Samstag, 14. November 2020

Das Immunsystem lernt auf unerwartete Weise

 


Wie Lernen Immunität beeinflußt (Martin Hadamitzky u.a.)

Zusammenfassung

"Experimentelle Studien bei Mensch und Tier zeigen eindrucksvoll, dass Immunfunktionen durch assoziative Lernprozesse beeinflusst werden können. In einem von unserer Arbeitsgruppe etablierten Konditionierungsparadigma bei Ratten wird die Darbietung eines neuartigen Geschmacks als konditionierter Stimulus (CS) unmittelbar mit der Injektion des immunmodulierenden Medikaments Cyclosporin A (CsA; unkonditionierter Stimulus, US) gekoppelt. Bei erneuter Präsentation des CS zu einem späteren Zeitpunkt vermeiden konditionierte Tiere, die Saccharinlösung zu trinken (konditionierte Geschmacksaversion, CTA). Zudem lassen sich Veränderungen im Immunsystem beobachten, die den pharmakologischen Effekten des als US eingesetzten Medikaments entsprechen. Um einen möglichen Einsatz von Lernprotokollen im Rahmen pharmakologischer Interventionen in der Klinik zu ermöglichen, untersuchen wir gegenwärtig die neurobiologischen Mechanismen, welche der Extinktion konditionierter immunsuppressiver Antworten zugrunde liegen. Darüber hinaus überprüfen wir die Generalisierbarkeit unserer Ergebnisse im Hinblick auf andere immunmodulierende Medikamente."

Keywords: Klassische Konditionierung; Extinktion; Immunsuppression;Rekonsolidierung; Geschmacks-assoziatives Lernen

Neuroforum | Band 26: Heft 3

How learning shapes immunity

DOI: https://doi.org/10.1515/nf-2020-0017 |

Abb. oben: Neuroforum 26, S. 180

Corresponding author: Martin Hadamitzky, Institute of Medical Psychology and Behavioral Immunobiology, Essen University Hospital, Hufelandstr. 55, 45122 Essen, Quellenangabe: Neuroforum, Band 26, Heft 3, Seiten 179–184, DOI: https://doi.org/10.1515/nf-2020-0017.

© 2020 Martin Hadamitzky et al., published by De Gruyter, Berlin/Boston. This work is licensed under the Creative Commons Attribution 4.0 International License. BY 4.0 # # # # # # # #

Man betrachtete in der Vergangenheit das zentrale Nervensystem und das Immunsystem als getrennte und unabhängig voneinander arbeitende Systeme. Doch kommt die Wissenschaft zu immer neuen Erkenntnissen, die die alten Erkenntnisse entwerten und löschen. 

Da das Gehirn und das Immunsystem ein chemisches Zeichensystem benutzen, könnte man von einer gemeinsamen Sprache sprechen. 

Insofern überrascht es nicht, daß tatsächlich eine Beeinflussung stattfindet, wie hier untersucht und festgestellt wurde. Die Wirkung des das Immunsystem dämpfende Medikament Cyclosporin A kann auch durch Lernen mit der klassischen Konditionierung erreicht werden ohne dessen Nebenwirkungen. Ein interessanter Befund, der zB bei Organtransplantationen von Bedeutung sein kann. 

            Die Beeinflussung des Immunsystems über Bewußtsein und Verhalten stellt sich anders dar. Eine gemeinsame Sprache (chemisches Zeichensystem) existiert nicht. Daher bleibt unklar, welche ursächlichen Faktoren wirksam sind: Genetik oder Umwelt. Oder eine produktive Kombination beider Bereiche. Damit beschäftigt sich speziell die Resilienzforschung, die die Gründe für stabiles und instabiles Verhalten versucht zu klären. (Warum werfen Unfälle und Verluste manche Menschen aus der Bahn, andere aber nicht?)

> Interpersonale Beziehungen (aus einem Lehrbuch)

