Montag, 2. November 2015

Wie war das in Dresden?


Frankfurter Allgemeine Zeitung, 29. Oktober 2015
Leserbrief

Wo war das Pack?

Zu dem Artikel „Unreinheiten eines vermeintlichen Hochkaräters" von Stefan Locke (FA.Z.

vom 21. Oktober) wäre einiges nachzutragen aus Sicht eines Teilnehmers einer Pegida-

Demonstration, der sich aufgemacht hat, sich ein eigenes Bild zu machen, nach unzähligen

Berichten und Äußerungen von Politikern und Journalisten, die nicht müde werden, sich

gegen Hetze zu wenden, auf mich manchmal aber eher selbst wie Hetzer wirken. Also auf

nach Dresden, allen Warnungen von Heiko Maas zum Trotz. Gegen 18.00 Uhr begaben sich

immer mehr Pegida-Anhänger auf den Weg in Richtung Theaterplatz. Aber was waren das für

Leute? Die konnten eben aus der Einkaufspassage oder von der Arbeit gekommen sein. Es

waren Bürger, wie man sie überall im Alltag trifft, etliche mit Fahnen, einige mit Plakaten

(z.B. „1989 waren wir noch Helden, 2015 sind wir das Pack“). Auf meinem Weg zum

Altmarkt sah ich einzelne Personengruppen gleicher Art, von denen nicht die geringste Gefahr

ausging, dazu ein paar entspannte Polizisten.

Der Theaterplatz füllte sich langsam weiter mit Menschen oben beschriebenen Typs, die

ruhig und geduldig auf den Beginn warteten, keinerlei Auffälligkeiten um mich herum

(Standplatz nahe dem Denkmal). Die Veranstaltung lief völlig kontrolliert ab mit Beiträgen,

die die momentane Politik besorgt ablehnten, die Bezeichnung „Hetze“ aber nicht verdienten.

Dann wurde Akit Pirincci damit angekündigt, er würde ein Kapitel aus einem noch

unveröffentlichten Buch vorlesen. Doch der änderte einfach das Programm, indem er sich

nicht an die Ankündigung hielt, sondern eine eigene Rede vortrug, die vor Unflat nur so

strotzte. Die Menge brauchte etwas Zeit, um zu realisieren, was ihr da serviert wurde, und

nach einzelnen Rufen „Aufhören - aufhören!“ skandierte es die Menge, beim ersten Mal noch

ohne Erfolg. Beim zweiten Mal konnte sie den Abbruch dieser Zumutung erzwingen.

Vier weitere Demonstrationen von Pegida-Gegnern waren als „Sternmarsch“ bezeichnet,

endeten aber nicht im Zentrum eines Sterns, sondern an vier verschiedenen Orten in der Nähe

des Theaterplatzes. Sie hätten so gar nicht genehmigt werden dürfen, weil sie die Ausgänge

des Theaterplatzes blockierten, ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Nur die Veranstalter der

Pegida-Demonstration waren in diesem Augenblick schon im Bilde, die Menge ahnte nichts

davon und wunderte sich nur über noch eine Rede, obwohl die Dauer der Veranstaltung

mindestens schon zweieinhalb Stunden betragen hatte, die nicht nur junge Menschen stehend

auf dem Platz verbracht hatten. Dann klärten die Veranstalter die Teilnehmer über die Lage

auf und baten noch um Geduld, bis die Polizei zwei Wege zum Verlassen der Veranstaltung

freigeräumt hatte.

Auch in dieser Situation zeigte sich in der Menge kein aggressives Verhalten. Locke scheint

den Teilnehmern aber doch etwas anhängen zu wollen und berichtet über Urinieren an die

umliegenden Kultureinrichtungen. Indem er die Blockade verschweigt, scheint dies deren

Geringschätzung für Kultureinrichtungen zu zeigen, war aber in Wirklichkeit die Folge der

Nötigung durch andere Demonstranten, die einen unerwartet langen Aufenthalt auf dem Platz

erzwangen.

Dann wurden zwei sichere Wege gewiesen zum Verlassen der Veranstaltung, und die

Teilnehmer und ich selbst machten sich auf den Weg nach Hause. Beim Passieren von

Polizeikräften spendeten sie Beifall und skandierten „Eins, zwei, drei - danke Polizei". Was

haben diese Menschen mit irgendwelchen wildgewordenen Gewalttätern zu tun? Locke

berichtet: „... zudem lieferten sich militante Antifa-Gruppen (also keine Pegida-Leute)

Scharmützel mit der Polizei und versuchten, Barrikaden zu errichten“. Wie viele von denen

wurden festgenommen und des Landfriedensbruchs angeklagt?

DR. JÜRGEN BRINKMANN, BERLIN