Samstag, 26. Dezember 2020

Am farbigen Abglanz haben wir das Leben

 

Proteus

...

Das Erdetreiben, wie's auch sei,

Ist immer doch nur Plackerei;

Dem Leben frommt die Welle besser;

Dich trägt ins ewige Gewässer

Proteus-Delphin

Schon ist's getan!

Da soll es dir zum schönsten glücken:

Ich nehme dich auf meinen Rücken,

Vermähle dich dem Ozean.


“Dem Leben frommt die Welle besser”, das Leben kommt aus dem Wasser, meint Goethe, doch bei seiner Farbenlehre ist es die Trübung des Lichts, die die Farben hervorbringt, und in dieser Trübung sieht er auch das Menschenleben bestimmt. An die wellenförmige Ausbreitung des Lichts denkt Goethe dabei nicht, das tun Robert Hooke und Huygens; Newton vermutet Lichtteilchen, Korpuskeln. Goethe bestimmt die Farben aus der Dialektik von Licht und Dunkel, was ihn zum erbitterten Feind der Newton’schen Farberklärung macht. Newton beschäftigte sich intensiv mit der Natur des Lichtes, als er wegen der Großen Pest 1665 aus Cambridge zu seinem Heimatdorf zurückkehrt. Diese Pest war zwar nicht so schlimm wie die Ausbrüche im 14. Jahrhundert, aber in London fielen ihr 25% zum Opfer. Newtons Spektrum erwies sich als richtig, allerdings auch die Lichtwellentheorie. Je nach Beobachtungsperspektive ist das Licht beides: Welle und Teilchen. Goethe aber irrte sich, was Licht und Farben anbetrifft. Er sah es zu metaphorisch: 

Am farbigen Abglanz haben wir das Leben.”

(Faust II, Vv. 4727, 8314ff.)