5.3 Der Einfluss sozialer Beziehungen auf kognitive, emotionale und somatische Prozesse

5.3.1 Beziehungen und Gesundheit

Eine Vielzahl von Studien, die der Frage nach dem Zusammenhang zwischen sozialen Beziehungen und individueller Lebensfreude nachgingen, kommen zu einem recht eindeutigen Ergebnis: Menschen, die stärker sozial eingebunden sind, sind auch glücklicher (für einen Überblick z.B. Argyle, 1987; Myers & Diener, 1995). Viele dieser Untersuchungen befassten sich insbesondere mit ehelichen Beziehungen. So fand eine Metaanalyse von Wood und Kolleginnen (1989), dass verheiratete Personen durchschnittlich zufriedener als unverheiratete Menschen sind. Da viele Studien ein korrelatives Design verwendeten, ist jedoch der kausale Zusammenhang zwischen Glück und Beziehungen keineswegs so eindeutig zu benennen. Nicht auszuschließen ist die Wirkung von dritten Variablen, die sowohl Einfluss auf das psychische Wohlergehen nehmen, als auch auf Merkmale von Beziehungen. So beeinflussen z.B. auch genetische Prädispositionen das subjektive Wohlbefinden. Die Neigung zu eher guter oder schlechter Stimmung ist dann wieder mitverantwortlich für Verhalten, das für die Aufnahme oder den Erhalt von Beziehungen eher förderlich oder eher hinderlich ist (Lykken & Tellegen, 1996). Die Existenz von dispositionellen Unterschieden bedeutet umgekehrt aber nicht, dass soziale Beziehungen selbst keinen Einfluss auf unser Wohlbefinden haben. So berichten Menschen in Gesellschaft unabhängig von ihrer genetischen Disposition eine positivere Stimmung als Menschen, die allein sind. Eine Veränderung der Stimmung ist für die Zeit nach Verlassen oder Aufsuchen anderer Personen feststellbar (mit Hilfe der sogenannten „experience sampling“ Methode, Larson & Csikszentmihalyi,

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Experience sampling method: Bei dieser Untersuchungsmethode werden Probanden gebeten, ihre Alltagsempfindungen in Echtzeit festzuhalten. So sollen z.B. Gefühle im Moment des Erlebens erfasst werden, nicht erst später aus der Erinnerung. Probanden tragen dazu immer ein Notizbuch bei sich, in dem auf jeder Seite eine Skala oder einige offene Fragen zu bearbeiten sind, die das Erleben in der gegebenen Situation festhalten sollen. In unregelmäßigen Abständen erhalten sie dann über den Tag oder einen längeren Zeitraum hinweg Signale (über eine programmierte Uhr o.ä.), die sie zum Verwenden des Notizbuches auffordern.

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Den positiven Effekten, die Beziehungen für unser Wohlergehen haben können, stehen auf der anderen Seite ausgeprägte negative Effekte entgegen. Diese können durch konflikthafte Beziehungen bedingt sein, durch die Auflösung einer Beziehung (Trennung, Tod des Partners usw.) oder durch das Erleben von Einsamkeit.

Einsamkeit: Einsamkeit lässt sich als eine sowohl emotionale als auch kognitive Reaktion auf eine Diskrepanz zwischen der tatsächlichen Anzahl sozialer Beziehungen und ihrer Qualität auf der einen Seite und der gewünschten Anzahl und Qualität auf der anderen Seite definieren.

Menschen, die es vorziehen, allein zu sein und die Zurückgezogenheit suchen, fühlen sich nicht einsam (Burger, 1995). Ursachen für Einsamkeit können u. a. mangelnde soziale Fähigkeiten sein, oder aber der individuelle Bindungsstil (siehe nächster Abschnitt). Trainings und andere Interventionsformen können helfen, Kompetenzen in relevanten Bereichen interpersonaler Kommunikation aufzubauen.

Neben Zusammenhängen zu Faktoren psychischer Gesundheit konnten große epidemiologische Studien auch Korrelationen zwischen sozialen Beziehungen und körperlicher Gesundheit nachweisen. Diese Studien kamen übereinstimmend zu dem Schluss, dass eine stärkere Einbindung in soziale Netzwerke mit besserer Gesundheit und einer geringeren Sterblichkeitsrate assoziiert ist (für einen Überblick: Berkman, 1995). Diese Ergebnisse aus der Epidemiologie regten eine Reihe von Psycholog*innen dazu an, durch eigene Forschung zum Verständnis der für den beschriebenen Zusammenhang verantwortlichen Prozesse beizutragen. Dabei rückten strukturelle und funktionelle Merkmale sozialer Unterstützung in den Vordergrund. Während die Untersuchung struktureller Merkmale z.B. den Einfluss der Größe des sozialen Netzwerks auf die Gesundheit prüfte oder auch die Häufigkeit sozialer Kontakte, befasste sich die funktionale Analyse mit den Bedürfnissen und Zielen, die mit sozialen Beziehungen verknüpft sind. In diesem Zusammenhang konnten drei grundlegende Funktionen sozialer Unterstützung ausgemacht werden:

  1. emotionale Unterstützung (Zuneigung, Intimität, Bindung, Wertschätzung usw.)

  2. Unterstützung bei Bewertung und Entscheidungsfindung (Anleitung und Beratung, Informationen, Feedback usw.)

  3. instrumentelle Unterstützung (materieller oder finanzieller Beistand).

Die negativen Folgen unzureichender Bedürfnisbefriedigung auf diesen Dimensionen für z.B. das Immunsystem wurden bereits dokumentiert (z.B. Uchino, Cacioppo, & Kiecolt-Glaser, 1996). Es werden aber noch weitere Untersuchungen nötig sein, bis die offene Frage beantwortet werden kann, wie stark der Einfluss einzelner sozialer Faktoren auf die Gesundheit wirklich ist.










David Aaron Carpenter, Brahms Clarinet Quintet II. Adagio