Dienstag, 6. Mai 2008

68, Reich, Anthropologie der Geistesverwirrung

Reich, Wilhelm, LB ef zu Kraus
Moses, Jesus und Wilhelm Reich - ein Leserbrief zu Hermann Kraus (ef 3/99)
Das 19. Jahrhundert war wieder eines der großen Märchenonkel, seit dem Nazarener und dem Mekkaner hatten die Epigonen geherrscht. Aber dann kam bei Hegel und Marx wieder Stimmung auf, und danach erschien, er fühlte sich nach eigenem Bekunden als neuer Moses, sogar noch Freud dazu. Schielten Hegel und Marx noch auf die Realität, wenn auch nur aus den Augenwinkeln, so ließ Freud seinem unerreichten Fabuliertalent freien Lauf und baute flugs aus einem einzigen (Berta von) Pappenheimer-Fall eine neue Kirche, die heute sogar ersatzkasseninkassoberechtigt ist - eine Weltspitzenleistung, die den Baghwan blaß aussehen läßt (vgl. u.v.a. D.E. Zimmer, Tiefenschwindel).
Wilhelm Reich imponierte das, da er aber selbst unbedingt auch ein Moses sein wollte, warf er seinem Lehrer Freud Supermoses den Bettel hin und bastelte eine Mega-Lösung: Marx+Freud+Orgon = Paradies. Das war nunmehr seine Mega-Moses-Orgon-Formel, mit der er fanatisch durch die Welt zog und Jünger sammelte.
Die Ein-und-alles-Energie des Orgons (von Orgasmus) hatte er aus seinem Zauberzylinder gezogen, sie sollte für alles taugen: als Raketentreibstoff und, jawohl, auch zur Heilung von Malaria und Krebs. Als Reich damit Patienten behandelte, schritt der Staat ein. Der Sexprophet endete folgerichtig als besonders schwerer psychiatrischer Fall.-
Hochproblematisch ist es, um es euphemistisch auszudrücken, wenn Erwachsene sexuelle Übergriffe auf Kinder mit abstrusen Ideologien legitimieren wollen (vgl. anthropologisch u.a. B. Hassenstein, Verhaltensbiologie des Kindes, Wickler/Seibt, Männlich-weiblich, N. Bischof, Rätsel Ödipus). Im Klartext: Wenn auch heute noch alte Esel oder kriminelle Pädophile alias Kinderschänder öffentlich gemeingefährliche Ideologien zur Bemäntelung ihrer barbarischen Absichten bemühen, dann sollte man sie vorbeugend anzeigen.
Die fanatischphantastische Reich-Orgon-Geschichte eignet sich nur noch als Anekdote unter dem Titel: das bisher verrückteste Beispiel aus der Sektengeschichte der Größen-, Erweckungs- und Erlösungsphantasien. Neue werden folgen.
Wolf Doleys

Pisa falsch gedeutet

Pisa falsch gedeutet
Ein Plädoyer in "Nature" gegen Testhysterien

In der jüngsten Ausgabe des Magazins "Nature" ( 1. Mai 2008) behandeln die amerikanischen Politologen Hal Salzman und Lindsay Lowell eine auch hierzulande bekannte Erscheinung: Die OECD führt einen Bildungstest mit Jugendlichen durch, das eigene Land schneidet nicht gut ab, und es kommt Zukunftsangst auf. Warum? Weil man einen Zusammenhang zwischen der zukünftigen ökonomischen Position einer Volkswirtschaft und den mathematischen oder naturwissenschaftlichen Fähigkeiten seiner Fünfzehnjährigen vermutet. Demnächst, so die Autoren, müssten also die Vereinigten Staaten nicht nur die ernsthafte Konkurrenz Japans oder Südkoreas auf den Weltmärkten fürchten, sondern auch die von Finnland, Singapur und Neuseeland?

Setzt man anstelle dieser Länder auf der einen Seite Deutschland und auf der anderen neben Finnland auch noch die Niederlande, Kanada oder Australien ein, so hat man die entsprechende Formel des hiesigen "Pisa-Schocks". Vor allem die Gutachten des sogenannten "Aktionsrats Bildung", eines von der bayerischen Wirtschaft finanzierten Gremiums, stellen gerne einen Zusammenhang zwischen Schulbildung, Innovationskraft und Wirtschaftswachstum her und ziehen aus der Tatsache weltweiter Wirtschaftskonkurrenz direkte Konsequenzen sogar für die frühkindliche Erziehung.

Hal Salzman vom Washingtoner "Urban Institute" und Lindsay Lowell von der Georgetown University geben solchen Folgerungen gegenüber zu bedenken, dass als Maßzahl für das ökonomische Potential einer Nation nicht die Durchschnittsleistungen ihrer Schüler bedeutsam sind. Man müsse vielmehr zunächst den Umfang der Spitzenleistungen vergleichen. Fragt man dergestalt nach den Ländern mit den nicht prozentual, sondern absolut meisten sehr gut abschneidenden Schülern in jenen mathematischen und naturwissenschaftlichen Tests, dann belegen die ersten Plätze: Vereinigte Staaten, Japan, England, Deutschland, dann erst Kanada und Australien.

