Sonntag, 8. Januar 2017

Federico Mompou: Prelude No. 3

Luther und Trump


“Die Geschichte aber ist ungerecht ... sie liebt nicht sehr die Menschen des Maßes, die Vermittelnden und Versöhnenden, die Menschen der Menschlichkeit. Die Leidenschaftlichen sind ihre Lieblinge, die Maßlosen, die wilden Abenteurer des Geistes und der Tat: ... es ist das Schicksal jedes Fanatismus, dass er sich selbst überspielt. Die Vernunft, sie, die ewige und stille geduldige, kann warten und beharren. Manchmal, wenn die anderen trunken toben, muss sie schweigen und verstummen. Aber ihre Zeit kommt, immer kommt sie wieder.”
Stefan Zweig: Triumph und Tragik des Erasmus von Rotterdam S. 22/23

Schön gesagt! Und die Vernunft - nennen wir sie einmal so - ist doch tatsächlich wiedergekommen: die Gewaltideologien des Faschismus und Stalinismus sind nicht mehr, die stalinistischen Diktaturen implodierten, Kommerz statt Kommunismus herrscht. Wahrlich eine gute Entwicklung. Wenn in Nahost noch die Sunniten und Schiiten aufeinanderschlagen, so entspricht das nur ihrer geistigen Zurückgebliebenheit.

Natürlich sind es nicht die grauen Mäuschen und Bibliothekare, nicht die Erasmus und Castellio, die eine Wirkung in der Politik, in der Geschichte entfalten, sondern derbe Krachmacher, wie eben Luther. Den kennt heute jeder, während Erasmus kaum noch bekannt ist, und Castellio sowie Socinus weitgehend vergessen sind. Die Krachmacher kennt man seit Alkibiades im alten Athen. Ohne Krach und Moos - Luther hatte auch Zaster - nichts los. In demokratischen Zeiten hat sich das nicht geändert, sondern hat sich eher verstärkt, weil es nicht mehr reicht, einen sächsischen Herzog zu gewinnen, sondern viele Stimmen. Und gegen mächtige Bürokratenorganisationen - ob die Papstkirche oder die etablierten Parteien und Eliten mit ihren Massenmedien, die einen Alleinvertretungsanspruch stellen - da hilft nur Donnern und Klappern. Deswegen war selbst der beredsame Calvin gegenüber Luther im Hintertreffen. Und deswegen konnte auch dieser Tage ein Trump sich gegen die vereinigte Bürokratie Washingtons durchsetzen. Luther, der bei Tisch schwadronierte, rülpste und furzte, zielte tief - und gewann die Reformation. Erasmus hatte da keine Chance. Trump zielte ebenfalls tief und gewann ebenfalls. Während der Fanatiker Luther nach seinem Sieg der Gewalt huldigte - Bauernkrieg, Juden- und Hexenverfolgung - ist das bei dem Kommerzfreund Trump nicht zu befürchten. Kommerz zivilisiert. Religion bleibt gefährlich.