Montag, 31. August 2020

Hypochondrie und Vorsorgeneurose

Eine der ärgerlichsten Situationen ist die, wenn man, aus übertriebener Sorgfalt, einem Unfalle vorzubeugen, gerade unternimmt, was ihn einem auf den Hals zieht, da man ohne alle Vorsicht ganz gewiß sicher gewesen wäre. Denn außer dem Unangenehmen, das die Sache schon für sich allein hatte, wird sie noch dadurch bitterer, daß man sich selbst Vorwürfe und bei andern lächerlich macht. Ich habe jemanden ein kostbares Gefäß dadurch zerbrechen sehen, daß er es von einer Stelle wegtragen wollte, an der es wenigstens ein halbes Jahr ruhig gestanden hatte, bloß weil er fürchtete, es möchte einmal von ungefähr heruntergestoßen werden.” Lichtenberg, Sudelbücher, Heft K, [K 131] (bei Zeno.org) 

Vor der übertriebenen Vorsorge ist heute nichts mehr ausgespart. Je stärker sich die Lebenserwartung ausdehnt - 78,5 Jahre bei Jungen, 83,3 bei Mädchen - desto versessener erfolgt die Jagd auf mögliche Gefahren, die bereits die Grenze zur Hypochondrie weit überschritten hat. Die einschlägigen Medien von BILD bis ZDF füttern diese Hypochondrie täglich auf’s Neue und ubiquitär. 

Herzinfarkte, die aus Corona-Angt zuhause ausgesessen werden, statt unverzüglich ins Krankenhaus verbracht zu werden, und die dann tödlich enden oder Lähmungen hinterlassen, sowie andere Coronapanik-Schäden, werden vom Parteienkartell im Bundestag schlicht ignoriert.

 








Schwierige Mittelzustände

 


"In keiner Streitigkeit, deren ich mich erinnere, sind je, glaube ich, die Begriffe so verstellt worden, als in der gegenwärtigen über Freiheit und Gleichheit. Seht, ruft die eine Partei, hin nach Paris, da seht[424] ihr die Früchtchen der Gleichheit! Und es ist betrübt, zu sehen, daß sogar berühmte Schriftsteller in diesen Ton mit einstimmen. Eben so könnte ich rufen: ihr, die ihr ein so großes Glück im Umgange mit dem andern Geschlecht und in der Liebe findet, seht dort die Hospitäler der Nasenlosen! oder ihr, die ihr von dem Labsal sprecht, das euch beim Genuß der Freundschaft der Wein gewährt, seht dort die Trunkenbolde in den Klauen der Schwindsucht im Kreise verhungernder Kinder langsam dahin sterben! Ihr Toren, möchte ich sagen, so lernt uns doch verstehen! O ich glaube auch, ihr versteht uns nur allzu wohl, ihr deraisonniert nur deswegen so, weil ihr fürchtet, die Welt möchte uns verstehen. Die Gleichheit, die wir verlangen, ist der erträglichste Grad von Ungleichheit. So vielerlei Arten von Gleichheit es gibt, worunter es fürchterliche gibt, eben so gibt es verschiedene Grade der Ungleichheit, und darunter welche die eben so fürchterlich sind. Von beiden Seiten ist Verderben. Ich bin daher überzeugt, daß die Vernünftigen beider Parteien nicht so weit von einander liegen, als man glaubt; und daß die Gleichheit der einen Partei, und die Ungleichheit der andern wohl gar am Ende dieselbigen Dinge mit verschiedenen Namen sein könnten. Allein was hilft da alles Philosophieren? Dieses Mittel muß erkämpft werden, und wird die Übermacht von einer Partei zu groß, zumal wenn der Mutwille der andern unbändig war, so kann es auch sehr viel schlimmer werden. Es ist aber nur zu befürchten, daß jene mittlere Gleichheit oder Ungleichheit (wie man will) von beiden Parteien gleich stark verabscheut wird. Sie muß also wohl mit Gewalt eingeführt werden; und da ist es denn dem Einführenden nicht zu verdenken, wenn er sich einen etwas starken Ausschlag gibt. Hierin liegt überhaupt ein allgemeiner Grund von der Seltenheit guter Mittelzustände."

Lichtenberg, Sudelbücher, Heft K, 144 (bei Zeno.org)

Der Mittelzustand ist der der Gleichheit vor dem Gesetz. Die Forderung nach mehr Gleichheit führt in eine destruktive Spirale.












