Mittwoch, 23. Oktober 2019

Die Englischen Suiten haben nichts Englisches an sich, ein Irrtumsname. /// Bach English Suite No 6 BWV 811 D minor Andras Schiff

Klimaflattern







Hier sehen wir das sog. KLIMAFLATTERN - einen Wechsel von Warm- und Kaltzeit. Die Ursache ist unbekannt.
Mutmaßlich leben wir jetzt in einer Zwischeneiszeit. Eine neue Vereisung ist zu befürchten.










Christianisierung in der Antike

"Um die Wende vom 2. zum 3. Jahrhundert lassen sich zwei gegenläufige Entwicklungen beobachten: auf der einen Seite werden die Christen von antichristlichen Autoren als gänzlich ungebildete Zeitgenossen vorgestellt, die aus den untersten Schichten (de ultima plebe) stammen, auf der anderen Seite gelingt es dem Christentum in den Großstädten zum ersten Mal nicht nur, eine größere Zahl von Intellektuellen zu gewinnen, sondern mit dem karthagischen Rhetor Tertullian, einem Mitglied des ordo equester, sowie einer Reihe von Lehrern der sogenannten alexandrinischen Katechetenschule, darunter Origenes, einige der klügsten und originellsten Köpfe des römischen Reiches für sich einzunehmen. Im Mittelpunkt des Vortrags steht die Frage nach den Ursachen dieser Entwicklung. Dabei soll ein wichtiger Aufsatz von Norbert Box herangezogen werden, der die These aufstellt, dass es im zweiten und dritten Jahrhundert so gut wie keine christliche Mission gegeben hat. Wenn pagan geprägte Gebildete sich dem Christentum nicht aufgrund missionarischer Werbung anschlossen, was hat sie dann dazu gebracht, dieser übel beleumundeten Religion näherzutreten?"
So die Inhaltsangabe Gregor Schöllgens zu seinem Vortrag in Düsseldorf.

Wie klug etwa Tertullian war, der das Theater mit langer Wirkung verbannte, sei dahingestellt, aber sicher war er ein intelligenter und eloquenter Kopf. Was auch für den Johannes der Apokalypse gilt. Von dieser fühlen sich manche Intellektuelle bis heute angezogen. 
Es dürfte aber auch sehr praktische Beweggründe gegeben haben. Nach Constantin setzte eine Unterstützung für die neue Sekte ein, die auch die Politik-Beamten stark veränderte. Waren sie Christen, so brauchten sie sich nicht mehr, so heißt es, für das Amt von ihrem Vermögen zu trennen. 


2019 ist zur Christianisierung der Antike ein Buch von Catherine Nixey erschienen des Titels "Heiliger Zorn". Dazu ist bei Amazon eine ausführliche Rezension zu lesen:

11. April 2019
"Kurz und knapp:

• Lebendige, bildhafte und packende (gut übersetzte) Sprache; mir gelegentlich etwas zu reißerisch
• Faszinierender, auf selektiver Quellensicht basierender Blick auf eine Zeit zerstörerischer Intoleranz
• Diverse Wiederholungen derselben Fakten, Logikschwächen und z.B. für Kenner der Bücher von K. Deschner nicht grundsätzlich neu.

Nachdem mich anfangs der packende Einstieg – schwarzgewandete Fanatiker stürmen den Athenatempel in Palmyra und zerschlagen die Statue – fasziniert hatte, wuchsen meine Bedenken: Zu sehr schien mir hier auf dünner Quellenlage eine Szene komponiert zu werden, die ich eher in einem Indiana-Jones Film verortet hätte, und die sich aufdringlich an die Bilder der 2015 erfolgten Zerstörung durch die IS-Terroristen anzuhängen schien.
Nun, diese Einwände bestehen zwar nach wie vor, doch hat mich der Rest des Buches so gefesselt, dass ich es wie einen Thriller verschlungen habe und es durchaus zur Erweiterung des konventionellen, christlich geprägten Geschichtsbildes empfehlen kann.
Zum Inhalt: Nach der letzten (und einzigen wirklich größeren) Christenverfolgung unter Kaiser Diokletian gewährt Konstantin Religionsfreiheit, die jedoch bald durch eine immer stärkere Bevorzugung des Christentums eingeengt wird. Schon Konstantins Söhne drangsalieren die „Altgläubigen“, und ein knappes Menschenalter nach seinem Tod wird das Christentum Staatsreligion, hagelt es Verbote der alten Kulte bis hin zu Todesdrohungen.

