Sonntag, 10. November 2019

„Auch eine Geschichte der Philosophie“, Habermas 2019


Es fallen allerhand Namen, und vielen Argumenten kann man folgen. In der Tat hat die Philosophie insgesamt die Gestalt einer Religion auf säkularen oder teilweise säkularen Füßen. Besonders augenscheinlich wird das bei Hegel. Aber zwei Differenzierungen scheinen völlig zu fehlen: Einmal die Unterscheidung der Rezipienten nach Kognition und Geschmack (Ästhetik), und zum anderen die skeptische Haltung, die alles Wissen und allen Glauben als unvollständig betrachtet und dadurch erkenntnisoffen bleibt. Summarisch ist das in der unscharfen Goethe’schen Formel aufgehoben, daß “alles Vergängliche” “nur ein Gleichnis” sei. Man kann das einfacher ausdrücken: alles ist und bleibt ein bißchen oder ganz rätselhaft. Wissenschaft hat aber gegenüber dem Glauben und der Philosophie den Vorteil, konkrete Zusammenhänge, die dem Experiment zugänglich sind, besser kausal klären zu können. Das ist nicht wenig, wenn auch von der Sinnseite her nicht überaus befriedigend. Allerdings erleben wir heute Wissenschaftler, die religiöse Denkfiguren auf ihre Klimamodellbastelei anwenden und Wissen nur vortäuschen - sei es aus tiefgründendem Aberglauben, sei es aus Karrieregründen - oder einer trüben Mischung aus beidem. Skepsis und Pragmatismus sind daher für alle Lebensbereiche unabdingbar.