Dienstag, 21. April 2009
Max Weber, Wirtschaftswissenschaft, Strafrecht
Der junge Weber 1894
Maiwetter! Bis 18°C. Den vielen Birkenpollen kann man fast schaufeln (bestimmt wegen des Waldsterbens und der Klimaerwärmung). Erste flügge Amsel, die Mücken stechen wieder.
- Max Weber: 21. April 1864-1920: Einer der beiden nennenswerten deutschen Soziologen (der andere heißt Luhmann): Lesen! Als Einstieg vielleicht der Vortrag POLITIK ALS BERUF .
- H.-U. Wehler fordert im Focus 14/09 S. 38: "Wenn die Verantwortlichen für das Bankendesaster nicht zur Rechenschaft gezogen werden, ist das nicht mehr vermittelbar": Meint er wohl die Hypothekennehmer, die ihre Hypotheken nicht mehr bedient haben? Liest der Mann überhaupt den Wirtschaftsteil?
- "Die trostlose Wirtschaftswissenschaft ... Je raffinierter die Formeln wurden (der Autor erinnert sich an eine Formel zur Beschreibung des Gleichgewichts auf dem Arbeitsmarkt des indischen Gliedstaats Uttar Pradesh, die eine ganze Seite füllte), desto mehr ging der zugrundeliegende ökonomische Sachverhalt verloren: Je genauer die Ergebnisse wurden, desto irrelevanter wurden sie zugleich. Die als unexakt angesehene Sprache erlaubt zudem, wie der Kölner Ökonom Hans Willgerodt schreibt, viele realistische Assoziationen über menschliches Verhalten, die in mathematischen Formeln fehlen und durch nackte, manchmal nur behauptete Exaktheit ersetzt werden. In der modernen Finanztheorie wird besonders viel gerechnet, aber übersehen, wie sehr diese Rechnungen auf Annahmen basieren, die vielleicht in ihrer Vereinfachung und im Durchschnitt stimmen mögen, aber oft nicht im konkreten Einzelfall. ... Technokratie ohne Sinn:
Der gegenwärtigen Wirtschaftskrise zugrunde liegt, viertens, auch eine Tendenz, die Ökonomie rein technokratisch zu betreiben. Dieses Verständnis geht fast immer einher mit einem falschen Glauben an permanent effiziente Märkte. Daraus kann sich ein ähnlich mechanistisches Denken entwickeln wie bei jenen, die die Wirtschaft mit einer Maschine verwechseln. Wer hingegen in der «österreichischen» Tradition steht, versteht Märkte als Entdeckungsverfahren. Sie sind dynamisch, evolutiv, nie im Gleichgewicht, permanent am Korrigieren früherer Fehler – also unberechenbar. Und gerade nicht die angeblichen Marktideologen, sondern vielmehr die ökonomischen Technokraten, die an wertfreie Objektivität glauben und die Wirtschaftswissenschaften als blutleeres Instrument verstehen, haben nie die Sinnfrage gestellt und sich um viele Gefahren und Nebenwirkungen ihres Tuns foutiert. Demgegenüber geht es dem auf einen schlanken, aber starken Staat setzenden Ordoliberalismus seit je um Werte, um die Verwirklichung einer menschengerechten, freiheitlichen Ordnung.
Die Krise der Wirtschaft ist deshalb auch die Krise einer zu eng verstandenen, zu sehr einem naturwissenschaftlichen Ideal nacheifernden, stark angelsächsisch geprägten neoklassischen Ökonomie. Zugleich hat sie einige Stärken sowohl der «österreichischen» Schule als auch des Ordoliberalismus wieder in den Vordergrund gerückt. Es würde nicht überraschen, wenn ein integraleres wirtschaftliches Denken, wie es diesen freiheitlichen Strömungen eigen ist, auch an den Universitäten in Zukunft wieder mehr Anerkennung fände. Sinnvoll wäre es in jedem Fall." NZZ 11.4.09 GS
Die Marktwirtschaft ist so ungeheuer produktiv, daß nicht nur die die durchschnittliche Sozialhilfeempfängerfamilie fünf Funktelefone besitzt, sondern auch viel Anlage- und Buchgeld entsteht, ebenfalls durch den Staat, der die Geldmenge wohlfahrtlich gestimmt aufbläht und die Zinsen unter den Stiefel tritt, so daß die Anleger Neue Anlagebereiche suchen müssen. Da sollten dann die Fondsmanager gut rechnen können, aber das reicht nicht, die persönliche Verantwortung muß den Kopf nüchtern halten. Daran hat es den Rechenkünstlern gefehlt, daran wird es ihnen immer fehlen, weil sie an Formeln und Modelle glauben, und die Subalternen diese Formeln und Modelle gar nicht mehr richtig begreifen, sondern nur noch anwenden in innigem Wunderglauben. Sie nehmen den Markt dann gar nicht mehr ernst, sie verhalten sich stattdessen in der Alltagsroutine wie mechanische Rechenknechte. Da hilft nur Zurückhaltung bei anmaßender Mathematik und die Rückbesinnung auf das Ornungsdenken von Mises und Hayek, Röpke und Erhard, Schüller und Vanberg.
