Sonntag, 10. Oktober 2010

Wo bleibt der Tango?






Alles so schön flach da




- Argentinien, aber was ist es?

Anläßlich der Buchmesse quellen die Zeitungen über von Artikeln über Argentinien. 1930, als es in Argentinien mehr Autos gab als in Frankreich und mehr Telefone als in Japan (Tomas E. Martinez) schrieb Ortega y Gasset den Essay "Argentinische Intimitäten", dort heißt es:
"Der anomale Fortschritt des argentinische Staates offenbart die großartige Idee, die das argentinische Volk von sich selber hat. ... Die Masse begeistert der Anblick ihres Staates; denn er ist ihr Abbild und zerstampft mit niederwalzender Wucht ohne beträchtliche Mühe jeden ungefügen Willen, der ihm die Stirne zu bieten wagt. ... Beim Argentinier handelt es sich gewöhnlich nicht um schlechte Begabung, sondern er hat sich nie der Tätigkeit, die er ausübt, verschrieben, er hat sie nicht als seine Lebensbestimmung aufgefaßt, er betrachtet sie nie als endgültig, sondern als vorübergehende Station auf dem Weg zum einzigen, das ihn interessiert: seinem Aufrücken in eine höhere Vermögensstellung oder soziale Rangstufe."
(Ortega, Triumph des Augenblicks, Essays, S. 245, 259)

In seinem "Kleinen historischen Versuch über Argentinien", so der Untertitel seines Aufsatzes in der NZZ (Zweihundert Jahre Einsamkeit, 2.10.10) nimmt es wunder, daß Martinez nirgendwo auf Ortega Bezug nimmt, auch nicht auf den Wirtschaftshistoriker Davis Landes und dessen Werk "Wohlstand und Armut der Nationen".
Wenn man sich Gedanken über den Niedergang seines Landes macht, dann sollte man nicht nur ein paar Literaten gelesen haben. Die argentinische Diskussion Anfang des 20. Jahrhunderts, ob nicht im Hinblick auf den zunehmenden Wohlstand der protestantischen USA auch Argentinien die Zuwanderung nichtkatholischer Europäer zulassen solle, scheint dem Argentinier Martinez unbekannt zu sein. Die Erörterung wurde von den katholischen Interessenten abgeblockt, eine Änderung der Einwanderungsbedingungen unterblieb. Der Niedergang Argentiniens blieb. Die Neigung zu päpstlichen Führern, gemischt mit Prunksucht und Überheblichkeit - diese Mischung blieb ebenfalls.
Desgleichen wohl auch das Fehlen eines protestantischen Berufethos, wie es Ortega klug erörtert und beschreibt.
Vielleicht gilt auch immer noch, womit Ortega seine Betrachtungen schließt:
"Wie man sieht, ist der 'guarango' die ausschweifende und gröbste Form dieses Hanges zur Selbstbespiegelung, an dem der argentinische Mensch krankt."
Natürlich dürfen sich auch Nichtargentinier überlegen, wie es um ihr Berufsethos und ihre Einwanderungsbedingungen bestellt ist.
Das Beispiel Argentiniens gibt ebenfalls zu denken. Silberland ist abgebrannt.