Samstag, 21. Juni 2008

Straßenverkehr, Niederlande setzen auf Ältere, Benzin

"Pflückt die Genüsse, zu Asche werden wir von selbst" , Montaigne: wo?
- Apropos Pflücken: Man pflanzt sie nicht, man fördert sie nicht - und sie schmecken doch sehr gut, die kleinen, feinen, süßen Erdbeeren.
- Oh je, ist das teuer: 67 Cent pro Liter Benzin
Weltweit klagen Autofahrer über hohe Benzinpreise. In China ist der Liter jetzt über Nacht fast ein Fünftel teurer geworden. In der Autonation Amerika lassen immer mehr Menschen ihr Gefährt stehen. Dabei wären deutsche Autofahrer froh, wenn sie so wenig zahlen müssten wie Chinesen oder Amerikaner.
FAZ.NET Wirtschaft20. Juni 2008
- " pfi. (Peking) Um das schnell wachsende Heer von Autofahrern und die einheimische Autoindustrie nicht zu verärgern, verfügt die chinesische Regierung administrativ weit unter dem Weltmarktniveau liegende Preise für Benzin, Diesel und Heizöl. Die den Markt dominierenden staatlichen Erdölfirmen machten deshalb mit der Raffinerie von eingekauftem Erdöl Verluste und drosselten im letzten Herbst die Lieferungen, was zu Engpässen an Tankstellen führte. Darauf erhöhte die Regierung im November die Preise um 10% und begann, die Erdölfirmen zu kompensieren. Wie die Weltbank in ihrem soeben veröffentlichten China Quarterly Update ausgerechnet hat, wird dies 2008 dem Staat zusätzliche Ausgaben von schätzungsweise 0,8% bis 1,2% des Bruttoinlandprodukts verursachen. Kompensiert wird nur das zugekaufte Erdöl. Dass die Hälfte aus eigener Produktion stammt und im Ausland viel teurer verkauft werden könnte, bleibt bei den Berechnungen unberücksichtigt. So kann sich China seine Energiepolitik zwar vorläufig noch leisten, doch mittelfristig wird sie das Land teuer zu stehen kommen. Sie fördert nämlich die Verschleuderung von Energie. Viel zu wenig wird in eine Steigerung der vergleichsweise sehr niedrigen Energieeffizienz investiert. Wichtiger als drastische Preiserhöhungen wäre ein unzweideutiger Beschluss, die Preise in einem klar definierten Zeitrahmen an das Marktniveau heranzuführen, wie der Chef der Weltbank in China, David Dollar, betont. Ein klares Signal an die Haushalte und die Unternehmen würde dem Land enorme Umweltkosten ersparen. " NZZ 20. Juni 2008
Teure chinesische Benzinpreis-Politik

- " ADAC: Straßenverkehr wichtiger als gedacht
mmue. BERLIN, 16. Juni. Das Statistische Bundesamt hat nach Ansicht des Allgemeinen Deutschen Automobilclubs (ADAC) die volkswirtschaftliche Bedeutung des Straßenverkehrs bisher weit unterschätzt. Eine neue Studie zeige, dass vom Nutzen des Straßenverkehrs die gesamte Gesellschaft in weit größerem Maße als bisher gedacht profitiere. Die Verkehrsstatistik des Statistischen Bundesamtes weise rund 2 Millionen Beschäftigte in der Branche aus. Der ADAC berücksichtigt auch die Beschäftigten in der Bauwirtschaft, der Automobilproduktion oder im Güterverkehr. Dann sei jeder siebte Arbeitsplatz vom Straßenverkehr abhängig. Dabei erwirtschafte jeder der 5,8 Millionen Beschäftigten eine Bruttowertschöpfung von durchschnittlich 66 000 Euro. Insgesamt belaufe sich der Anteil des Straßenverkehrs am Bruttoinlandsprodukt mit mehr als 380 Milliarden Euro auf rund 18 Prozent."
Text: F.A.Z., 17.06.2008, Nr. 139 / Seite 12

- Deutsche Dämlichkeit: "Niederlande setzen auf Ältere. Kein automatischer Ruhestand mit 65 Jahren. now. BRÜSSEL, 16. Juni. In den Niederlanden sollen Arbeitnehmer künftig auf freiwilliger Basis über das 65. Lebensjahr hinaus berufstätig bleiben ... " FAZ 17.6.

