Dienstag, 8. Juli 2008

Islamisches Recht in Europa

Schlichtungsversuch nach islamischem Recht?
Nach dem Erzbischof von Canterbury erregt nun Lord Phillips als höchster britischer Richter die Gemüter

LONDON, 7. Juli. Nur wenige Monate nachdem Rowan Williams, der Erzbischof von Canterbury, einen Sturm der Entrüstung entfesselt hatte mit der Vorstellung, dass die Anwendung von Teilen des islamischen Rechts bei der Schlichtung von zivilen Streitigkeiten in Großbritannien unvermeidlich sei, hat Lord Phillips, der höchste Richter des Landes, die Debatte mit einer Rede vor einem muslimischen Publikum aufs neue entflammt (F.A.Z. vom 5. Juli).

Phillips, dem als Lord Chief Justice das Gerichtswesen von England und Wales untersteht, skizzierte einleitend den langen Weg zur Erlangung der Gleichheit aller vor dem Gesetz von Magna Carta über Habeas Corpus bis hin zu der jüngeren Rechtsgebung gegen rassische und politische Diskrimierung, bevor er auf das Verhältnis zwischen britischem Recht und dem Glauben von Minderheiten zu sprechen kam. Rowan Williams sei missverstanden worden, als er ein System erwog, in dem einzelne Personen wählen könnten, welcher Gerichtbarkeit sie sich unterstellten, um bestimmte zivile Fragen zu lösen, sagte Phillips und erinnerte daran, dass er den Vorsitz geführt habe bei dem Vortrag des Erzbischofs, der vielerorts als Kapitulation der Staatskirche vor dem multikulturellen Zeitgeist empfunden wurde. Ähnlich wie Williams bemühte sich auch Lord Phillips die in Britannien verbreiteten "Fehlannahmen" über die Scharia zu beseitigen. Bezeichnend ist auch, dass er sich seine jüdischen Großeltern erwähnte, die 1903 aus Alexandrien nach England gekommen seien, wo sie die gesetzlich gewährte Freiheit von allen Formen der Diskriminierung zu finden hofften.

Phillips bekannte, kein Kenner des islamischen Rechts zu sein, wies aber daraf hin, dass er viel gelesen und unlängst in Oman mit Anwälten über die Anwendungsarten des islamischen Rechts dort diskutiert habe. Das britische Gesetz sehe bereits vor, dass bestimmte vertragliche Auseinandersetzungen durch die Vermittlung einer von beiden Seiten anerkannten Instanz geschlichtet werden könnten. Nach diesem Prinzip gebe es "keinen Grund, weshalb die Grundsätze des islamischen Rechts, oder irgendeines anderen religiösen Kodex nicht als Schlichtungsbasis" dienen sollten. Der Richter und der Erzbischof können sich zwar auf die hergebrachten Grundsätze des Internationalen Privatrechts berufen können, wenn sie bestreiten, dass sie parallelen Rechtssystemen Vorschub leisten. Den Warnungen ihrer Kritiker, sie stellten die Gleichheit der Bürger zur Disposition, gibt aber der Kontext ihrer Interventionen Gewicht.

Lord Phillips trug seine Ausführungen in dem der Ostlondoner Moschee angegliederten London Muslim Centre vor, das sich rühmt, "aktiv Toleranz und Verständis zu fördern". Ed Husain, der in seinem Buch "The Islamist" beschreibt, "warum ich mich dem radikalen Islam in Großbritannien angeschlossen habe, was ich dort sah, und weshalb ich ihn wieder verlassen habe", behauptet demgegenüber, dass er den Westen in der Ostlondoner Moschee hassen gelernt habe. Dort sei er überzeugt worden von Rednern, deren Fanatismus inspiriert war durch den islamistischen Denker Abul Ala Maududi, der zum organisierten Kampf für den islamischen Staat aufrief, auch unter Einsatz des eigenen Lebens: "Was bedeutet der Verlust einiger Menschenleben, selbst wenn es einige Tausende oder mehr sein sollten, gegenüber dem Unheil, das die Menschheit befallen würde, wenn das Böse über das Gute und der aggressive Atheismus über die Religion Gottes den Sieg davontragen würde?"

Bei der feierlichen Eröffnung des London Muslim Centre vor drei Jahren leitete Abdul-Rahman al-Sudais, einer der führenden Imame der Großen Moschee von Mekka, ein Gebet für zwischenreligiösen Frieden und Harmonie. Einige radikale islamisch Geistliche sind bekannt dafür, dass sie mit zwei Zungen reden. Al-Sudais wettert in seinen Predigten gegen die "schlimmsten Feinde des Islam", die Gott "als Affen und Schweine schuf, die aggressiven Juden und repressiven Zionisten und jene, die ihnen folgen: die Anrufer der Dreiheit und Kreuzanbeter". Diese Hintergründe muss man berücksichtigen, bevor die Reaktionen auf die Einlassungen von Phillips und Williams als Hysterie abgetan werden. GINA THOMAS
Text: F.A.Z., 08.07.2008, Nr. 157 / Seite 36
// In der Scharia gibt es sehr pragmatische Elemente, daran wird Phillips denken - allerdings: die Fundierung ist kollektivistisch, während die englische Entwicklung seit der Magna Charta, die die europäische stark beeinflußt hat, die Rechte der Individuen beständig gestärkt hat. Die Scharia bewirkte in den letzten tausend Jahren den Entwicklungsstillstand, der in den islamisch beeinflußten Kulturen zu verzeichnen ist. Es gilt, die Scharia zu individualisieren. In Europa kann nur europäisches Recht gelten.

