Montag, 15. Februar 2021

Kein Schelmenroman

Eulenspiegel - das klingt nach nicht ganz so lustigen Streichen. Die sind auch bei dem Belgier Charles de Coster nicht sehr mitreißend. Aber das ist Geschmackssache. Coster hat jedoch aus dem einfachen und derben Volksbuch von etwa 1515 ein respektables Stück Literatur gemacht, auf das man in Belgien etwas hält. Es floß viel Geschichte ein in den Bilderbogen von Till Uilenspiegel und seiner Gefährtin Nele. Geschichte aus der blutrünstigen spanischen Besatzungszeit unter Karl V. und seinem Sohn Philipp II. Uilenspiegel wird im gleichen Jahr 1527 geboren wie Philipp und ist der flämische Held vor der Folie des in jeder Beziehung negativ gezeichneten Philipp, die beiden entwickeln sich parallel und beleuchten einander. Der düstere Stoff des viele Blutopfer kostenden Kampfes gegen die katholischen Plünderer und Massenmörder wird durch die Lebens- und Liebesgeschichte des flämischen Paares ausgesteuert zu einer leichteren Stimmung, zu der auch die Schwänke des Uilenspiegels beitragen. Coster gelang mit den “Legenden und Abenteuern” ein farbiges Porträt der Flamen und ihrer Kultur vor dem Hintergrund der spanischen Gegenreformation. Nach dem Erscheinen 1869 in Brüssel avancierte es zum Nationalepos.