In diesem Zeitalter des Übergangs (4./5. Jh.) agierten eine Reihe von heute noch hoch angesehenen „Kirchenvätern“ (wie der Heilige Martin, Ambrosius von Mailand, Augustinus, Chrysostomos, Kyrill von Alexandria, Abt Schenute von Atripe). Ihnen ging es nicht ums Überzeugen, sondern um das Überwältigen sowohl anderer Strömungen im Christentum als auch des bereits zurück gedrängten „Heidentums“ – bei Bedarf auch mit Gewalt, um die Seelen der „Ungläubigen“ vor der ewigen Verdammnis zu retten. Oder, wie es der ägyptische Abt Schenute ausdrückte: „Für die, die Christus haben, gibt es kein Verbrechen“ (S. 302).
Wer sich in der Bibel umsieht, findet leider auch genügend Vorbilder in der jüdisch-christlichen Tradition, auf die sich diese Fanatiker bei ihrem Feldzug gegen andere Kulturdenkmäler stützen konnten: „Zerstört alle Orte, da die Heiden, die ihr vertreiben werdet, ihren Göttern gedient haben, es sei auf hohen Bergen, auf Hügeln oder unter grünen Bäumen, und reißt um ihre Altäre und zerbrecht ihre Säulen und verbrennt mit Feuer ihre Haine, und die Bilder ihrer Götter zerschlagt, und vertilgt ihren Namen aus demselben Ort.“( Mose 5.12,1-3), oder auch: „Die Bilder ihrer Götter sollst Du mit Feuer verbrennen, und sollst nicht begehren des Silbers oder Goldes, das daran ist, oder es zu dir nehmen, dass du dich nicht darin verstrickst; denn solches ist dem Herrn, deinem Gott, ein Greuel.“(Mose 5.7,25). An das Nicht-Begehrensgebot schienen sich die christlichen Eiferer allerdings weniger strikt gehalten zu haben….
Dass im Übrigen der alte Glaube im 5. Jh. noch keineswegs völlig unterdrückt oder gar tot war, illustrieren die erst 529 erfolgte Schließung der Athener Akademie, die Mitte des 6. Jh. von Justinian erlassenen antiheidnischen Gesetze sowie die von Johannes v. Ephesos in triumphierendem Ton berichteten brutalen Heidenverfolgungen um 580 n. Chr. in Baalbek, die Nixey aber nicht mehr behandelt, da der Zeithorizont des Buches 532 endet.
Vor allem im Osten des Reiches wurden religiöse Stätten der „Altgläubigen“ von fanatisierten christlichen Schlägertrupps (Totengräbern wie den Parabalani) überfallen und zerstört, wurden Gläubige sogar von christlichen Predigern aufgestachelt, ihre Brüder und Schwestern zu bespitzeln (S. 294): „Lasst uns gemeinsam mit unseren Frauen, unseren Kinder und den Angehörigen unseres Haushalts unsere Beute jagen!“, forderte der Kirchenvater Johannes Chrysostomos („Goldmund“), von dem auch das in der Überschrift verwendete Zitat zur Eigenwahrnehmung der Christen stammt (S. 263). Und mit die schrecklichsten Beispiele für christliche Hassausbrüche sind sicher der 415 in Alexandria begangene Lynchmord an der Philosophin Hypatia und die einige Jahrzehnte später dort veranstalteten Misshandlungen „heidnischer“ Philosophen. All dieses Fakten sind zwar nicht unbekannt, führen aber meist doch eher eine Randexistenz in der Fachliteratur. In Deutschland hat zwar Karlheinz Deschner mit seiner 10-bändigen „Kriminalgeschichte des Christentums“ hier schon mehr als genug Material angehäuft, doch ist seine hasserfüllte Fleißarbeit nicht nach jedermanns Geschmack. Nixeys flott geschriebenes Buch, das auch (im Gegensatz zu Deschner) gelegentlich humorvolle Blicke auf Seitenthemen wie die nichtchristlichen antiken Autoren wirft, ist hier samt seinen Illustrationen eine unterhaltsame, informative (wenn auch meist bedrückende) Lektüre und eine Erweiterung des eigenen Horizonts. Amüsant sind gleichfalls die Betrachtungen zur modernen, schockierten Prüderie bei der Aufdeckung der pompejanischen erotischen Fresken ab der Mitte des 18. Jh.

Warum ich trotzdem nur vier Sterne vergeben kann? Nun, einige Schwächen des Buches sind offenkundig: Da ist zum einen die anfangs erwähnte Liebe zur allzu detailreichen Ausmalung erfundener „hochdramatischer“ Szenen (z.B. S. 10, S.296), zum anderen der Hang der Autorin, chronologisch hin und her zu springen und gleiche Ereignisse mehrfach zu präsentieren (z.B. das Ende der letzten Philosophen der athenischen Akademie, S. 13 ff und S. 318). Dabei verwickelt sie sich auch in Widersprüche: Während auf S. 16 behauptet wird, die Athenastatue auf der Akropolis sei dort „zerstört“ worden, heißt es auf S. 150, sie sei nach Konstantinopel „verschifft“ worden. Ja, was nun?