Midori plays Bach - Chaconne, Partita No. 2

Donnerstag, 27. August 2020

Der Feind der offenen Gesellschaft


Es wäre nicht nötig gewesen, aber es geschah: im August 1770 wurde in Stuttgart ein Knäblein geboren, das sich als Georg Friedrich Wilhelm Hegel entpuppte. 

Sein Wirken brachte Golo Mann auf den Punkt:

„Das, was schon in Hegel Gefährliches war, übernahm Spengler; die Verherrlichung des Krieges, die Vergottung von Macht und Erfolg.“ Golo Mann, Deutsche Geschichte, S. 731 + 103 ff.










 

Lang Lang - Franz Liszt Consolation No. 3 in D-Flat Major, S 172 2011

Mittwoch, 26. August 2020

Gedeihe, meint Seligman


Martin Seligman bemüht sich um Konkretion in seinem Programm der Positiven Psychologie. Man kann das als hilfreich einordnen, so kann es funktionieren, wenn ein grundsätzlich Einverständnis zur Verhaltensänderung vorhanden ist. Der Schritt davor aber - die Öffnung hin zu einer solchen Kommunikation - der gelingt nur unter günstigen Bedingungen.

Samstag, 22. August 2020

Forschende Wissenschaft ist auch vom Zufall abhängig, die Ergebnisse sind als Handlungsgrundlage unsicher

“Ähnlich wie Recht nur noch als positives Recht anerkannt wird, obwohl das Rechtsgefühl sich schwerlich damit abfindet, ist auch alles wissenschaftliche Wissen kontingent und abhängig von den Bedingungen, die die Formulierungen und Reformulierungen einschränken. Das besagt nicht, daß pures Belieben herrscht; wohl aber, daß die Domestikation des Unwahrscheinlichen von systemeigenen Bedingungen abhängt, die ihrerseits nur durch systemeigene Operationen geändert werden können und nur, wenn dies Erklärungen (Reformulierungen) mit größerer Reichweite und Anschlußfähigkeit ermöglicht. Entsprechend ist Wahrheit eine wissenschaftsspezifische Markierung, die als Moment eines Codes nur in diesem System anschlußfähig ist.

In der gesellschaftlichen Umwelt übernimmt man die so markierte Kommunikation als Wissen. Man überschätzt die Sicherheit dieses Wissens und vor allem die Verläßlichkeit als Handlungsgrundlage.”

(Luhmann, Die Wissenschaft der Gesellschaft, S. 256)  

Donnerstag, 20. August 2020

Alles neu!

 Auf eine solche Denkfigur muß man erst einmal kommen, sie ist ja völlig absurd: "Nach der Vernichtung des alten Himmels und der alten Erde heißt es bei Johannes:

“Siehe, ich mache alles neu!” (Apoc. 21,5)

So ähnlich klingt es auch bei Karl Marx. Und auch bei Schellnhuber: "Selbstverbrennung: Die fatale Dreiecksbeziehung zwischen Klima, Mensch und Kohlenstoff"



Bevor alles gut wird, muß erst einmal der Teufel gefesselt werden, wie auch der Kapitalismus, ebenso das Kohlendioxid. 


Ob Heuschreckenschwärme in Mähren bei Karl IV. (1313-1378), ob Sonnenfinsternis am 5.5.840 in der Lombardei, ob Pest oder Hochwasser - alles wurde apokalyptisch interpretiert. Heute als "Botschaft der Erde".  








Montag, 17. August 2020

Zu Risiken und Nebenwirkungen ...




“Bei Gefahren denkt man jedoch an Schäden, die ohne eigenes Zutun eintreten oder nicht eintreten werden, bei Risiken dagegen an Schäden, die als Folge eigenen Handelns oder Unterlassens eintreten oder nicht eintreten werden. … Aber aufs Ganze gesehen nimmt in einer Gesellschaft, die wichtige Kommunikation über Medien steuert, die Thematisierung von Gefahren ab und die Thematisierung von Risiken zu - mit der leicht zu beobachtenden Folge, daß die Gesellschaft mehr und mehr Angst vor sich selbst erzeugt.”

(Luhmann, Die Wissenschaft der Gesellschaft, S. 252ff.) 

Das muß man sich als Spirale ohne Ende vorstellen.











