Mittwoch, 11. Juli 2012

Blutiger Unsinn







Publius Aelius Hadrianus regierte das römische Reich von 117 bis 138

(Bild: Wiki. / Kapitol. Museen)




Nachdem das Kölner Landgericht entschieden hat, daß die Beschneidung von Jungen ohne medizinische Indikation das Delikt der Körperverletzung erfülle, haben sich allerhand Dunkelmänner zu Wort gemeldet. Im verhandelten Fall ging es um einen vierjährigen Türken, der nach der Beschneidung ernsthafte Komplikationen erlitt und im Krankenhaus behandelt werden mußte.   
Es empört, daß Säuglingen, Kleinkindern und älteren Jungen heute mitten in Europa dieser Schmerz zugefügt wird, der anhaltende Traumatisierung zur Folge haben kann.   
Der Düsseldofer Psychosomatiker Matthias Franz sieht die Beschneidung als uralte Kennzeichnungsmaßnahme, als älteste Operation überhaupt. (Vgl. Matthias Franz, Ritual, Trauma, Kindeswohl, FAZ 9.7.12) Sei es, daß im Alten Reich Ägyptens Sklaven durch die Beschneidung markiert wurden, sei es, daß schon viel früher Initiationsriten die Zirkumzision verwendeten - der brutale Moses (ein Ägypter, so Assmann) führte die Metzelei in seine krude Religion ein. Die Beschneidung erfüllt, wie auch die zunächst idiotisch anmutenden Speise- und Opfervorschriften (3. Buch Mose 11), die Funktion der Selbstausgrenzung ("auserwähltes Volk") und der ständigen öffentlichen Rechenschaftslegung. (Vgl. Mary Douglas, Reinheit und Gefährdung, Kap. 3: Die Greuel des dritten Buchs Mose).  

Auch ekelhafte Bräuche können ein langes Leben haben, besonders, wenn sie schriftgestützt sind. Erst im 19. Jahrhundert sprach sich der Breslauer Reformrabbiner Abraham Geiger gegen die Beschneidung aus. Hier spielte möglicherweise als Einfluß die historisch-kritische Methode christlicher Theologen eine Rolle, namentlich vielleicht auch Alttestamenter wie Robertson Smith. Der Geigersche Impuls gewann aber keine Breite. Davon sind auch die Beschneidungsgegner in Israel noch weit entfernt, nur rund 2% sollen sie ausmachen. (Vgl. Ein einschneidender Beschluß, FAZ 29.6.12) Der Prozeß der Zivilisation wird ihnen wahrscheinlich Rückenwind spenden; zivilisierte Juden, insbesondere säkulare Israelis mit weniger Kindern als die orthodoxen Moses-Juden, werden sich vermutlich stärker die Frage stellen, ob ein solches Blutritual bei den gegebenen Risiken überhaupt zu rechtfertigen ist. Der Arzt Franz zitiert Komplikationsraten zwischen 0 und 16%. Natürlich spielt auch die psychische Seite für die Eltern eine Rolle.   
Der Koran verzeichnet keine Beschneidungspflicht. Das verwundert etwas, weil er große Teile des Alten Testaments übernommen hat. Andererseits diente die Einführung der Beschneidung der Abgrenzung der Moses-Juden gegen die anderen semitischen Stämme. Wäre die Beschneidung allgemeiner semitischer Brauch gewesen, hätte Moses ein anderes Ritualzeichen zur Alleinstellung gewählt. 132 nach Seneca scheint diese Gruppenmarkierung noch diese Funktion erfüllt zu haben, denn da verbot Kaiser Hadrian die Beschneidung. Die Moses-Juden griffen zu den Waffen und verloren, Jerusalem wurde zerstört und dann zur COLONIA AELIA CAPITOLINA ernannt. Die jüdische Diaspora begann.     

Die Moses-Religion (s. Jan Assmann, Mosaische Unterscheidung) hat die rohe Schnitzelei aus dem ägyptischen Raum bezogen und zum Exklusivitätszeichen gemacht, der Islam hat es scheinbar später kopiert.  
Nur die christliche Reform / Revolution hat diese kruden Äußerlichkeiten auf dem Weg zum individuellen, innerlichen Glauben überwunden. Die Reformation unternahm einen weiteren großen Schritt auf diesem Weg der Rationalisierung, Symbolisierung und Verinnerlichung. Daran sollten sich andere ein Beispiel nehmen.