Allerdings entlassen sowohl die Vereinigten Staaten wie auch Deutschland ebenfalls eine riesige Anzahl von Schülern mit dramatisch schlechten Kenntnissen und Fähigkeiten aus ihren Schulsystemen. Auch darüber täuschen Durchschnittsziffern hinweg: Das Problem liegt am unteren Rand der Leistungsverteilung, nicht beim Ranglistenplatz. Und gegenüber diesem Anteil an Bildungsarmen - darunter auch die Bildungsunwilligen, die sich den Schulen verweigern - ist die Rede, man müsse sie besser auf die Globalisierung vorbereiten, einfach nur sachfremdes Gerede. Hier geht es um Defizite an völlig elementaren Fähigkeiten, deren Mangel auch in einer Welt ohne Freihandel dramatisch wäre.

Außerdem sei es, so Salzman und Lowell weiter, in vielerlei Hinsicht unsinnig, Länder mit einer Bevölkerung von dreihundert Millionen Menschen mit solchen wie Finnland oder Singapur zu vergleichen. Das ist ein Argument, das nicht nur für die Projektion zukünftiger Wirtschaftsleistungen gilt. Es betrifft auch den Schulvergleich, denn selbstverständlich ist es schon rein statistisch sehr wahrscheinlich, dass eine verständige Schulpolitik in kleinen Ländern viel bessere Ergebnisse zeitigt als in großen. Eigentlich müsste man darum nicht die Vereinigten Staaten mit Neuseeland und Deutschland mit Finnland vergleichen, sondern Colorado und Finnland oder Oberbayern und Neuseeland.

Entsprechend sei es, so die Washingtoner Forscher, viel wichtiger für ein Bildungssystem, den Blick nach innen als nach außen zu richten. Nicht die gut rechnenden Tschechen oder Finnen, sondern die gut rechnenden Schüler aus Minnesota, Baden-Württemberg oder Sachsen seien das Maß nationaler Bildungspolitik. Das gilt nicht nur, weil Bildungssysteme nicht revolutioniert und komplett durch ein auswärtiges Modell ausgetauscht werden können. Es hätte auch statistisch keinen Sinn. Neunzig Prozent der Varianz von Testergebnissen, so teilte in diesem Sinne auch der Pisa-Bericht 2006 mit, finden sich innerhalb der Nationen, nicht zwischen ihnen. Die schlechten Schulen zu identifizieren und zu verbessern sei eine nationale Aufgabe, schreiben Salzman und Lowell, und oft fänden sich Anhaltspunkte für die Verbesserung in Schulen, die nur ein paar Kilometer oder Städte von den Problemen entfernt lägen. Es mag im Kontext deutscher Debatten helfen, dass so etwas einmal von zwei amerikanischen Forschern aufgeschrieben wurde, die als Experten für Arbeitsmarktpolitik und Migration nicht im Verdacht stehen, dem Philologenverband oder einer konservativen Verschwörung gegen die Unterschicht anzugehören. " Jürgen Kaube
Text: F.A.Z., 06.05.2008, Nr. 105 / Seite 39
// Nicht nur die naturwissenschaftliche und mathematische Bildung zählt.
Es kommt auch auf die Unternehmer an, die etwas unternehmen, auf die Unternehmenskultur eines Landes, auch auf die Freiheitsgrade in der schulischen und universitären Ausbildung für besonders begabte Studenten. Das Beispiel des Physikers Bechtolsheim mag das verdeutlichen, der nach dem zweiten Semester von Deutschland in die USA wechselte, ein Mitgründer von SUN wurde und seitdem immer wieder innovative Firmen gründete, zuletzt von CISCO aufgekauft, wo Bechtolsheim weiter für das Internet arbeitet. Während Deutschland seine Computerindustrie fast ganz verloren hat und auch eine deutsche Erfindung wie der MP3-Spieler amerikanische Unternehmen zur Vermarktung brauchte, geht die Erfolgsgeschichte des Silicon Valley weiter.

Raymond Aron




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- "Präsident oder Erster Konsul des neuen Jahrhunderts?
Tocqueville im Mai 68: Vor dreißig Jahren gründete Raymond Aron "Commentaire"

Im Jahr vor dem Aufstand der Studenten bezeichnete Charles de Gaulle nach dem Sechs-Tage-Krieg Israel auf einer Pressekonferenz als "elitäres Volk, selbstbewusst und herrschsüchtig". Raymond Aron reagierte mit einer heftigen Streitschrift. Auch aus Protest gegen die antiamerikanische Politik ging Aron auf Distanz zum Staatschef. Seit langem hatte er die verkrusteten Strukturen der französischen Universitäten und ihren Konservativismus kritisiert - ebenfalls 1967 trat er folgerichtig von seinem Amt in der Sorbonne zurück.

