Sonntag, 9. November 2008

Hoher Herbst, Shakespeare, Nietzsche, Spiegelneuronen, Berliner Mauer

Die Bucheckern fallen, das Laub haftet. 8-10° regn.

- Herr O. soll heute auf dem Michigan-See gewandelt sein, Donnerwetter, he can.

- Wir sind solcher Stoff
Als wie zu Träumen
Und dies kleine Leben
Umfaßt ein Schlaf.

Shakespeare, Sturm IV,I

- Bayer bestätigt Prognose für 08 und erhöht für 09. Wincor N. erwartet stagnierendes Geschäft. HR Jan.-Sept. mit Verlust, streicht D.

- Nietzsche Die fröhliche Wissenschaft Anhang. Lieder des Prinzen Vogelfrei
Nach neuen Meeren

Dorthin — will ich; und ich traue
Mir fortan und meinem Griff.
Offen liegt das Meer, in's Blaue
Treibt mein Genueser Schiff.

Alles glänzt mir neu und neuer,
Mittag schläft auf Raum und Zeit
Nur dein Auge — ungeheuer
Blickt mich's an, Unendlichkeit!

- Auch erfreulich: Ludwig Jäger kramt nicht mehr in der Soziolinguistik alter Kiste wie seinerzeit in Duisburg:
'07. November 2008 Den Verächtern der visuellen Kultur wird momentan das Leben schwer gemacht. Denn auch von akademischer Seite springt man ihr längst bei. Am verblüffendsten vielleicht der Aachener Philologe Ludwig Jäger im Zürcher Jahrbuch für Wissensgeschichte „Nach Feierabend“. Unter Rückgriff auf evolutionsbiologische und neurowissenschaftliche Erkenntnisse rollt er die Frage nach Herkunft und Natur der Sprache auf. Allgemein anerkannt ist längst die These, dass die Aufrichtung des Gangs ein entscheidender Moment für die Entwicklung der menschlichen Spezies war.
Überraschender ist die Einsicht, dass das Freiwerden der Hand nicht nur die technische Entfaltung des Menschen möglich machte, sondern auch die Entwicklung einer vielschichtigen Gebärdensprache. Erst nach vermutlich vielen hunderttausend Jahren „fand dann offenbar mit der Auslagerung der Sprache aus dem gestisch-visuellen in das vokal-auditive System eine zweite Befreiung der Hand statt: Sprachliche Instruktion und technisches Handeln konnten nun in ein neues komplexes Verhältnis treten, das offensichtlich zu einem revolutionären kulturellen Schub führte.“
Wort gegen Bild, ein hegelianisches Erbe
Für die Gestensprache, zu der man Ansätze schon bei Primaten findet, macht Jäger die Spiegelneuronen verantwortlich, jene Hirnzellen, die nicht nur bei Tätigkeiten ihres Besitzers aktiv werden, sondern auch, wenn er Handlungen seiner Artgenossen beobachtet. Hier liegen die Wurzeln für eine „gemeinsame Kodierung von Rezeption und Aktion“ und damit für eine symbolische Darstellung von Handlungszusammenhängen.
Genau dieses Vermögen zur Nachahmung führte zur Gebärdensprache, die als Inszenierung im Ausdrucksbereich der Hand nicht weniger begrifflich und abstrakt war, als die heutige Wortsprache seit jeher an impliziten Bildern reich ist. Jäger erinnert daran, dass das medienkritische Ressentiment gegenüber der „Aufdringlichkeit des Piktoralen“ auf Hegel und den deutschen Idealismus zurückgeht, der das Wort im Namen der befreienden Abstraktion gegen das Bild in Stellung brachte. ..." FAZ

- Da war doch noch was?: Die Berliner Mauer „fiel“ in der Nacht von Donnerstag, dem 9. November, auf Freitag, den 10. November 1989, nach über 28 Jahren ihrer Existenz. Es wird fast totgeschwiegen. Man sollte sich aus diesem psychotischen Land verabschieden.

- Wenigstens das: "Freiheitspreis
Der Bekenner: Frankfurt feiert Mario Vargas Llosa
Vom Geschmack der Freiheit: Mario Vargas Llosa während seiner Dankesrede
09. November 2008 Freiheit ist ein Erfrischungsgetränk. Wer wissen will, wie sie schmeckt, sollte ein Glas Kola Real probieren, wenn er Südamerika bereist. Denn diese Limonade, die vor zwanzig Jahren in einer der ärmsten Gegenden Perus von einem gewissen Jorge Añaño entwickelt und von seiner Familie in der Küche des Hauses in Ayacucho abgefüllt wurde, hat seither den Durst von Millionen Menschen gestillt - nicht nach Zuckerwasser, sondern nach Veränderung. Der Zauber des Tranks lag in der Erkenntnis: Das, was ist, kann anders werden. ..." FAZ