Montag, 1. Juli 2019

Sanfte Klarinette. /// Saint-Saens Clarinet Sonata, sang yoon Kim

1. Juli 1742: Glückwunsch, alter Knabe!


Lichtenberg vor der alten UB in Göttingen





“Die glücklichen Seiten des Lebens, da man noch nicht denkt, wie alt man ist, noch kein Buch hält über die Haushaltung des Lebens.” Georg Christoph Lichtenberg (1742-99), Sudelbücher, Heft L, 79

Da geht es mir anders, offenbar hat das auch seine genetische Seite. Mit den Jahren ist mir auch deren Zählung etwas abhanden gekommen und auf die Frage, wie alt ich sei, muß ich stets einen Moment überlegen. Solche kommt allerdings nicht so häufig und das Zögern mag auch diesem Umstand geschuldet sein. Entweder rechne ich dann nach, oder ich erinnere mich an die Jahreszahl des letzten Geburtstages. Vielleicht hat diese Vergessenheit auch mit der Langweiligkeit solcher Daten zu tun, deren Bedeutungslosigkeit im Lauf der Zeit stärker zu Bewußtsein kommt. Je öfter ein Ereignis eintritt, desto mehr verliert es an Reiz, es nutzt sich ab, wie alles andere auch. Es kann auch eine persönliche Haltung, eine Präferenz für den Rückblick geben, die eifriger die Jahre zählt und Kerben in das Holz der Zeit schnitzt.
Erinnerungen haben ihre Berechtigung, sie können auch sehr reizvoll sein - aber spannender sind sie nicht als die Gegenwart. Die Rückschau lebt von der Wiederholung, die Gegenwart von der Überraschung. Die raunende Beschwörung des Imperfekts - in einer Formulierung Thomas Manns aus dem “Zauberberg” - ist meine Sache nicht, oder doch nur in zweiter Reihe. Bei Toni in den “Buddenbrooks” besitzt es einen Ritualcharakter, gespeist aus einem Verlusterleben:
“»[S]olange ich am Leben bin, wollen wir hier zusammenhalten, wir paar Leute, die wir übrigbleiben … Einmal in der Woche kommt ihr zu mir zum Essen … Und dann lesen wir in den Familienpapieren.«
So scheint es sich auch bei Proust in seiner “Suche nach der verlorenen Zeit” zu verhalten. Das versinkt in süßer Nostalgie. Aber die Zeit pausiert nicht, sie bringt stets Neues, Angenehmes und Übles ebenfalls. Dem muß doch das Hauptaugenmerk gelten, sonst droht Orientierungsverlust. Und die Lebensspannung leidet.
Lichtenberg scheint hier von der Sorge eingenommen zu sein:
“Wen ich einmal mir besitze,
Dem ist alle Welt nicht nütze”,
wie es in Goethes “Faust” gegen Ende heißt (V. 11453f.).
Das aber ist fatal.


 









Viel Spielfreude bei allen. Kein Wunder bei dem Anzug :-). Das sind aber nicht mehr die alten MOTHERS, das ist schon der HOT-RATS-Stil. /// Frank Zappa - Dupree's Paradise (1973)