Amflora und die europäischdeutsche Dummheit

BASF richtet Biotech-Forschung neu aus
Der führende Chemiekonzern reagiert auf die politische Verzögerung der Zulassung für die Genkartoffel Amflora: In der Pflanzen- Biotechnologie wird BASF künftig stärker außerhalb Europas forschen und auf rein europäische Projekte verzichten.
mir./pso. LUDWIGSHAFEN, 18. Juni. Der Chemiekonzern BASF hat aus den Schwierigkeiten mit der Zulassung seiner Genkartoffel Amflora in Europa Konsequenzen gezogen. Die Forschungsstrategie im Geschäftsfeld grüne Gentechnik wird neu ausgerichtet. Die BASF verzichtet auf rein europäische Forschungsprojekte wie zum Beispiel Amflora. In Zukunft wird nur noch erforscht, was sich auch international umsetzen lässt. Das kündigte der zuständige Vorstand Stefan Marcinowski im Gespräch mit dieser Zeitung an. Als Beispiele nannte er Pflanzen, die mit weniger Wasser auskommen, oder die Erhöhung der Ausbeute bei Baumwolle, Mais, Soja und Raps. Die Märkte der Zukunft sind hier allen voran Amerika und Asien.
Die Genkartoffel Amflora dagegen war von vornherein nur für den Gebrauch in Europa gedacht, und zwar als Rohstoff für die Stärkeindustrie, die wiederum Vorprodukte für die Papier- und Klebstoffproduzenten herstellt. In den Vereinigten Staaten setzt die Stärkeindustrie traditionell auf Mais als Rohstoff, in Asien und Teilen Lateinamerikas auf Maniok. Mit dem gut zehn Jahre alten Amflora-Projekt hat die BASF eine Kartoffel mit einem besonders hohen Stärkeanteil geschaffen. Auf 100 Millionen Euro summiert sich nach Marcinowskis Berechnungen der Vorteil durch Amflora in der gesamten Stärke-Wertschöpfungskette.

"Wir geben den Kampf um die Amflora-Zulassung nicht auf", bekräftigt Marcinowski, "da wir hundertprozentig überzeugt sind, dass Amflora gegenüber Menschen und Umwelt genauso sicher ist wie eine herkömmliche Kartoffel." Deshalb erwäge die BASF auch weiterhin eine Klage wegen Untätigkeit gegen die EU-Kommission. Amflora könnte längst auf dem Markt sein, doch das Zulassungsverfahren zieht sich hin. Amflora war eines der ersten Pflanzenbiotech-Projekte in Europa, erzählt Marcinowski.

Die europäische Behörde für Lebens- und Futtermittelsicherheit EFSA hat der Amflora-Kartoffel zwar die Unbedenklichkeit bescheinigt. Anschließend stimmte der EU-Ministerrat ab, wobei sich weder für die Zulassung noch für eine Ablehnung eine qualifizierte Mehrheit ergab. Seitdem ist der EU-Umweltkommissar Stavros Dimas am Zuge. Während die BASF der Ansicht ist, dass es keine Argumente mehr gegen die Zulassung gibt, hat Dimas erst einmal bei EFSA eine neue Bewertung angefordert. Somit ist eine Entscheidung vor dem Herbst nicht mehr zu erwarten. "Wir wurden und werden Jahr für Jahr in die Warteschleife gesteckt", kritisiert Marcinowski. Die Unterstützung durch die deutsche Politik könnte stärker sein, moniert er.

Für Marcinowski ist diese Verzögerung ein weiteres Beispiel dafür, dass Europa, einst führend in der grünen Gentechnik, den Vorsprung ohne Not verspielt. "Bisher gab es überhaupt nur eine Zulassung für genveränderte Pflanzen in Europa, in den Vereinigten Staaten dafür schon 70", zählt Marcinowski auf. Aus seiner Sicht ist der europäische Widerstand gegen die grüne Gentechnik in Deutschland und Österreich am stärksten ausgeprägt, während sich die Niederlande und Großbritannien aufgeschlossener zeigten. In Frankreich sei die Situation uneinheitlich.

Der Widerstand ist aus Marcinowskis Sicht schon deshalb absurd, weil Verbraucher, etwa über Importe von Lebensmitteln, die mit gentechnisch erzeugtem Futter produziert worden sind, ohnehin mit der grünen Gentechnik häufig in Kontakt kommen. "60 bis 70 Prozent aller Nahrungsmittel kommen mit Gentechnik in Berührung, etwa über Futtermittel oder Zusatzstoffe wie Enzyme", sagt Marcinowski. Gleichwohl sieht er die Chance, dass sich die Einstellung der Europäer und ihrer Politiker ändert. Dafür werde die Verteuerung der Lebensmittel, aber auch die generelle Ressourcenknappheit in der Landwirtschaft sorgen, die bei der zunehmenden Weltbevölkerung immer drängender werde. Hier könne die grüne Gentechnik einen wichtigen Beitrag leisten.