Daneben wird so getan, als sei um 400 n.Chr. ein staatlich geförderter, unaufhaltsamer Sturm an Tempelzerstörungen über das Imperium gebraust, was einfach nicht der Realität entspricht. Die meisten Tempel wurden geschlossen, nachdem die Kulte verboten worden waren, und (außerhalb Roms, wo man hier bis in das 7. Jh. eine besondere Scheu an den Tag legte) recht schnell in christliche Kirchen umgewandelt. Dem römischen Hang zum Bewahren der alten Sitten und des Althergebrachten (mos maiorum) entsprach eher ein konservatorischer Ansatz: „Obwohl Wir die Opfer in den Tempeln verbieten, so begehren Wir doch, dass die Zierden der öffentlichen Gebäude erhalten werden sollen. Und die, welche dieselben zu zerstören suchen, mögen sich ja nicht schmeicheln, dazu berechtigt zu sein, wenn sie sich etwa auf ein Reskript oder auf ein anderes Gesetz berufen, vielmehr soll ihnen eine solche Schrift abgenommen und selbige Uns vorgelegt werden.“ (Corpus Juris Civilis I.11.3, zum Jahr 399). Tempelzerstörungen wie die des Serapeions waren nicht die Regel – besonders im Westen des Reiches - und erregten vielleicht gerade deshalb besondere Aufmerksamkeit.
Auch die von Nixey mit flammenden Scheiterhaufen bildhaft beschworene, flächendeckende Vernichtung antiker Literatur hat es so nie gegeben. Abgesehen von christenkritischen Autoren (Kelsos, Porphyrios) richtete sich der Zorn vor allem auf die als „ketzerisch“ gebrandmarkten Schriften konkurrierender religiöser Strömungen. Und selbst eine indirekte Zensur durch selektive Vernachlässigung beim Kopieren in den Klosterbibliotheken kann erstaunlicherweise eben gerade nicht nachgewiesen werden, wie die uns die heute noch überlieferten, von Nixey zitierten "unsittlichen" heidnischen Autoren wie z.B. Ovid („Liebeskunst“), Martial oder Catull ( „Ich werde euch ….“ S. 208) beweisen. Praktisch alle antiken Texte kennen wir schließlich – von wenigen Papyrusfragmenten abgesehen – nur durch die Kopiertätigkeit der Klöster, und dass man dort bei der Knappheit an teurem Pergament gelegentlich einen antiken Autor abschabte, um Frommes darüber zu schreiben, hatte primär wirtschaftliche und nicht ideologische Gründe.

Fazit: Nixey hat ihr Buch wahrhaft mit „heiligem Zorn“ geschrieben (in der Originalausgabe hieß es übrigens „The Darkening Age“, was manche Althistoriker ebenfalls erboste), wodurch es spannend zu lesen und in Anbetracht der zahlreichen, von ihr verarbeiteten Quellen eine wichtige Erweiterung des eigenen, christlich geprägten Horizonts darstellt. Aber es ist und bleibt ein einseitiges, durch zu viel „ira et studio“ geprägtes Werk, das viele Aspekte, die dem gewollt düsteren Panorama entgegenstehen würden, bewusst ausblendet. Ein Christentum, das sich vor allem in kultureller Barbarei schmutzstarrender Fanatiker äußerte, hätte wohl kaum nicht nur die breiten Massen, sondern auch die einflussreiche römische Oberschicht – einschließlich der Kaiser – gewinnen können. Zu einem vollständigen Bild gehört der geistige Einfluss antiken Denkens auf das entstehende Christentum ebenso wie die kirchlich geförderte Überlieferung zahlreicher nichtchristlicher Autoren (wie z.B. Aristoteles) in den Schreibstuben der Klöster. Ohne diese Rettungstätigkeit wäre uns nach dem (nicht durch die Christen verursachten) Zusammenbruch des Römischen Reiches und der Machtübernahme germanischer Kriegerhaufen noch ungleich weniger erhalten geblieben – die Christen haben somit keineswegs „die Antike zerstört“, wie der Buch-Untertitel suggeriert.
Nixeys Buch ist zweifellos ein wichtiger Diskussionsbeitrag, ähnelt aber streckenweise eher einer Kampfschrift als einem objektiven, umfassenden Bild der damaligen Welt. Deshalb würde ich als Ergänzung z.B. P. Browns fundiertes und abgewogenes Werk „Der Schatz im Himmel“ empfehlen, das die Wechselwirkung der neuen Religion mit der römischen Gesellschaft untersucht: https://www.amazon.de/gp/customer-reviews/R2G5BMP2634BXI/ref=cm_cr_dp_d_rvw_ttl?ie=UTF8&ASIN=360894849X
(PS: Die im Vorsatz abgebildete Karte des Römischen Reiches “Ende des 1. Jh.“ ist leider nicht korrekt, da sie zwar das erst später eroberte Dakien als römisch zeigt, aber nicht das schon zuvor besetzte heutige Baden-Württemberg.)

















Treffen sich zwei Österreicher auf der Klavierbühne ... /// Friedrich Gulda & Joe Zawinul...so blues!so groove! II