 

Sonntag, 16. August 2020

Schöner Mezzo. /// Joyce DiDonato - Berlioz - Les nuits d'été - 'Le spectre de la rose'

Gedächtnis-Immunzellen / T-Lymphozyten



„Eine Eigenheit des neuen Coronavirus ist, daß Menschen sehr unterschiedlich darauf reagieren. 80% der Infizierten werden schnell mit dem Virus fertig und entwickeln keine oder nur leichte Symptome. Mehrere Studien aus Deutschland, den Niederlanden, Großbritannien, den USA und Singapur haben gezeigt, daß zwischen 20 und 50% der untersuchten Personen schon lange vor der Pandemie Gedächtnis-Immunzellen hatten, die auf das neue Virus, Sars-CoV-2, ansprachen.“  








Samstag, 15. August 2020

Bei Licht besehen

 

“Reputation wird an Eigennamen verliehen, also an semantische Artefakte mit eindeutiger, rigider Referenz. … Sie stehen gleichsam orthogonal zur Skala wissenschaftlicher Relevanz. … Mit der Anerkennung von Reputation wird der Bedarf an Kausalzurechnung in die Form eines Nebencodes des Wahrheitsmediums und damit des Wissenschaftssystems gebracht. … Zahlreiche Einrichtungen des Wissenschaftssystems dienen nahezu exklusiv dem Prozessieren von Reputation. … Aber auch Organisationen (Unis, Institute usw.), Zeitschriften, Verlage, ja, selbst wissenschaftliche Konferenzen können davon profitieren - profitieren gleichsam im Mondlicht der Reputation, die zunächst ihren Autoren, Teilnehmern usw. zukommt. … Andererseits besteht sie in einem Übertreibungseffekt, in der Annahme ‘einmal gut, immer gut’. Auch dieser Übertreibungseffekt entsteht jedoch nicht ohne sachliche Grundlage, da erworbene Reputation besseren Zugang zu Mitteln, bessere Positionen, bessere Publikationsmöglichkeiten erschließt.”    

(Luhmann, Die Wissenschaft der Gesellschaft, S. 246ff.)  

Ja, das Mondlicht der Reputation bescheint so allerlei. Aber kein Vergleich zum Strahlenglanz der Sonne. Auch Wissenschaftler gieren nach der Sonne. Und wer es nicht über den Nobelpreis schafft, der schafft es vielleicht über die Politik, die viel Geld besitzt, weil sie den Bürgern ständig in die Tasche greift. Wer sich lautstark in Szene setzt - gar ein Weltrettungsrezept anbietet - der verfügt über gute Chancen.  












Händel mit Barock-Instrumenten. /// Handel-Trumpet Concerto in D

Mittwoch, 12. August 2020

Ersatzkonstruktion

Das gibt zu denken: 

“Für alle codierten Medien scheint zu gelten, daß sie sich einer religiös-kosmologischen Rückfrage nach dem ‘Ursprung’ versagen. Zumindest seit dem späten 18. Jahrhundert, seitdem die Frage nach dem Ursprung zur Frage nach der Geschichte geworden ist, ist die Unergiebigkeit eines Anfangsmythos offensichtlich. … Andererseits kommt man ohne Ersatzkonstruktion, ohne Kausalzurechnungen nicht aus. Wahrheit schließlich wird in der kommunikativen Praxis dieses Mediums so behandelt, als ob sie ihren Entdeckern, Erfindern, Konstrukteuren zu verdanken sei. Daß diese Urheber ihrerseits von strukturierenden Vorgaben abhängen, daß in ihren Biographien Zufall die entscheidende Rolle spielt … wird zwar nicht bestritten, gilt aber nicht als die eigentliche Leistung. Die Zurechnung auf Personen wählt aus, pointiert eine im Netz der Bedingungen faßbare, benennbare Stelle, wertet eine Einzelursache auf und führt auf diese Weise Kausalität in ein prinzipiell zirkuläres Geschehen ein.” (Luhmann, Die Wissenschaft der Gesellschaft,  S. 244f.) 

Die Frage ist aber, ob sich nicht in einer Person Zusammenhänge bündeln, die zwar keine direkte Kausalität begründen, aber doch eine deutliche Adresse abgeben.