Der Beitrag der BASF wird allerdings immer stärker aus den Vereinigten Staaten und aus Asien stammen. Schon 2007 hat der Konzern erstmals einen größeren Teil seiner Forschungsausgaben für Pflanzenbiotechnologie außerhalb Europas getätigt. In erster Linie fließen diese Mittel inzwischen in die Vereinigten Staaten. Dort hat die BASF mit dem führenden Saatgut- und Pflanzenschutzkonzern Monsanto eine Forschungskooperation vereinbart. Falls es daraus entstehende Produkte bis auf den Markt schaffen, teilen sich BASF und Monsanto die Vertriebserlöse im Verhältnis 40 zu 60 Prozent. Das erste gemeinsam entwickelte gentechnische Produkt, ein trockenheitstoleranter Mais, wird nach Marcinowskis Worten frühestens 2012 auf den Markt kommen. Die Zusammenarbeit laufe bestens. In den vergangenen zehn Jahren hat die BASF rund 1 Milliarde Euro in die Pflanzenbiotech-Forschung gesteckt. Das bekannteste Produkt ist die besagte Amflora.

Zwar ist die Amflora nach Marcinowskis Worten ausschließlich für die industrielle Weiterverarbeitung gedacht und keinesfalls für die menschliche Ernährung. Doch selbstverständlich hat Marcinowski die Genkartoffel schon probiert. "Etwas breiig", beschreibt er ihren Geschmack, "für Kartoffelsalat nicht geeignet." Als er bei der jüngsten BASF-Hauptversammlung eine Amflora-Kartoffel öffentlich verspeisen wollte, bremsten ihn die Hausjuristen. Das wäre ein sogenanntes Inverkehrbringen, und das ist ohne EU-Genehmigung verboten.
Text: F.A.Z., 19.06.2008, Nr. 141 / Seite 14

Ölmarkt, Aktienmärkte


Der Sommer bleibt kühl, morgens 13°, regnerisch. Zwei der drei Nistkästen waren besetzt, Blaumeise und Kohlmeise; der dritte hat ein größeres Einflugloch, den Meisen offenbar zu groß, den Amseln wohl zu klein.

Kaum spekulatives Geld im Ölmarkt
Die Ölmarktteilnehmer rätseln, mit welch weiterer Überraschung Saudi-Arabien aufwarten könnte
19. Juni 2008 Die Wirtschafts- und Energieminister zahlreicher Nationen folgen an diesem Wochenende einer außergewöhnlichen Einladung des saudischen Königs Abdullah. Am Sonntag werden sich auf seine Anregung hin Vertreter der größten Öl produzierenden und Öl verbrauchenden Nationen in Dschiddah treffen, um gemeinsam über den extrem gestiegenen Ölpreis und ein weiteres, gemeinsames Vorgehen zu sprechen.

Nachdem Saudi-Arabien den Vereinten Nationen am 14. Juni eine Produktionserhöhung von 200.000 Barrel (ein Barrel sind 159 Liter) am Tag angekündigt hatte, rätseln die Marktteilnehmer nun, mit welch weiterer Überraschung Saudi-Arabien aufwarten könnte. „Nur eine kräftige Produktionserhöhung von hoher Qualität von mindestens 500.000 Barrel am Tag, die sofort mit Preisabschlag an den Markt abgegeben würde, könnte zumindest zeitweilig Druck auf den Ölpreis ausüben“, meint Robin Batchelor, Managing Direktor und Fondsmanager für Energie bei Blackrock Merrill Lynch.

Ölpreis liegt seit Wochen auf Rekordhöhe

„Es kommt vielleicht sogar mehr darauf an, welche Produktionspolitik Saudi-Arabien künftig einschlagen will“, heißt es bei Barclays Capital. Die Opec-Mitglieder Iran und Libyen haben sich bereits gegen eine Produktionserhöhung ausgesprochen. In der Londoner City wird die Konferenz in Dschiddah als politische Offerte Saudi-Arabiens gegenüber dem Westen angesehen, weniger jedoch als ernsthafter Versuch, den Ölpreis deutlich zu senken. „Das kann letztlich auch nicht im Interesse der Öl produzierenden Länder sein, da sie angesichts des abwertenden Dollars über einen höheren Ölpreis eine Kompensation für den Wertverlust erhalten“, meint Batchelor.

