Samstag, 11. Juli 2015

Econs kennen keine Verlustängste, Menschen schon












Verlieren und gewinnen. Gewinn und Verlust. Als der arrogante Parteifunktionär Kohl mit seinen Helfern - fast dem gesamten Bundestag - die selbstherrliche Einführung des Euro beschloß, spielte in der öffentlichen Diskussion die Verlustaversion keine Rolle. 

Die Pro-€-Ökonomen wie Otmar Issing legten dar, daß die fehlende Abwertungsmöglichkeit bei einer Währungsunion durch Umzüge im Währungsraum und durch fallende Löhne und Renten ersetzt würde. Der Effekt wäre der gleiche.
Das trifft theoretisch zu, ist aber psychologisch falsch. 
Fallende Löhne sind für die Betroffenen Verluste, die doppelt so stark wahrgenommen werden wie Gewinne. Auch von Nichtbetroffenen. Man kann das ständig bei Umstrukturierungen beobachten, wenn ein Unternehmen auf Billigkonkurrenz reagiert (Post/UPS, Lufthansa / Ryan-Air etc.). 
In ganz großem Maßstab findet das in Griechenland statt. Alle Betroffenen wehren sich mit Zähnen und Klauen gegen Einschränkungen, also gegen Verluste, und sie finden viel Unterstützung bei Nichtbetroffenen, so daß sogar eine Schurken- und Abenteurerregierung gewählt wird, die nichts kann, außer Schaumschlägerei, Rederei und Trickserei, und die dadurch das ganze Land lähmt.
Den Ökonomen der homo-oeconomicus-Tradition fehlt eine Urteilsdimension, denn: 
„Die Verlustaversion ist eine starke konservative Kraft, die minimale Veränderungen des Status quo bei Institutionen und im Leben von Individuen begünstigt.“ (Kahneman, Denken, S. 375) Will heißen, daß die starke Neigung zur Verlustaversion den Stillstand fördert. Je älter die Menschen sind, desto mehr.
Sie muß von politischen Entscheidern ernstgenommen werden. Insbesondere im verkalkten Europa, wo das Beharrungsvermögen größer ist als etwa in den USA.