Sonntag, 24. Februar 2008

"Wie glücklich, ein Türke zu sein!" Koalition der Ausgaben

mi 10° b (Voraussage: 17°) Erste Narzissen blühen. Drei Kranichkeile auf dem Weg nach Nordosten.

- "Linker warnt vor der eigenen Partei
In Hessen will die Linke zum ersten Mal in einem westdeutschen Flächenland ins Parlament einziehen. Zwei Wochen vor der Landtagswahl rät ausgerechnet ein linker Direktkandidat ab und kritisiert „Altkommunisten und Sektierer“.
Der Direktkandidat im Lahn-Dill-Kreis, Karl-Klaus Sieloff, sagte zu FOCUS, er wolle sich „nicht länger vor den Karren spannen lassen“. Im Kreisverband hätten inzwischen unverbesserliche Altkommunisten das Sagen, kritisierte der 58-Jährige. Die Fusion seiner WASG mit der früheren PDS sei ein schwerer Fehler gewesen. „Wir haben in Hessen jetzt eine Kaderorganisation, die jede unliebsame Diskussionen abwürgt“, sagte Sieloff. Die Programmatik täusche. „Dahinter stehen Sektierer, die von der untergegangenen DDR träumen.“ ' Focus 13.1.08

- "Das Kurdenproblem der Türkei ist ein grundsätzliches und muss politisch gelöst werden. Seit der Entstehung der Republik im Jahr 1923 verfolgt Ankara in den Kurden-Gebieten eine Politik der Zwangsassimilation. Solange die Kurden in den ostanatolischen Dörfern jeden Tag in großen weißen Lettern die Parole lesen müssen „Wie glücklich, ein Türke zu sein!“, wenn sie das Haus verlassen, wird es eine Lösung kaum geben. ..." FAZ 23.2.

- Leserbrief: Türken in Europa
Die dankenswerte Veröffentlichung der Kölner Rede des türkischen Ministerpräsidenten Erdogan in der F.A.Z. vom 15. Februar bietet eine der zu seltenen Gelegenheiten eines unmoderierten Eindrucks von dem EU-Kandidaten Türkei und dem Gedankengut seiner derzeitigen politischen Führung. Zugleich gibt die Rede einen Vorgeschmack auf das Auftreten türkischer Europaparlamentarier in Straßburg und in den Brüsseler Ausschüssen, sollte die Türkei einmal beigetreten sein.

Mit Erdogans Kölner Rede wird erstmals in der europäischen Migrationsgeschichte der letzten fünfzig Jahre von einem außereuropäischen Regierungschef der Versuch unternommen, die Europa-Immigranten politisch zu instrumentieren, indem ihre individuelle Lebensleistung einer nationalen "Identität" unterstellt wird, mit der man die Menschen auf Dauer steuerungssensibel halten will. Kaum zu glauben, wie gering der einzelne Lebenslauf dabei veranschlagt wird, wie wenig die individuellen Lebensentscheidungen seiner Landsleute ihm bedeuten, wenn der türkische Ministerpräsident die Saga von den heimatliebenden Millionen in Europa entwirft, die unter das Joch der Assimilation gezwungen werden sollen. Kein Wort der Anerkennung fällt für jene 800 000 in Deutschland eingebürgerten Türkischstämmigen, die in bewundernswerter Eigeninitiative den Brückenschlag zwischen zwei sehr verschiedenen Kulturen geschafft haben. Erdogan schürt stattdessen den Konflikt, indem er unterstellt, dass ein Leben in Europa für Türken nur bedeuten kann, in einer fortwährenden inneren Résistance zu leben.
Ulysses Belz, Paris, Text: F.A.Z., 23.02.2008, Nr. 46 / Seite 8

- Leserbrief: Wo ist das teuerste soziale Paradies?
Für die Leistungsträger der Nation hat die CDU, wie Heike Göbel schreibt, tatsächlich nur "Leere Worte" (F.A.Z. vom 9. Februar). Laufend werden neue Ausgaben insbesondere für den Sozialetat geplant und in Gesetzesform gegossen. Dazu kommen hohe und noch immer steigende Kosten für den Umweltschutz durch unsinnige und zum Teil kontraproduktive Gesetze. Selbst im wirtschaftlichen Boomjahr 2007 ist es nicht gelungen, den Bundeshaushalt auszugleichen, geschweige denn einen Teil unserer hohen Schulden zurückzuzahlen.

Der Letzte, der noch den Versuch gemacht hat, unsere Sozialausgaben in den Griff zu bekommen, war Gerhard Schröder mit seiner Agenda 2010. Als dadurch die Umfragewerte der SPD auf einen Tiefpunkt fielen, hat er seine Agenda sozusagen widerrufen und viele Stimmen zur

Bundestagswahl wieder zurückbekommen. Die CDU hatte so lange große Zustimmung in der Bevölkerung, bis Frau Merkel dem Volk erklärte, wie sie das Bruttosozialprodukt erhöhen wollte. Nachdem beide Parteien sich die Finger verbrannt haben mit Plänen für eine realistische Wirtschaftspolitik, wurden nun die Schleusen für soziale Wohltaten weit geöffnet. Umverteilung war die Losung. Bis zur Bundestagswahl 2009 werden wir nun einen nicht gerade edlen Wettkampf zwischen Linke, SPD und CDU bekommen: Wer bietet das schönste und teuerste soziale Paradies? Wer mag bei so hohen und edlen Zielen da noch kleinlich an die Finanzierung denken?

Nun, man könnte ja die "Besserverdienenden" höher besteuern. Allerdings zahlen die oberen ein Prozent schon jetzt 19,8 Prozent des Einkommensteueraufkommens, die oberen zehn Prozent 50,7 Prozent und die oberen fünfzig Prozent 92,5 Prozent. Eine Durchschnittsfamilie mit zwei Kindern und einem alleinverdienenden Vater zahlt etwa zwei Drittel des Bruttoverdienstes an Steuern und Abgaben, einschließlich Verbrauchsteuern, an den Staat. Viel ist also nicht mehr zu holen. Dabei sollten die Geplünderten mit dem kümmerlichen Rest doch noch die Wirtschaft durch ihren hohen Konsum in Fahrt bringen.

Schade, dass sich die große Koalition nicht zu einem wirtschaftlich vernünftigen Plan durchgerungen hat, nämlich statt auf Umverteilung auf Erhöhung des Bruttosozialprodukts zu setzen. Jetzt könnte sie die Früchte ernten, und bei der nächsten Bundestagswahl könnten sie wieder echte Volksparteien werden.

DR. HEINZ GILCH, BAD HOMBURG, Text: F.A.Z., 23.02.2008, Nr. 46 / Seite 8