Seit zwei Wochen liegt der Ölpreis zwischen seinem Rekord von 139,89 Dollar je Barrel und 133 Dollar. Behauptungen von Seiten der Öl produzierenden Länder, Spekulationen an den Finanzmärkten erklärten den Preisauftrieb am Ölmarkt, werden am Londoner Finanzplatz indessen zurückgewiesen. „Spekulanten verstehen die Fundamentaldaten, die eine Verdoppelung des Ölpreises seit vergangenem Jahr erklären. Die Spekulanten kommen an den Markt, weil der Ölpreis steigt, aber nicht andersherum“, betont Batchelor.
Im Gegenteil: „Die spekulativen Kaufpositionen und das Open Interest am Terminmarkt sind derzeit niedriger als vor einem Jahr“, betont Barclays Capital. Weil aber die Zahl der Spekulanten mit Kaufpositionen am Ölmarkt rückläufig sei, sinke auch die Wahrscheinlichkeit, dass der Ölpreis durch Auflösung von Kaufpositionen plötzlich fallen könnte. Auch die Bewegung des Dollar erkläre den Preisanstieg nicht ausreichend, ist sich Batchelor sicher. Wenn Marktteilnehmer sich am Ölmarkt gegen Inflation oder Wertverfall des Dollar absicherten, entwickele dies eine Eigendynamik. „Wir kommen aber letztlich immer wieder auf die Fundamentaldaten von Angebot und Nachfrage zurück“, sagt der Fondsmanager.

Die Marktteilnehmer hätten erst in diesem Jahr verstanden, dass die Ölproduktion der Nicht-Opec Länder vom Jahr 2010 an sinken werde, weil sich Ölfelder zu schnell erschöpften und deren Produktion zu rapide einbreche. Über Jahre habe der Produktionsanstieg in Russland zudem die steigende Ölnachfrage Chinas aufgefangen, was jetzt aber nicht mehr der Fall sei. Wolle der Westen jedoch die Produktionskapazitäten der Welt erhöhen, könne er mit seinem Kapital in den wirklich großen Öl produzierenden Ländern wie Saudi-Arabien, Iran und Irak aus politischen Gründen nicht investieren. Die Forderung von Präsident George Bush, der Kongress solle Ölbohrungen vor Amerikas Küste erlauben, dürfte auf viele Jahre hinaus keinerlei Auswirkungen am Ölmarkt haben.

Batchelor investiert daher kräftig in Aktien Öl produzierender Unternehmen. „Der Markt bewertet die Titel, als ob ihr Gewinn immer noch von einem Ölpreis von etwa 85 Dollar abhängen würde. Hier wird es auf Dauer eine Neubewertung der Aktien am Markt geben“, ist sich Batchelor sicher. Goldman Sachs gab am Donnerstag aus ähnlichem Grund Kaufempfehlungen für russische Öl- und Gastitel heraus.

- " Nur ein Intermezzo
Vor den Aktienmärkten liegen noch drei bis vier gute Jahre
Klaus Holschuh gehört nicht zu denjenigen, die schnell wankelmütig werden. Schlechte Nachrichten nimmt der Volkswirt zwar durchaus zur Kenntnis, aber sie werfen seine durch langjährige Übung entstandenen Prognosen selten über den Haufen. Zu Holschuhs Erfahrungen gehört, dass Konjunktur, Zinsen und Aktienkurse in Amerika und Europa in der Regel einem 10 Jahre währenden Zyklus folgen. "Derzeit stecken wir in Amerika in einer wirtschaftlichen Schwächeperiode, und in Europa steht uns eine solche bevor. Aber es handelt sich nur um ein Intermezzo von rund eineinhalb Jahren. Wir sind nicht am Ende eines großen Zyklus", lautet Holschuhs Überzeugung.

Damit setzt sich die DZ Bank von anderen Banken ab. Unter vielen Analysten ist eine große Skepsis gegenüber den langfristigen Aussichten am Aktienmarkt ausgebrochen. Faktoren wie der hohe Ölpreis, die auch deshalb steigende Inflation und der hohe Euro-Wechselkurs lassen sie einen Rückgang der Unternehmensgewinne befürchten. "Die Gewinne steigen weiter. Vielleicht nicht mehr so dynamisch wie bisher. Aber wenn der Finanzsektor wieder Tritt fasst, wovon wir ausgehen, dürften die Gewinne der Dax-Gesellschaften im Jahr 2009 um bis zu 10 Prozent steigen", gibt sich Holschuh gelassen.

