Freitag, 6. Januar 2012

Tyrann, Asket und Impulsgeber für Demokratie und individuelle Freiheit wider Willen






“Ein Scheiterhaufen für einen theologischen Gegner” nannte Rüdiger Achenbach den letzten Teil seiner verdienstvollen DLF-Serie über Johannes Calvin (nachzulesen auf der DLF-Seite).

Ja, Jean Calvin schreckte vor nichts zurück, wähnte er sich doch als Instrument Gottes. Niemand hatte ihm gesagt, daß alle Religion nur bodenlose Erfindung sei, und von selbst kam er nicht darauf. Michel Servet mußte also brennen in Genf, wo sich die französischen Flüchtlinge, die im katholischen Frankreich verfolgt wurden, wie Tyrannen gegenüber der eingesessenen Bevölkerung aufführten.

Thomas Jefferson, der dritte Präsident der Vereinigten Staaten, kritisierte in seinem berühmten Brief an die Danbury
Baptists vom 1. Januar 1802 diesen Calvin und trat energisch für die Trennung von Staat und Kirche ein. Im Geist der Aufklärung verteidigte Jefferson die „wall of separation between church & state“. ( Im Internet zugänglich: http://www.usconstitution.net/jeffwall.html (27.02.2011)

Das war wohl einer der wichtigsten Momente in der westlichen Geschichte, denn der Calvinismus in seinen verschiedenen Ausprägungen neigt zum Eiferertum, wo der Katholizismus die kalte bürokratische Machtausübung pflegt.
Andererseits stärkte Calvin aber das Kollegialitätsprinzip und verneinte das Amt eines Alleinherrschers, wie es das des Papstes darstellt. Und anders als Luther, der das Pfarramt dominieren ließ und die weltliche Obrigkeit umfänglich bejahte, sah Calvin in dem einzelnen Gläubigen die wichtigste irdische Glaubensinstanz. Verbunden mit seiner Vorbestimmungslehre wurde das calvinistische, evangelisch-reformierte Christentum auf verschlungenen religionspsychologischen Pfaden zu einem wirkungsmächtigen Faktor für Schulbildung, individuelles Wirtschaften und individuellen Wohlstand. (s. Max Weber, Aufsätze zur Religionssoziologie / Marco Hofheinz (Hg.), Calvins Erbe)

Sollte man Paten für die heutige westliche Welt benennen, so gehörte Calvin sicher genannt in einer (stark verkürzten) Namensreihe neben Archimedes, Perikles, Justinian (Corpus Juris Civilis), Montaigne, Hume, Jefferson, Darwin und Bultmann. Sein hölzerner Stuhl steht ein wenig verquer zu den Sitzen der anderen.