönch gezwungenen Gelehrten, uneheliches Kind eines Pristers und der verwitweten Arzttochter Margaritha Rogerius. So zeitlos ist diese ironische Schrift, daß man mit Zitaten aus ihr Gegenwärtige bedienen kann, zum Beispiel Silvana Koch-Mehrin, Annette Schavan, Karl-Theo Guttenberg, Franziska Giffey und viele andere mehr, bekannte und unbekannte Damen und Herren. Daß schlechte Literatur und Plagiate damals und heute erfolgreich sind, sagt einiges über das krumme Holz aus, aus dem nach Kant der Mensch geschnitzt ist.
“Da ist doch ein Schriftsteller von meinen Gnaden viel glücklicher in seinem Wahn: er braucht nicht bei der Lampe zu wachen; sobald ihn die Lust ankommt, schmiert er hin, was in die Feder läuft, und wären es nur seine Träume – was kostet's ihn mehr als das Papier? Und dabei weiß er: je kindischere Kindereien er schreibt, desto mehr loben ihn, nämlich alle die Toren und Banausen. Denn jene paar Kenner lesen derlei nicht, und wenn, dann ist es doch keine Sache, ihr Urteil in den Wind zu schlagen; oder was bedeuten die Stimmen der Handvoll Weisen, wo eine so riesige Übermacht sie niederschreit? Eine feinere Nase noch haben die Schlauen, die Fremdes als Eigenes herausgeben und den Ruhm, den ein andrer sich sauer verdient hat, mit ein paar Federstrichen auf ihre Mühle leiten, in der Gewißheit, selbst wenn man sie dereinst des Diebstahls überführt, doch eine Zeitlang sich der Nutznießung zu erfreuen.”
Erasmus von Rotterdam,. Das Lob der Torheit (German Edition) . Projekt Gutenberg-DE. Kindle-Version.
Fälschlich benannt "Entfremdung"
“Im Übergang von der primitiven Gesellschaft … zur offenen Großgesellschaft, die nicht länger durch gemeinsame konkrete Ziele, sondern nur durch den Gehorsam gegenüber denselben abstrakte Regeln zusammengehalten wird, vollzog sich die große Veränderung, aus der eine Gesellschaftsordnung hervorging, die in zunehmendem Maß für den Menschen unverständlich wurde, und für deren Erhaltung er sich erlernten Regeln unterwerfen mußte, die häufig seinen angeborenen Instinkten zuwiderliefen.”
F.A.v.Hayek, Die Anmaßung von Wissen, Die Disziplin der Freiheit, S. 53
Das war natürlich ein langer, schwieriger geschichtlicher Prozeß, den Hayek hier im Zeitraffer darstellt. Und da die Instinkte die gleichen geblieben sind, weil stammesgeschichtlich vererbt, ist die Disziplin, die Freiheit erfordert, stets in Gefahr, vernachlässigt zu werden, so wie das Bewußtsein für die Kostbarkeit der Freiheit. In weiten Teilen der Welt gibt es nicht einmal einen Begriff für die individuelle Freiheit. Wer ausschert aus dem Kollektiv, wird verprügelt, eingekerkert oder enthauptet. Auch erschossen, wie Hatun Sürücü von ihrer Familie. Im Milieu dieses Glaubens herrscht die entschiedene Lernverweigerung zugunsten uralter, einfacher Verhaltensmuster.
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