Anfang des Jahres war Holschuh gegen eine damals weit verbreitete Ansicht unter Bankanalysten angetreten. Er hatte prognostiziert, die amerikanische Wirtschaft werde nicht in eine Rezession abgleiten. Inzwischen ist weitgehend klar, dass Amerika tatsächlich eine Rezession vermeiden kann. "Im zweiten Halbjahr wird die Rezession in Amerika kein Thema mehr sein. Die Konjunktursignale werden immer positiver, und eine Leitzinsanhebung durch die Notenbank Fed wird von den Analysten als Zeichen wiedergewonnener Stärke begrüßt werden", bekräftigt Holschuh. Eine expansive Geld- und Fiskalpolitik, ein den Boden findender Immobilienmarkt und positive Einkaufsmanagerindizes als Frühindikator sollten ihre Wirkung entfalten. Der Dollar werde bis zum Jahresende um rund 10 Prozent aufwerten.

Europa hinkt nach Ansicht von Holschuh Amerika im Konjunkturzyklus hinterher. Trotz der Schaffung von zahlreichen Arbeitsplätzen dürften die Hoffnungen auf eine Belebung des Inlandskonsums enttäuscht werden. Wegen des teuren Öls hätten die Verbraucher reale Kaufkraftverluste. "Schließlich gibt ein Vier-Personen-Haushalt in diesem Jahr im Schnitt 2 Prozent mehr für Energie aus. Der hohe Ölpreis dämpft die Konjunkturdynamik massiv", befürchtet Holschuh. Die Europäische Zentralbank (EZB) zeige sich entschlossen, mit Zinserhöhungen einer Lohn-Preis-Spirale entgegenzuwirken. Aber die hohe Inflation im Euro-Raum sei nicht auf Lohndynamik, sondern auf die hohen Agrar- und Ölpreise zurückzuführen, die von der EZB kaum zu beeinflussen seien. "Die EZB steht ungefähr da, wo die amerikanische Fed Mitte 2006 stand, das heißt, vor Zinserhöhungen, die wegen des dämpfenden Effekts auf Inflation und auch Konjunktur womöglich bald wieder zurückgenommen werden können", sagt Holschuh. Ohnehin wirke die in der Finanzkrise gestiegene Prämie für Drei-Monats-Geld wie eine Leitzinserhöhung von 50 Basispunkten. "Anders als in Amerika in 2006 sind die Zinsen im Euro-Raum heute schon hoch", sagt Holschuh.

Am Ölmarkt erwartet Holschuh auf Dauer eine Entspannung. "Durch den expansiven Preisanstieg hat sich dort eine Blase gebildet, aber niemand weiß, wann sie platzt", meint er achselzuckend. Die Ansicht, dass viel Spekulation im Ölpreis stecke, begründet er mit den Grenzkosten der Ölproduktion, die ganz klassisch jahrelang ein guter Indikator für den Ölpreis gewesen seien. Derzeit klafft die Spanne weit auseinander: Die marginalen Produktionskosten liegen nach Angaben Holschuhs bei 70 bis 75 Dollar Dollar, während der Preis für 159 Liter Öl fast 140 Dollar beträgt.
Wegen der restriktiven Geldpolitik der EZB und des hohen Ölpreises erwartet Holschuh eine schwache Konjunktur in Europa im zweiten Halbjahr 2008 und im Gesamtjahr 2009. Dennoch rät er zum Aktienkauf. "Die Aktien im Dax haben derzeit ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von 9. Das ist Rezessionsniveau und übertrieben. So schlimm wird die Konjunkturabschwächung nicht werden", sagt Holschuh. Zudem werde ein aufwertender Dollar, ein womöglich nachgebender Ölpreis und eine sich wieder erholende Konjunktur in Amerika die Aktienkurse stützen. Vor allem Automobil- und Chemiewerte, aber auch Finanzwerte gehören zu Holschuhs Favoriten.
Als andere Banken die Dax-Prognose zurücknahmen, hat die DZ Bank vor wenigen Tagen ihr Dax-Ziel für die kommenden zwölf Monate auf 8300 Punkte hochgeschraubt. Holschuh setzt darauf, dass vom Jahr 2010 an noch eine weiterer Phase konjunkturellen Aufschwungs kommt - und mit höheren KGVs einhergeht. Hanno Mussler"
Text: F.A.Z., 20.06.2008, Nr. 142 / Seite 19