Dienstag, 11. August 2020

Wenig gesellig

 

“Im 17. Jahrhundert wird zunehmend deutlich, daß Wissenschaftler für gesellige Interaktion, besonders am Hofe, nicht taugen. Sie erweisen sich als zu sehr in ihr Wissen engagiert; und da dieses Wissen kettenförmig gegeben sei und das eine das andere nach sich ziehe, fehle ihnen, meint zum Beispiel Jacques de Callières, die nötige Aufmerksamkeit und Sensibilität für Geselligkeit. Damit scheidet die Wissenschaft aus den Reservaten aus, in denen die Stratifikation noch besonders gepflegt wird - und kann sich um so mehr ihren eigenen Angelegenheiten widmen.” (Luhmann, Die Wissenschaft der Gesellschaft,  S. 242) 

Dies ist heute sehr weit fortgeschritten der Fall. Der Wirtschaftsweise Lars Feld trägt einen Brillanten im linken Ohr, ein unbürgerlicher Schmuck, der von einem Nasenring einer jungen Doktorandin noch übertroffen wird. In Universitäten und Instituten herrscht eine ziemlich unbürgerliche Atmosphäre, die in den fünfziger und sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts unvorstellbar gewesen wäre. Nicht nur der Professor, auch die meisten Studenten trugen Schlips, Kragen und Kleid und siezten einander. 

Anfang der sechziger Jahre bildete sich sogar eine radikal antibürgerliche Bewegung aus, assistiert von neomarxistischen Lehrern. 

Der Werdegang Franz-Josef Degenhardts illustriert diese Entwicklung gut. Aus der katholischen Oberschicht stammend studierte er das damals besonders bürgerliche Fach Jura, promovierte darin und sang dann von Kaninchenställen im berühmten Lied “Spiel nicht mit den Schmuddelkindern”. Ob der Mann schon einmal Kaninchenställe gesehen hatte? Ihre Größe und Beschaffenheit? Man muß es bezweifeln. Die völlige Unmöglichkeit, nach Kaninchenstall zu stinken, juckte aber den jungen Spinner nicht, der seinem Milieu, einschließlich seinem Onkel Bischof Degenhardt, einfach nur vors Schienbein treten wollte. Auch sonst fällt der Realitätskontakt dieser Protestschmonzette kläglich aus mit seiner Aneinanderreihung von krummen Klischees, in der die Ratten herumwuseln zwischen “dürren Tantengreisen

unter roten Rattenwimpern”. Diese Karriere führte zur DKP und ins Stalinistische. An den Unis aber wuchs mit Abendroth und Adorno, mit Horkheimer und Fülberth, Wolfgang Fritz Haug und Helmut Kentler das antibürgerliche und neomarxistische Moment. Das Bürgerliche besteht nur noch in Restbeständen und wir wollen ihm nicht nachtrauern. Aber den damit einhergehenden Verlust von wissenschaftlicher Solidität und Leistung - den bedauern wir schon. 











Schubert - Moment Musicaux Op.94 No.3 in F minor (D.780)

Freitag, 7. August 2020

Das Mittelalterliche Kriminalmuseum in Rothenburg / Strafen


Für das Strafen bestand ein ausgeprägter Sinn. Schon in der Antike. Schon im Alten Testament: "1 Samuel 15
Saul soll die Amalekiter ausrotten
15 Eines Tages kam Samuel zu Saul und sagte: »Der Herr hat mich damals beauftragt, dich als König über sein Volk Israel einzusetzen. Nun ist es an dir, dem Befehl zu gehorchen, den der Herr dir heute gibt. 2 Der Herr, der allmächtige Gott, hat gesagt: Ich habe nicht vergessen, was die Amalekiter meinem Volk angetan haben. Als die Israeliten damals unterwegs waren von Ägypten nach Kanaan, da stellten sich ihnen die Amalekiter in den Weg. 3 Darum sollst du nun gegen dieses Volk in den Kampf ziehen und mein Urteil an ihnen vollstrecken! Verschone nichts und niemanden, sondern töte Männer und Frauen, Kinder und Säuglinge, Rinder und Schafe, Kamele und Esel.«"
Im "Lancelot" des 13. Jahrhunderts geht es ähnlich zu.
Das Mittelalterlichen Kriminalmuseum in Rothenburg o.d.T. zeigt Haarsträubendes. Auch in Italien gibt es ein solches Museum.

