Donnerstag, 1. Mai 2014

Geschichtsgewirr

Russland umzingelt.jpg

Die Sicht der Blockdenker und Antiamerikaner – die Perspektive ist hier manipuliert; wenn man Rußland ins Zentrum rückt, wird die riesige Ausdehnung des Landes erst deutlich; und wenn man die Militärgebiete einzeichnete und die vielen Basen der Atomraketen, dann würde klar, wie albern diese Kartenmanipulation aus dem Hause Putin ist.


Seit Friedrich Wilhelm von Brandenburg, dem sog. Großen Kurfürsten (1620-1688), wurde Königsberg immer preußischer und immer deutscher, so wie langsam aus den über 300 deutschen Ländern langsam eine deutsche Nation entstand. Die Wirrnisse der Geschichte führten 1945 zum russischen Landraub an Königsberg und Teilen Ostpreußens. Rechtlich gehört heute Königsberg zu Rußland. 

Eine historisch gerechtfertigt erscheinende Rückeroberung verbietet sich völkerrechtlich. Dies hat seinen guten Sinn, denn die vielfach verflochtenen Beziehungen in Europa und Mitteleuropa mit vielfachen Grenzverschiebungen und Hoheitswechseln lassen immer irgendwie gelagerte historische Ansprüche begründen, die aber zu endlosen und fruchtlosen Auseinandersetzungen führen würden, nähme man sie ernst.  Es gilt der alte Grundsatz “Pacta sunt servanda”, Verträge, auch die ganz schrägen, sind einzuhalten. Man kann aber Änderungsverträge anstreben.

Bei Konflikten gibt es die Volksabstimmungungen als ein Konfliktlösungsmittel. Sie werden allerdings oft manipuliert, weswegen strenge Auflagen für ihre Durchführung zu fordern sind. Hätte Moskau auf Waffengebrauch verzichtet und der UN die Organisation einer Volksabstimmung übertragen, könnte das den Vertragsbruch des Budapester Memorandums halbwegs heilen. In diesem Sinne wird England die kommende schottische Volksabstimmung zur Unabhängigkeit respektieren, obwohl Schottland seit langem erobert und “englifiziert” ist. Solchen Spielregeln folgen NATO-Staaten. Auch Rußland könnte diesem defensiven Bündnis beitreten, aber natürlich nicht als aggressive Despotie eines Geheimdienstsoldaten. Bis zur Krim-Annektion bestand ja eine militärische Partnerschaft der Nato mit Rußland.

In diesem Zusammenhang mag auch die Radiobotschaft eines Russenfreundes Erwähnung finden, gesendet gestern im WDR3 im “Mosaik”:

"“Die literarische Kolumne:"Liebe Russen ..."

Was treibt Schriftsteller zum Schreiben? Im Mosaik erzählen sechs Schriftstellerinnen und Schrifststeller von dem, was sie bewegt – dem Stoff, aus dem ihre Literatur entsteht. Heute: eine Kolumne von Hans Pleschinski.

Guten Morgen! Liebe Russen! Ich hoffe, ihr habt gut gefrühstückt ... Mit Butter habt ihr ein gewisses Problem. Sie ist teuer. Da die russische Wirtschaft kaum eigene Produkte herstellt, habe ich sogar in sibirischen Hotels ausschließlich dänische Butter aufs Brot bekommen. Rußland verkauft en masse seine Rohstoffe, Öl, Gas. Aber es produziert, außer Waffen, nicht viel. Selten habe ich in Supermarktregalen mehr ausländische Waren gesehen als bei euch. Dass wegen der mangelhaften Wirtschaft unter der Regierung von Wladimir Putin auch tausende von russischen Dörfern verödet sind, merkt man in einem Petersburger Supermarkt zwischen Erdinger Weißbier und Unox-Dosensuppen natürlich nicht. Und leider wurde ich vor russischem Kaviar gewarnt. Wegen des nicht vorhandenen Umweltschutzes sei das Wasser des Kaspischen Meers weitgehend vergiftet.

Es gibt also viel zu tun in Russland, das heißt: Es gäbe viel zu tun.

… Diese Sibirier waren versessen auf Kultur, sie verabscheuten den Moskauer Regierungsklüngel, der ihr Land ausplündert und seine Bewohner gängelt, eine Regierung, die Korruption nicht bekämpft, sondern Teil davon ist. Als ich in Sibirien fragte, warum so viele Menschen zu meinen Lesungen kämen, erhielt ich zweimal ganz ähnlich die Antwort: "Aber Deutschland ist unser Fenster zur Welt." … “Aber ich bin mir sicher", sagte ich, "dass jeder in Europa Russland und den Russen Demokratie wünscht, Wohlstand und Gerechtigkeit; dass niemand in Europa Russland irgendein Elend wünscht, sondern sein Wohlergehen. Ein marodes Russland ist für niemanden sinnvoll."

Aber, liebe Russen, was ist seither geschehen?

Ich bin entsetzt.

Wie sollen wir Russland noch lieben?

Euer Präsident, der durch eine sogenannte 'gelenkte Demokratie' dem Land einige Stabilität verlieh, ist binnen kurzem zu einem lupenreinen Diktator geworden. Der Vorname Wladimir bedeutet 'Ich beherrsche die Welt', und Wladimir Putin ist dem entsprechenden Macht- und Größenwahn verfallen. Die Meinungsfreiheit ist beseitigt, ihr, liebe Russen, erlebt nur noch Staatspropaganda. Jede Opposition wird verfolgt. Das Völkerrecht wird mit Füßen getreten, wenn russisches Militär die Nachbarländer bedroht und drangsaliert. Das Lügen ist im Kreml zu neuer Blüte gelangt. In einer explodierten Mischung aus Stalinismus, Nationalismus und widerlicher Pseudo-Religiosität katapultiert sich Russland - anstatt modern und offen zu werden - in finstere Zeiten der Tyrannei zurück. Und die billigsten Parolen zünden: Der Westen bestehe aus Faschisten und Päderasten. …” 

(http://www.wdr3.de.via.heathcliffe.info/literatur/pleschinski114.html)