Montag, 5. September 2016

Zumindest weiß man, daß die Gene zuerst da sind












Wie autonom entwickelt sich die Intelligenz? Wie weit sind die Gene auf Signale der Umwelt angewiesen, um angeschaltet zu werden? Das ist in der Tat eine zentrale Frage. Daher schreibt Stern:

“Nur wenn bestimmte Umweltbedingungen gegeben sind, können sich die genetischen Anlagen eines Menschen entwickeln. … Die Frage, ob ein Merkmal durch Gene oder Umwelt verursacht wurde, ist ganz offensichtlich nicht sinnvoll gestellt. Vielmehr muß man fragen: lagen Umweltbedingungen vor, die zu einer Genexpression führten?” (Stern, Intelligenz, S. 107)

Dies im einzelnen zu klären, ist natürlich nicht möglich. Große Komplexe lassen sich allerdings in den Umrissen erkennen. In einer Umwelt, in der es keine Schriftsprache gibt, entwickelt sich keine Lese- und Schreibfähigkeit. Diese entwickelt sich zudem in einem Zeitfenster. Luther wurde mit 4 Jahren in die Lateinschule geschickt. Wenn er da etwas gelernt hat, dann war er ein Frühentwickler. Bei den meisten Kindern ist die geforderte Hirnreifung für Lesen und Schreiben erst mit etwa 6 Jahren vorhanden. Das ist dominant genetisch gesteuert. Erfolgt in diesem Alter kein Angebot, bleibt der Mensch ein Analphabet. Im Erwachsenenalter bereitet die Alphabetisierung große Mühe. Das Angebot durch die Schule kann aber auf steinigen Boden fallen, wie die ziemlich große Zahl von etwa 7,7 Millionen an funktionellen Analphabeten im Deutschland einer ausgedehnten Schulpflicht zeigt. Die genetische Ausstattung reicht für ein normales Lernen nicht aus.
Stern: “Denn von den Genen hängt es ab, ob und wie auf bestimmte Umweltangebote reagiert wird.” (Ebd.)

Stern dreht sich etwas im Kreis. Einerseits betont sie die Dominanz der Gene, andererseits die Bedeutung von Umweltsignalen an den genetischen Apparat. Von T.J. Bouchard u.a. kommt außerdem der Hinweis, daß die Bedeutung der Genetik im Verlauf des Erwachsenenalters auf 60% zunehme. Im Jugendalter, heißt das umgekehrt, ist die Bedeutung der geeigneten Umwelt größer. Das Problem bleibt komplex. Jedenfalls läuft ohne das Genom nichts. Beim IQ nicht, und auch beim Problemlösen nicht: Dörner und Kreuzig, die zwischen hohem IQ und komplexem Problemlösen keinen signifikanten Zusammenhang fanden, s.u.a. http://www.psychologie.uni-heidelberg.de/ae/allg/mitarb/ms/komplexesproblemloesen.pdf.