Papst Gregor I., "der Große", 540-604, sang nicht nur gregorianisch, sondern machte sich auch Gedanken über die gerechte Bestrafung: 
STOLZ: Auf's Rad flechten. NEID: In gefrorenem Wasser versenken. WOLLUST: Verbrennen in Feuer und Schwefel. ZORN: Bei lebendigem Leib zerstückeln. 
HABGIER: In Kessel mit siedendem Öl tauchen. 
Etc. In der Hölle. Ewig. (Hinweis bei Steven Pinker, GEWALT, S. 44)

Mittwoch, 5. August 2020

Rückblick. Unter Katholiken


Otto III. und Crescentius I. Nomentanus.
"Er war Sohn des Crescentius de Theodora und der Sergia. Sein Bruder war Johannes I. Crescentius. Er selbst war verheiratet mit Stephania. Aus dieser Ehe ging ein Sohn, Johannes II. Crescentius, hervor. Die mächtige Familie der Crescentier beherrschte Ende des 10. und Anfang des 11. Jahrhunderts Rom und die Päpste.

Er war – unter Papst Johannes XV. (in Rom der eigentliche Machthaber) – Anführer der Rebellion gegen den Kaiser. Nachdem Kaiser Otto in Rom seinen Cousin Brun(o) von Kärnten als Gregor V. zum Papst wählen ließ, saßen beide über Crescentius zu Gericht. Er wurde zum Tode verurteilt, aber vom neuen Papst begnadigt. Daraufhin leistete Crescentius dem Kaiser den Treueeid. Als Otto III. 997 Rom verließ, brach Crescentius I. Nomentanus seinen geleisteten Treueeid wieder und kürte mit Hilfe der Byzantiner den Kalabresen Johannes Philagathos zum Gegenpapst Johannes XVI. Ohne die Präsenz und somit ohne den Schutz des Kaisers musste Gregor V. nach Spoleto fliehen. Mit Unterstützung Ottos kehrte er jedoch 998 zurück.

Nach der Erstürmung der Engelsburg wurde Crescentius gefangen genommen und wegen Eidbruchs zum Tode verurteilt. Er wurde auf den höchsten Turm der Engelsburg geführt und vor den Augen der johlenden Menge enthauptet. Sein Leichnam wurde von den Mauern hinabgestürzt und letztlich mit den Füßen nach oben an einem Galgen auf dem Monte Mario aufgehängt.[1]" "Der Gegenpapst Johannes Philagathos flüchtete aus Rom und versteckte sich in einem befestigten Turm. Er wurde von einer Abteilung des ottonischen Heeres gefangen genommen und geblendet, seine Nase und Zunge wurden verstümmelt. Schließlich setzte ihn eine Synode ab. (Wiki.)















GILELS, Beethoven Piano Sonata No.31 in A flat Op.110

Sonntag, 2. August 2020

Mehr Wasser!

Pont du Gard - ein besonders eindrucksvoller Aquädukt aus der Zeit Senecas in Südfrankreich; das Mittelalter ließ ihn verkommen, er wurde unbrauchbar.

Foto: ignis/Wiki.


"Die Wasserversorgung mit Hilfe von Rohrleitungen wurde in zahlreichen Städten im 14. und 15. Jahrhundert eingeführt. Auf diese Weise konnte man auf Fluß- oder Quellwasser aus entfernteren Gebieten zurückgreifen. In Klöstern ist der Gebrauch von Wasserleitungen schon in früher Zeit belegt. So wird beispielsweise für die Zeit um 600 eine Bleileitung im Baptisterium von St. Julien in Viviers genannt. Im 10. Jahrhundert wird von Wasserleitungen in den Klöstern von St. Gallen und Weißenburg im Elsaß berichtet.[9] Im Vergleich zu den Klöstern fand die Infrastruktur in den mitteleuropäischen Städte erst sehr viel später Verwendung. In Freiburg ist eine Wasserleitung für das Jahr 1317 nachgewiesen, in Nürnberg setzen die Nachrichten über Trinkwasserleitungen in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts ein. In Bern wurde die erste Wasserleitung 1393 installiert, 1420 folgte eine zweite. Für das 15. Jahrhundert lassen sich schließlich in vielen Städten Rohrleitungen belegen, darunter in Ulm, Zürich und Regensburg. ..." (Karsten Kramer, Wasserversorgung und Entsorgung in der mittelalterlichen Stadt Mitteleuropas, 2004)


