Sonntag, 10. Juli 2011

Muttersöhnchen






 
 
So einer muß auch Geburtstag einmal haben, so ein Stadtpflänzchen, Dandy und Muttersöhnchen, so ein Proust. Martin Walser empfahl ihn, ich besorgte mir damals die "Suche" und stellte nach kurzer Zeit fest, daß mich diese weltlose, narzißtische Schreiberei nichts anging. Über Walsers Schätzung Prousts wunderte ich mich, war Walser doch ein welthaltiger Autor und Wahlkämpfer der SPD.  
Aber eine narzißtische Seite besitzt Walser auch, kontrolliert allerdings, und die Muttersöhnchenseite ebenfalls. Ist es ein Zufall, daß gerade zum Proust-Geburtstag Walser neuer Roman "Muttersohn" erscheint? Lovenbergs Rezension in der FAZ trägt den für das Buch programmatischen Titel "Produziert ihr Kälte, ich produzier’ Wärme".  
Das klingt sympathisch, und an Proust mag man loben, daß er kein ätzender Michel Houellebecq ist. Allerdings klingt es auch ein bißchen langweilig, aber Walser ist über achtzig,  den Tagesgefechten entrückt. Und dem Wichtigen näher? Wahrscheinlich doch, auch jenseits seines empfindsamen Status als Muttersohn, der er war, wenn auch auf recht andere Weise und unter recht anderen Umständen als Proust, der mit zwei goldenen Löffeln im Munde sein Erdenwallen begann. Und weil so eine Muttersohn-Kindheit wohl eine spezifische Grundierung für das spätere Leben abgibt, bleibt einer ein Muttersohn bis ins Alter.    
Vielleicht kann man dazu sogar gratulieren. Wird so einer doch kein Kampfwicht wie Hemingway. Wie, der war auch eine Art Muttersöhnchen?  
Rätsel der Persönlichkeit.  
Jedenfalls gefällt mir Walzer besser als Proust, Hemingway und Houellebecq zusammen. In der "Meßmer"-Version besonders, wo Witz und griffige Formulierung kurz und erhellend zueinander finden:  

"Wenn alle so wären wie ich, wäre es furchtbar. Wenn nicht alle so wären wie ich, wäre es auch furchtbar."