94 C Heizöl, Urwälder, Lichtenberg, Horkheimer


STRIZZ, Reiche, FAZ

13-15° Schauer, trüb und kalt

- "3. Juli. Heizen war in Deutschland noch nie so teuer. Am Freitag kostete der Liter Heizöl erstmals in einigen Regionen mehr als 96 Cent. Besonders teuer war es in Frankfurt, Leipzig und Süddeutschland. Aber auch in Norddeutschland, wo es wegen der Nähe zu den Häfen meist etwas billiger ist, zahlten die Verbraucher knapp 94 Cent je Liter. Das ist fast doppelt soviel wie zu Beginn des Jahres 2007, als Heizöl das letzte Mal zu einem im mittelfristigen Vergleich niedrigen Preis zu haben war. ... In Westeuropa und in Amerika sei bereits ein sparsamerer Umgang besonders mit Benzin festzustellen. Wenn nun auch noch die zahlreichen Schwellenländer, die Energie subventionierten, ehrliche Preise für Öl und Ölprodukte zuließen, könne die Nachfrage insgesamt tatsächlich spürbar geringer wachsen als über die zurückliegenden Jahre hinweg, heißt es." Text: F.A.Z., 04.07.2008, Nr. 154 / Seite 25"

- "Urwälder werden unvermindert weiter abgeholzt. jom. FRANKFURT, 30. Juni. Das Abholzen der Regenwälder setzt sich in diesem Jahrhundert unvermindert fort. Das geht aus einer neuen Datenauswertung der Forschergruppe um Matthew Hansen von der South Dakota State University hervor. Sie verknüpfte zum ersten Mal die Vorteile unterschiedlich hoch aufgelöster Satellitenmessungen miteinander. Seit dem Jahr 2000 ist eine Tropenwaldfläche von knapp 27 Millionen Hektar verschwunden, das entspricht mehr als zwei Dritteln der Größe Deutschlands. Besonders schlecht bleibt die Lage trotz mehrerer umweltpolitischer Initiativen in Brasilien, auf dessen Konto fast 48 Prozent der Waldverluste auf der Welt gehen. Damit wird im Amazonasgebiet nahezu viermal so viel Urwald vernichtet wie in Indonesien, das auf der Rangliste auf Platz zwei liegt. Insgesamt fallen drei Fünftel der globalen Tropenwaldverluste auf Südamerika, wo besonders auch Paraguay als eines der Länder mit steigenden Abholzungsraten auffällt. Ein Drittel der globalen Verluste entfällt auf asiatische Länder. Anders als in den Statistiken der Vereinten Nationen, wo man zuletzt das tropische Afrika als ein Gebiet mit den höchsten Abholzungsraten identifiziert hatte, zeigen die neuen Analysen, dass die Tropenwaldvernichtung dort um mehr als zwei Drittel unter den offiziellen Zahlen liegt. Text: F.A.Z., 01.07.2008, Nr. 151 / Seite 9
// Wer an die Klimafantasien des IPCC glaubt, hat Gelegenheit, die Äquatorwälder zu schützen, denn dort ist die Sonnenwärmeaufnahme besonders groß.

- "Wer nichts als die Chemie versteht, versteht auch die nicht recht", meinte Lichtenberg. Ich habe diese Bemerkung immer mit Skepsis betrachtet, obwohl Roald Hoffmann dem sicher zustimmen würde. Nun stellte sich zumindest ein bestätigendes Beispiel ein. Eine Linguistin sprach über "Technikbeschreibung und Technikbewertung - ein Problemaufriß am Beispiel Lichtenbergs", fast ganz ohne Beispiele, aber sehr wortreich. Zum Schluß gewährte sie doch noch einen Blick auf Lichtenbergs allgemein gehaltenen Blitzableiter-Text ("Gewitterfurcht und Blitzableitung" von 1794), war aber unfähig, die Hauptsache, die Textsorte als argumentative Werbeschrift zu bestimmen, weil sie nicht bemerkte, wohl aus mangelnden einschlägigen Grundkenntnissen, daß in dieser Werbung für den Blitzableiter Elektrotechnik fast nicht vorkommt.- Mit welchem Fahrschein kam die Dame wohl auf ihren Lehrstuhl?

- Todestag des Sozialisten Max Horkheimer 7. Juli 1973. Horkheimer wurde 1895 als Sohn eines Fabrikanten in Stuttgart geboren, als verwöhnter Bengel begann er seinen Anti-Vaterkampf marxistisch, wurde später Mitbegründer des mit Utopie vernebelten Instituts für Sozialfantasie, das den aggressiven Studentenklamauk von 68 anstachelte. Er starb nur wenig belehrt, aber im Wohlstand in der Schweiz.