Samstag, 17. Dezember 2016

Da liegt Aristoteles wieder falsch






QUE SCAY-IE - Was weiß ich - 
das will fein abgewogen werden. Montaignes Motto, eingebrannt in einen Balken seines Studier-Turms.




„Alle Menschen streben von Natur aus nach Wissen.“ (Aristoteles, Metaphysik 1, 980 a 21)

Das stimmt nicht ganz. Stimmiger ist, daß die meisten Menschen recht haben wollen und der festen Meinung sind, daß sie recht haben. 
Wenn sich die Mehrheit zu den guten Autofahrern zählt, stimmt wahrscheinlich etwas nicht. Eher handelt es sich um Rechthaberei. Die ist bei der Mehrheit stets vertreten und kann bei einzelnen Exemplaren in Wettsucht oder gar Mord und Totschlag ausarten, wie im Falle eines legendären Streits über die Gewinnhäufigkeit der Fußballweltmeisterschaft. Solche Gewißheitsträger gibt es aber nicht nur in den Niederungen des Fußballs, sondern auch anderswo. 
Oberpriester beispielsweise wähnen sich stets im Besitz festen Wissens und töten andere, die ebenfalls überzeugt sind, recht zu haben. So ließ etwa Augustinus die Arianer verfolgen und totschlagen. 
Die Gewißheitsüberzeugungen betreffen also sowohl die wenig intelligenten Fußballidioten, als auch die besonders intelligenten Religioten. Da kann es nicht verwundern, daß alle dazwischen auch betroffen sind von der Gewißheitssucht. Daher beschäftigen sich die empirischen Psychologen mit häufigen Urteilsfehlern, was Sextus Empiricus heute ebenfalls tun würde. Gewißheiten beruhen auf Urteilen, und bei Urteilen gibt es Fehler, die abhängen von Kontexten und deren Verarbeitung (vgl.  Parducci 1965, Birnbaum 1999, Kahneman 2011). 
Skepsis ist also das 1. Gebot im Umgang mit Urteilen und Gewißheitsträgern, wo immer sie auftreten mögen. Denn - wie schon Lichtenberg notierte:

„ Man kann würklich nicht wissen ob man nicht jetzt im Tollhaus sitzt. “
[Sudelbücher, J 520]

Was direkt an die Gegenwart und die Bundestagsparteien erinnert.