“Die aus der Sphäre des Hauses stammende Bindung zwischen Herr und Vasall war eine Verpflichtung auf Gegenseitigkeit. Deutlich kommt das in den Ritualen zum Ausdruck, durch die eine solche Beziehung begründet wurde. In einer klassischen Formulierung hat sie Marc Bloch in seiner ‘Feudalgesellschaft’ nachgezeichnet. ‘Zwei Männer stehen sich von Angesicht zu Angesicht gegenüber; der eine, der dienen will, der andere, der willens ist oder hofft, als Herr anerkannt zu werden. Der erste faltet seine Hände zusammen und legt sie so verbunden in die Hände des zweiten: ein klares Symbol der Unterwerfung, dessen Sinn manchmal noch durch Niederknien hervorgehoben worden ist. Gleichzeitig spricht die Person mit den dargebotenen Händen einige kurze Worte, mit denen sie anerkennt, der >Mann< ihres Gegenüber zu sein. Dann küssen sich der Herr und der Untergebene auf den Mund - als Symbol der Übereinstimmung und der Freundschaft. So sahen die Gesten aus, die dazu dienten, eines der stärksten Bande zu knüpfen, die das Feudalzeitalter kannte.’ Es ist der Akt der vasallitischen Kommendation, den Bloch hier schildert.”*
Andere Zeiten, andere Rituale. Was heute recht fremd anmutet, stand damals in einem anderen Kontext. Verglichen mit den orientalischen Ritualen wie der Proskynese, dem mehrmaligen Niederwerfen, mutet es jedoch fast kollegial an.
*(Mitterauer, Warum Europa? S. 136f.)