- "Strafrecht: Milde führt zu mehr Kriminalität. Von Philip Plickert FAZ 26.3.09
Das Strafrecht wirkt nicht mehr abschreckend, weil immer mehr Straftäter in Deutschland ohne gerichtliche Verurteilung davonkommen. Zu diesem Ergebnis kommt eine statistische Untersuchung der Wirkung der Strafrechtsreform von 1969, die Hannes Spengler, Professor für Quantitative Methoden und Volkswirtschaftslehre an der Fachhochschule Mainz, und der Ökonom und Kriminologe Horst Entorf von der Frankfurter Goethe-Universität vorgelegt haben. Die Studie ist jüngst vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung veröffentlicht worden. Ihr Tenor ist, dass zu milde Strafverfolgung mitverantwortlich ist für steigende Kriminalität.
Besonders die Zahl der Gewaltdelikte hat stark zugenommen: Sie hat sich seit den sechziger Jahren bis zum Jahr 2007 von rund 80 auf 272 Fälle je 100000 Einwohner mehr als verdreifacht, wobei vor allem Raub und Körperverletzungen zugenommen haben. Die Zahl der Diebstähle liegt mit 3107 Fällen je 100000 Einwohner zwar unter dem Rekord in den frühen neunziger Jahren, aber fast doppelt so hoch wie in den sechziger Jahren.
Erhebliche regionale Unterschiede
Zugleich ist der Anteil der gerichtlich verurteilten Straftäter stark gesunken, seit 1981 von 64 auf 43 Prozent. Immer mehr Verfahren, vor allem bei leichten und mittleren Delikten, werden eingestellt - mit oder ohne Auflagen - oder außergerichtlich geregelt. Bei schweren Diebstählen landen nur noch 35 Prozent der Tatverdächtigen vor Gericht, bei Körperverletzungen nur noch 30 Prozent. Die Entscheidung, ob ein Verfahren eingestellt wird, treffen meist die Staatsanwaltschaften. Dabei gibt es nach der Studie regional erhebliche Unterschiede: Die norddeutschen Bundesländer wie Schleswig-Holstein, Niedersachsen oder Bremen stehen für eine weiche Haltung in der Strafverfolgung; Bayern und Baden-Württemberg hingegen blieben auch nach der Reform bei einer harten Linie. Die Aufklärungs- und Verurteilungsquoten sind dort erheblich höher. ..." //
Den Autoren der Studie ist zu danken, ebenso dem Berichterstatter darüber. Die Strafseite erscheint angemessen behandelt, die Resozialisierung weniger. Konrad Lorenz weist darauf hin, daß Strafe wirksam ist bei unerwünschtem Verhalten, nicht jedoch bei der Herbeiführung positiven Verhaltens. Der Straftäter lernt durch die Strafe und wird abgeschreckt. Er braucht aber zusätzlich das Lernen und Einüben positiven Verhaltens durch Belohnung. Dazu Hans J. Eysenck: " Es gibt ... eine hervorzuhebende Entwicklung, nämlich die praktische Anwendung der hier besprochenen Theorien zum Zweck der Prophylaxe und Rehabilitation. Meine ursprüngliche Annahme, dass sowohl Neurose als auch Kriminalität als konditionierende Prinzipien verstanden werden können – wobei Neurotiker Angst- und Furchtreaktionen auf früher neutrale Situationen zu rasch und zu stark konditionieren, während Kriminelle nicht hinreichend die sozial adäquaten Reaktionen zu konditionieren vermögen ...“. ( H.J. Eysenck, Kriminalität und Persönlichkeit, Vorwort S. 12f., Wien 1976 ) Eysenck schlägt für die Haft ein belohnendes Lernsystem vor, das er bereits in einigen US-Haftanstalten als ein Token-System erfolgreich arbeiten sah. Hier sollten Spengler und Entorf weiter forschen, denn nicht nur unterscheiden sich die US-Einzelstaaten recht stark voneinander, auch bei den Counties verhält es sich ähnlich, wie wir von Sheriff Joe Arpaios Maricopa County-Jail wissen (www.mcso.org/).
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