Wasserleitungssysteme gab es in der Antike praktisch überall: In China, Südamerika (Inkas), Ägypten, Griechenland einschließlich des griech. Kleinasiens, und natürlich in Rom. Römische Ingenieure bauten sie bis weit im germanischen Norden und hinterließen zahlreiches Anschauungsmaterial. Trotzdem verschwanden die Fertigungs- und Baukompetenzen mit der Christianisierung überall in Europa. Noch das prächtige Schloß von Versailles war ein großer Stinkbunker und Rattenpalast. Mit der Renaissance - der Rückbesinnung auf die Antike - drang auch erneut ein langsam wachsendes Hygienebedürfnis in die auf Spirituelles trainierten Köpfe. Damit begann auch die Neuzeit, in der die Gedanken nicht mehr nur auf die Wiederholung des Alten gerichtet waren. Neues wurde nicht mehr nur als Ablenkung von religiöser Besinnung und dem guten Alten betrachtet. Das war ein langer Prozeß, das Erkennen selbst erfuhr eine neue Kalibrierung. Man kann das daran erkennen, daß Religion und Politik zwar an das antike Rom anknüpfen wollten, aber nur in der platonisch-religiösen Sphäre als “Heiliges Römisches Reich”, im dem die Sickergrube für Fäkalien schon eine luxuriöse Errungenschaft darstellte. Goethe wies man auf der Italienreise im Hotel noch den Hof für sein Geschäft an, wie er berichtet. 

Wenn im Mittelalter von einzelnen Klöstern angegeben wird, daß sie über eine Wasserleitung verfügten, so wird das - wenn so zutreffend - an der Adelseinrichtung Kloster gelegen haben, wo der adlige Abt als Individuum großen Herrschaftsspielraum besaß und sich möglicherweise durch römische Aquädukte anregen ließ. 



Eh... - Alexandra Grimal 4tet - Victoires du Jazz 2010

Samstag, 1. August 2020



Vorsicht! Das ist ja neu! Neuheitsschock droht!

“Die Wissenschaft sucht und produziert  das Neue und Überraschende ja nicht um seiner selbst willen, sondern um es zu unterdrücken und in Erwartbares zu transformieren. Mit dem Symbol Wahrheit wird kommuniziert, daß dies gelungen ist. Man präsentiert Überraschungen mit dem Zusatzsymbol: für alle gültig. … Noch im 17. Jahrhundert findet man den Begriff der Neuheiten (nouveautes) pejorativ gebraucht - natürlich in der Religion, aber auch in der Politik.” (Luhmann, Die Wissenschaft der Gesellschaft, S. 218ff.)

Alte Denkmuster verlieren durch diese Entwicklung an Geltung, das Konservative und das Religiöse kommen unter Überzeugungsdruck und verlieren an Einfluß, während die Linke und die Progressiven sich zu Bannerträgern des Neuen und Fortschrittlichen machen. Selbst stammesgeschichtlich kodierte Vergesellungsformen wie die traditionelle Ehe werden heute entwertet zugunsten beliebiger anderer Lebensgemeinschaften. Hier wird eine kulturelle Entwicklung zum Feind von Naturmustern und unterhöhlt das gesellschaftliche Fundament. Wie weit das bereits fortgeschritten ist, ersieht man am Rückgang der indigenen Geburten und dem Import von Gruppen, die sehr stabil an alten, vorwissenschaftlichen Denkmustern wie der Sklaverei der Frauen in allen Schattierungen festhalten, verbunden mit dem Eroberungsgeist monotheistischer Religionen. Sie besitzen den Vorteil der hohen Geburtenzahl und der entschlossenen Ablehnung von Wissenschaft. Die westeuropäischen Gesellschaften können den Niedergangskonsequenzen nicht mehr entkommen. In Osteuropa sieht das anders aus, weil es die zerüttende Zuwanderung vermeidet und zugleich mit der hergebrachten Religion Lebensmuster für die Mehrheit anbietet; dieses Religionsangebot besitzt zugleich eine gewisse Würde durch ihr großes Sinntexte-Angebot. Dies trifft allerdings nur für das konservative Christentum zu, das an dem Geist des Alten Testaments festhält und nicht dem realitätsfeindlichen Neuen Testament zuviel Kredit einräumt, wie es die EKD tut. Das Spannungsverhältnis zur Wissenschaft ist jedoch unaufhebbar, wie man in den USA sieht. Konservative Christen und konservative Säkulare stehen dort gegen Beliebigkeitsindividualisten, randseitige, an der Grenze zur Verwahrlosung lebende Kommunitäten, wissenschaftsfreundliche und wissenschaftsirrsinnige akademische Institutionen sowie linke Fanatikergruppen. Befriedende ökonomische Vorteile lassen sich nur erzielen durch konsequentes Abrücken von teuren Klima-Fehlanlagen und Lähmungen durch Produktionsunterbrechungen. 

Die Zukunft ist offen.  


Erik Satie - Gnossiennes 1-6