Doch im Mai 68 stellte sich Raymond Aron umgehend und bedingungslos hinter den General. Allerdings weigerte er sich, im Auftrag der Regierung im Rundfunk zu den Studenten zu sprechen. Im "Figaro" schrieb er Kommentare, die zum Teil der Zensur der Gewerkschaften zum Opfer fielen. Am 6. August 1968 zog er nochmals Bilanz: Eher unerwartet habe die etablierte Ordnung die Machtprobe gewonnen. Früh erkannte Aron im Studentenprotest eine Revolte "gegen den liberalen Kapitalismus und den totalitären Sozialismus". Als Pessimist befürchtete er indes "die Rückkehr einer Utopie, die von einem Jahrhundert moderner Ökonomie widerlegt wurde". Zehn Jahre später gründete Raymond Aron, der die Machtübernahme der Kommunisten und Sozialisten befürchtete, die Zeitschrift "Commentaire". Sie bekämpfte Mitterrand und den Marxismus und wurde zum Flaggschiff des Liberalismus. ..." 6.5. FAZ

- "Auf dem Weg zur Ökodiktatur
Autofahren morgen - Mobilität zwischen Realität und politischen Entscheidungen
CO2-Steuer als Ersatz der bisherigen Kraftfahrzeugsteuer - unsinniger geht es nicht mehr. / / Als das ideologisch motivierte "Erneuerbare-Energien- ..." Bartsch FAZ 6.5.

- Dopaminfreier Wille: "... Auf neue Reize prinzipiell positiv reagieren.

Nach einer Eingewöhnungsphase werden die Dopaminneurone bereits aktiv, wenn der mit der Belohnung gekoppelte Schlüsselreiz - der Geruch - erkannt wird, und zwar genauso stark, wie sie am Anfang auf die Belohnung reagierten. Wenn die Tiere vor der Wahl mit ungewissem Ausgang standen, arbeiteten die Neurone ebenso heftig, wie wenn sie aufgrund der Erfahrung sicher und sofort mit einer Belohnung rechnen konnten. Die Neurone taten gleichsam so, als sei immer das bessere Ergebnis zu erwarten. Dass das Dopaminsystem den unsicheren Ausgang offenbar gern optimistisch „sieht“, wurde bereits früher als eine Ursache für Eigenschaften wie Neugierde beim Menschen angeführt. ..." Keine Qual bei der Wahl, FAZ 6.5.08

- "Gehirn Laufen Spitzer Studie der Uniklinik Ulm.
Laufen macht schlau und verbessert die Stimmung.
18. April 2008 Wer die Turnschuhe schnürt und joggt, trainiert auch sein Gehirn und verbessert zudem seine Stimmung. Zu diesem Ergebnis sind Forscher der Universitätsklinik Ulm bei einer Studie mit knapp 80 Probanden gekommen. „Wir konnten jetzt zum ersten Mal zeigen, dass ganz bestimmte geistige Leistungen direkt vom Sport profitieren“, erklärte Manfred Spitzer, Direktor der Klinik für Psychiatrie und Physiotherapie der Hochschule. Und er ist überzeugt: „Sport macht das Gehirn effektiver.“ Die Untersuchngen hätten belegt, dass durch Joggen, Turnen oder Radfahren Reize schneller und effektiver verarbeitet würden, betonte auch Studienleiter Ralf Reinhardt am Freitag.
Für das „Gehirnjogging“ sei allerdings kein ausuferndes Marathontraining notwendig: Schon sechs Wochen intensives Lauftraining zeigten der Pilotstudie zufolge deutliche Verbesserungen vor allem in den Bereichen „visuell-räumliches Gedächtnis“, „positive Stimmung“ und „Konzentrationsfähigkeit“. Die anschließende Hauptstudie sei um psychologische Tests, Hirnmessungen sowie genetische und molekularbiologische Aspekte erweitert und auf ein 17 Wochen langes Trainingsprogramm von mehreren Gruppen ausgedehnt worden. ..." FAZ // Hawking soll in der Studie nicht mitgelaufen sein ... Hirnforscher Elger meinte einmal, daß Spitzer dazu neige, aus ganz kleinen Befunden ganz große Folgerungen zu ziehen.

- Die Adenauerzeit war so langweilig. "Volksverhetzung war das nicht: Der Fall dreier Türken vor dem Berliner Jugendgericht, die jungen Frauen mit "Vergasung" gedroht haben. Verglichen mit anderen Überfällen, zu denen es immer wieder in den Bussen der Berliner Innenstadtlinie M 29 kommt, ging die Fahrt im Spätsommer ..." 5.5.