Montag, 18. Mai 2015

Erstens kommt es anders, und zweitens, als man denkt





Grab von Constantin Frantz in Dresden 
(Foto: Paulae/Wiki.)







„Manches habe ich auch Giscard zuliebe getan. Zum Beispiel habe ich dem Beitritt Griechenlands zur Europäischen Gemeinschaft zugestimmt - gegen meine Überzeugung ... Ich hatte mich etwas mit der griechischen Ökonomie befasst und konnte mir schlecht vorstellen, dass einer der milliardenschweren Reeder je auch nur eine Drachme Steuern nach Athen überwiesen hatte. Dennoch habe ich dem überzeugenden Argument von Giscard nachgegeben: Nachdem alle drei Staaten ( gemeint: Spanien, Portugal und Griechenland - WB ) aus eigener Kraft ihre Diktaturen abgeschafft hatten, mussten wir ihnen beistehen …“ Schmidt-Schnauze, alias Helmut Schmidt-Großschuldenmacher, Was ich noch sagen wollte, S. 212-14, 2015
Da hätte doch Schmidt-Schnauze einfach französischer Politiker werden sollen, könnte man lapidar anmerken. Doch ist die EU heute eine nicht ungefährliche Brüsselkratie geworden, und eine gefährliche Euro-Kratie, und daran ist nicht Griechenland schuld, sondern Politiker wie Giscard und Schmidt-Schnauze. Weder de Gaulle noch Adenauer hätten diesen Weg beschritten zur sanften EU-Diktatur und zur Transferunion. 

Constantin Frantz fällt einem da ein, der publizistische Gegenspieler Bismarcks, und sein Buch von 1851 „Deutschland und der Föderalismus“. Der SPD-Parteihistoriker Wehler nannte Frantz einen “mediokren Kritiker”, aber wer den Kopf voller Sozialismusmuff hat, wie Wehler (Deutsche Gesellschaftsgeschichte ), ist nicht besonders urteilsfähig. Frantz jedenfalls stellte sich ein föderales Europa vor in den Grenzen des alten lateinischen Europas. Auch darüber hinaus entlang der Donau, wie die Türkei ihre Besatzungen aufgab. Föderal, subsidiär. Friedrich Naumann hegte ähnliche Vorstellungen. Polen wollte er als Staat wiedererstehen lassen gegen den “rastlosen russischen Eroberungstrieb”, denn Polen hatte lange die katholische, also lateinische Ostgrenze gebildet und die russisch-orthodoxe Barbarei und den russischen panslawistischen Imperialismus abgewehrt. Bismarck war unfähig, das zu sehen, sowenig, wie er sich die Auflösung Preussens in Deutschland und den schließlichen Untergang vorstellen konnte. Schmidt und seine Nachfolger wollen heute Deutschland in der Brüsselkratie versenken. 


Niemand sieht allerdings die Zukunft voraus, und was sich die Politiker und Publizisten so denken, stellt sich meist als falsch heraus. Doch der Gedanke eines föderalistischen Europas, subsidiär, wie von Frantz imaginiert, besitzt eine größere Realitätstauglichkeit als der Brüsseler Zentralismus. Das gilt auch für die Einschätzung Rußlands als einer für das lateinische Europa seit jeher gefährlichen Macht.